Häufige Fehlbehandlung bei Lewy-Body-Demenz in schwedischen Pflegeheimen: zu oft Antipsychotika, zu selten Antidementiva

Original Titel:
Psychotropic and anti-dementia treatment in elderly persons with clinical signs of dementia with Lewy bodies: A cross-sectional study in 40 nursing homes in Sweden.

MedWiss – Schwedische Wissenschaftler gingen der Frage nach, wie Patienten mit einer Lewy-Body-Demenz in schwedischen Pflegeheimen behandelt werden. Sie fanden, dass Betroffene mit 2-4 klinischen Anzeichen für diese Demenzerkrankung häufig eine medizinisch nicht angemessene Behandlung mit häufigerer Gabe von Antipsychotika und ungenügender Therapie mit Antidementiva erhielten. 


Die Lewy-Body-Demenz (oder Lewy-Körperchen-Demenz) kommt häufig zu kurz – die Diagnose ist deutlich seltener als die der Alzheimererkrankung, betrifft aber nach aktuellen Schätzungen immerhin etwa jeden 10. Patienten mit einer Demenzerkrankung. ‚Lewy bodies‘ nennt man kleine Einschlüsse in Nervenzellen im sogenannten Hirnstamm, nach dem Neurologen Dr. Lewy, der sie Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieb. Diese Einschlüsse finden sich bei Betroffenen der Parkinson-Krankheit, aber eben auch bei manchen Menschen mit Demenzsymptomen, die nicht die klassischen Parkinson-Symptome wie Zittern und Muskelsteifigkeit aufweisen.

Lewy-Körperchen-Demenz: erkennbar an Halluzinationen und manchmal Parkinson-Symptomen

Bei der Lewy-Body-Demenz sind besonders neuropsychiatrische Symptome auffällig. Betroffene haben oft lebhafte Halluzinationen oder Wahnvorstellungen. Wie auch bei der Alzheimerdemenz leiden sie oft unter Depressionen und Ängsten, können gereizt und unruhig sein. Bei einer Alzheimerdemenz können Neuroleptika (auch Antipsychotika genannt) teilweise manche der neuropsychiatrischen und Verhaltens-Symptome lindern. Allgemein sind allerdings Antipsychotika bei älteren Patienten wegen möglicher Nebenwirkungen (Parkinson-ähnliche Symptome, Sedierung und Herz-Kreislauf-Probleme) mit Vorsicht zu betrachten. Ganz besonders trifft dies bei der Lewy-Body-Demenz zu: diese Patienten sind oft besonders empfindlich gegenüber Antipsychotika. Ihre Hypersensitivität kann zu massiven Nebenwirkungen bis hin zum Delirium führen.

Antipsychotika-Hypersensitivität bei Lewy-Body-Demenz führt zu massiven Nebenwirkungen

Schwedische Wissenschaftler gingen nun der Frage nach, wie Patienten mit einer Lewy-Body-Demenz behandelt werden. Ist das Wissen um die Besonderheiten dieser Demenzerkrankung und der besten Medikation im Alltag der Demenzpflegeheime präsent?

Dazu ermittelten sie in Schweden zwischen 2012 und 2013 mit speziellen Fragebögen, ob Bewohner von Demenzpflegeheimen klinische Symptome der Lewy-Body-Demenz aufwiesen. Zusätzlich analysierten sie die medikamentöse Behandlung mit Hilfe nationaler Datenbanken. Alle 40 Demenzpflegeheime in Malmö (drittgrößte Stadt Schwedens) wurden in die Untersuchung eingeschlossen. Von insgesamt 650 Bewohnern wurden die Daten von 610 Menschen (94 %) sowie 576 medizinische Behandlungslisten analysiert. Im Mittel waren die untersuchten Menschen 86 Jahre alt. Dreiviertel der Pflegeheimbewohner waren Frauen. Fast jeder 5. Bewohner (22 %) wurde mit Antipsychotika behandelt. Beruhigungsmittel wurden bei 41 % der Menschen eingesetzt, Antidepressiva bei der Hälfte (50 %) und angstlösende Mittel wurden 58 % der Menschen gegeben.

Wie wurden aber speziell die Menschen mit Symptomen der Lewy-Body-Demenz behandelt? Erstaunlicherweise erhielten diese Erkrankten umso häufiger Antipsychotika, je mehr Anzeichen sie für diese spezielle Demenzerkrankung zeigten (von 25 % bis 43 % der Betroffenen). Antidementiva erhielten zwar 45 % der älteren Menschen mit einer Demenzdiagnose – allerdings wurden eher diejenigen so behandelt, die keine Symptome der Lewy-Body-Demenz zeigten. Menschen mit zwei oder mehr Anzeichen für diese besondere Demenzerkrankung erhielten nur in 37 % der Fällen Antidementiva, die übrigen Patienten mit einer Demenzdiagnose dagegen zu 62-69 %.

Fazit: häufige Fehlbehandlung bei Lewy-Body-Demenz in schwedischen Pflegeheimen

Zusammenfassend fanden die Forscher eine ungenügende Behandlung von Patienten mit der besonderen Lewy-Body-Demenz in schwedischen Demenzpflegeheimen. Die Betroffenen mit 2-4 klinischen Anzeichen für diese Demenzerkrankung erhielten eine medizinisch nicht angemessene Behandlung mit häufigerer Gabe von Antipsychotika und ungenügender Therapie mit Antidementiva. Diese Ergebnisse lassen sich nicht direkt auf das Behandlungssystem hier übertragen – allerdings deuten aktuelle Untersuchungen zur ungenügenden Behandlung von Menschen mit einer Demenzerkrankung auch hier auf Missstände, die gerade auch bei einer Lewy-Body-Demenz ein besonders schwerwiegendes Problem darstellen könnten. Bei Halluzinationen oder an die Parkinson-Krankheit erinnernden Symptomen, aber auch bei einer besonders starken Reaktion auf Antipsychotika empfiehlt es sich also, die Demenzerkrankung durch den Facharzt genau diagnostizieren und womöglich deutlich besser behandeln zu lassen.

© Alle Rechte: HealthCom