Risiko für COPD im Alter scheint sich bereits im Kindesalter abzuzeichnen

Original Titel:
Lung function trajectories from pre-school age to adulthood and their associations with early life factors: a retrospective analysis of three population-based birth cohort studies.

MedWiss – Rauchen ist der häufigste Auslöser einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung. Doch nicht alle Menschen erkranken nach einer langjährigen Raucherkarriere. Ein Teil der Patienten entwickelt gar eine COPD, ohne geraucht zu haben. Wissenschaftliche Studien zeigen nun, dass sich bei drei von vier COPD-Patienten bereits in der Kindheit abzeichnete, wer später vermutlich eine COPD entwickeln wird.


Wer hat ein höheres Risiko später an der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) zu erkranken? Gibt es bestimmte Dinge im Leben eines Menschen, die das Risiko erhöhen? Zwei Forschergruppen haben um das zu klären Entwicklungsverläufe untersucht, sogenannte „Trajektorien“. Sie untersuchten die Entwicklung der Lungenfunktion der Studienteilnehmer von Kindesbeinen an. Dazu wurde immer wieder gemessen, wie viel Luft die Teilnehmer unter größter Anstrengung innerhalb einer Sekunde ausatmen konnten (Einsekundenkapazität, FEV1). Dazu pusteten sie so fest sie konnten in ein Peak-Flow-Meter. Da sich eine COPD schleichend entwickelt, ist dies ein guter Test, um eine Gefährdung festzustellen. Bevor sich erste Symptome bemerkbar machen, lässt bereits die Lungenfunktion nach. In der Tasmanian Longitudinal Health Study wurde dieser Wert über Jahrzehnte immer wieder gemessen. Die Studie begann im Jahre 1968. Kinder, die im Jahre 1961 geboren wurden, wurden regelmäßig untersucht. Im Alter von 7, 13, 18, 45, 50 und 53 Jahren wurde der FEV1-Wert der Kinder festgestellt. Die Forscher der Universität Melbourne haben anhand dieser Daten untersucht, wann sich die Entwicklungskurven von Menschen, die später an COPD erkrankten, von denen trennte, die keine COPD entwickelten. Dabei unterschieden die Forscher sechs verschiedene Entwicklungsverläufe, von denen sie drei mit der Entwicklung einer COPD in Verbindung brachten.

Niedrige Einsekundenkapazität als Kind steigert COPD-Risiko enorm

Dieser Zusammenhang war besonders deutlich bei dem Entwicklungsverlauf, bei dem die Teilnehmer bereits mit sieben Jahren einen auffallend niedrigen FEV1-Wert hatten, der sich bei den weiteren Untersuchungen in den nächsten Jahren noch weiter verschlechterte. Diesen Entwicklungsverlauf hatten nur 4 % der Teilnehmer, aber von ihnen litt am Ende der Studie jeder Zweite an einer COPD. Das Risiko für die Entwicklung einer COPD war bei Menschen, deren Lungenfunktion sich dieser Trajektorie entsprechend entwickelte, 35 Mal höher, errechneten die Forscher. Die beiden weiteren Entwicklungsverläufe, welche die Forscher mit dem späteren Auftreten einer COPD verbinden, zeichnen sich ebenfalls durch eine geringere Lungenfunktion aus. Den zweiten Entwicklungsverlauf beschrieben die Forscher mit „durchgängig niedrig“. Zu dieser Gruppe gehörten 6 % der Studienteilnehmer, hier war das Risiko für eine spätere COPD fast zehn Mal höher. Die dritte Gruppe hatte eine Lungenfunktion, die ebenfalls im Kindesalter unter dem Durchschnitt lag. Hierzu gehörte gut ein Drittel der Studienteilnehmer. Das Risiko dieses Entwicklungsverlaufs für eine spätere COPD errechneten die Forscher mit fast viermal so hoch.

Drei Viertel aller COPD-Patienten in Tasmanien hatten als Kind geringere Lungenfunktion

Insgesamt gehörten zu diesen drei Entwicklungsverläufen drei Viertel aller tasmanischen COPD-Patienten. Erstaunlich ist, dass bereits im Alter von sieben Jahren eine verminderte Lungenfunktion auftrat, die in einem Zusammenhang mit einer späteren COPD standen, lange bevor die die Studienteilnehmer mit dem Rauchen begannen. In den anderen drei Entwicklungsverläufen, bei denen nur wenige Teilnehmer eine COPD entwickelten, fanden sich dahingegen auch viele aktive Raucher und auch solche, die sehr früh mit dem Rauchen begonnen hatten.

Atemwegsinfekte, Allergien, Asthma und Passivrauchen lassen COPD-Risiko stark steigen

Die Forscher schließen aus ihren Ergebnissen, dass es andere Faktoren bereits in der Kindheit geben haben muss, die die Lunge schädigen und so das Risiko für eine spätere COPD maßgeblich erhöhen. Daher schauten sie, welche weiteren Befunde es bei den Teilnehmern gab, die zu den Gruppen mit einem erhöhten COPD-Risiko gehörten. Als Kinder litten diese Studienteilnehmer häufiger an Asthma, Bronchitis, Lungenentzündungen, allergischem Schnupfen und Ekzemen. Auch eine erbliche Vorbelastung durch eine Asthmaerkrankung der Eltern könnte Einfluss haben, vermuten die Forscher. Auch wenn Eltern rauchten, könnte dies die Lungenfunktion der Kinder bereits früh belastet und eine spätere COPD begünstigt haben. Die Forscher sahen bei der Auswertung der Daten auch, dass der Anteil von Müttern, die rauchten, in diesen Gruppen größer war, als bei den Gruppen, bei denen eine COPD später selten auftrat.

Die australischen Forscher vermuten daher, dass die Häufigkeit von COPD langfristig gesenkt werden könnte, wenn die Eltern nicht rauchen und die Kinder Impfungen zum Schutz gegen Atemwegsinfektionen erhielten. Auch ein Asthma in der Kindheit sollte zeitnah behandelt werden, um Schäden an den Atemwegen zu vermeiden. Weitere Studien hierzu könnten die Ratschläge der Wissenschaftler weiter untermauern.

Weitere Studie der Universität Bristol stützt Forschungsergebnisse

Eine weitere Studie von Forschern der Universität Bristol fand ebenfalls einen Entwicklungsverlauf, der bereits bei Kindern auf ein späteres Risiko für eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung hinweist. Insgesamt wurden 2632 Menschen von ihrer Geburt bis zu einem Alter von 24 Jahren von den Wissenschaftlern begleitet. Die Forscher sahen, dass etwa 5 % der Kinder bereits seit ihren ersten Lebensjahren einen niedrigen FEV1-Wert hatten, der auch bis ins Erwachsenenalter hinein nicht besser wurde. Diese Kinder hatten mit drei Jahren 14 Mal häufiger Atembeschwerden, wie sie bei Asthma auftreten, als Kinder mit dauerhaft guten FEV1-Werten. Auch ein Allergietest fiel bei diesen Kindern viel häufiger positiv aus und sie waren häufiger zu Hause Tabakrauch der Eltern ausgesetzt. Die Forscher fanden auch eine erbliche Veranlagung, diese schien aber deutlich weniger Auswirkungen zu haben, als die anderen Faktoren.

Lungenfunktion kann sich aber auch erholen

Auch die Forscher aus Bristol kommen daher zu dem Schluss, dass die Vermeidung von Passivrauchen und eine frühzeitige Behandlung von Allergien, die bei Kindern ja auch oft mit einem allergischen Asthma einhergehen können, dafür sorgen könnte, das die Kinder später nicht an einer COPD erkranken. Dabei ist es besonders von Bedeutung, dass sich die Lungenfunktion gerade bei Kindern noch normalisieren kann. Bei drei Viertel der Kinder, bei denen die Forscher in den ersten Lebensmonaten einen niedrigen FEV1-Wert gemessen hatten, verbesserte sich die Lungenfunktion später auf einen normalen Wert. Damit könnten Maßnahmen, die diesen Entwicklungsverlauf fördern, eine spätere COPD womöglich verhindern.

Die Studien zeigen, dass eine Schädigung der Lunge im Kindesalter bereits Einfluss auf eine spätere COPD haben kann. Auch wenn meist erst dauerhafte Reizungen, wie durch Tabakrauch oder das Einatmen von Stäuben bei der Arbeit, die chronisch obstruktive Lungenerkrankung in Gang bringen, sind die Weichen für ein erhöhtes Risiko anscheinend also bereits viel früher gestellt. Kinder vor Passivrauch zu schützen, Allergien gut zu managen und Asthma frühzeitig zu behandeln kann also einen lebenslangen Einfluss auf die spätere Gesundheit haben und ist ein weiteres Puzzleteil beim Verständnis der Entstehung der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung.

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