Arzneien entwickeln, die Abwehr gegen Tumore aktivieren (Nr. 142/2019)

Universität Bielefeld koordiniert europäisches Forschungsnetzwerk

Um Tumore zu behandeln, setzen Ärztinnen und Ärzte hauptsächlich Operationen, Strahlen- und Chemotherapie ein. Ein neues Projekt der Universität Bielefeld und 14 europäischer Partner untersucht in den kommenden vier Jahren zielgerichtete Krebstherapien. Die Idee: Spezielle Moleküle spüren Tumorzellen im Körper auf und geben einen Wirkstoff ab, der dafür sorgt, die wuchernden Zellen zu beseitigen. 15 Doktorandinnen und Doktoranden werden in dem Forschungsnetzwerk „Magicbullet::Reloaded“ zusammenarbeiten. Für das Projekt kooperieren Universtäten, Forschungsinstitute und Industrieunternehmen. Die Europäische Union fördert das Netzwerk mit rund vier Millionen Euro.

Mit dem Projekt setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Arbeit des Netzwerks „Magicbullet“ fort. Von 2015 bis 2018 entwickelte das Netzwerk die wissenschaftlichen Grundlagen für zielgenaue Krebsmedikamente, die Peptid-Moleküle als Transporter für den Anti-Tumor-Wirkstoff nutzen.

„In dem neuen Netzwerk wollen wir diese Forschung ausweiten“, sagt Professor Dr. Norbert Sewald von der Fakultät für Chemie und dem Centrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld. Der Chemiker koordiniert nach „Magicbullet“ auch „Magicbullet::Reloaded“. Künftig befassen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht mehr ausschließlich mit Verbindungen aus Peptiden (kleinen Eiweißmolekülen) und Anti-Tumor-Wirkstoffen. „Wir erforschen nun zusätzlich zu Peptiden weitere kleine Moleküle, die mit Wirkstoffen verbunden werden und Tumorzellen zielgenau ansteuern“, so Sewald. Der zweite Schwerpunkt des neuen Projekts liegt auf den Wirkstoffen: „Wir konzentrieren uns dieses Mal auf Medikamente, die das Immunsystem dazu bringen, Tumore als schädlich zu erkennen und sie zu beseitigen.“

„Mit einer solchen Art von Medikamenten können Tumore potenziell schonender behandelt werden als zum Beispiel mit der konventionellen Chemotherapie“, sagt Dr. Marcel Frese, Mitarbeiter in Sewalds Arbeitsgruppe. Frese begleitet die Umsetzung von Magicbullet::Reloaded. „In der Chemotherapie werden gewöhnlich zellschädigende Wirkstoffe eingesetzt. Sie sollen die Krebszellen vergiften, haben aber den Nachteil, dass sie auch die gesunden Zellen schädigen.“

Das neue Projekt verknüpft Grundlagen- und Anwendungsforschung. „An den beteiligten Universitäten und Forschungsinstituten entwickeln wir Prototypen für künftige Tumortherapien“, sagt Norbert Sewald. „Diese Prototypen werden von den beteiligten Industriepartnern in vorklinischen Studien erprobt. Unsere ersten Ergebnisse aus Magicbullet sind bereits sehr vielversprechend. Es ist aber noch ein sehr weiter Weg bis in die Klinik und wir können nicht erwarten, dass unsere Verbindungen bereits in den nächsten Jahren auf den Markt gelangen.“

Magicbullet::Reloaded vereint Forschende aus der organischen und medizinischen Chemie, Tumorbiologie und Pharmakologie. In dem neuen Konsortium kooperiert die Universität Bielefeld mit Partnern aus sechs Ländern. Beteiligt sind acht Universitäten: die Eötvös-Loránd-Universität Budapest (ELTE) in Ungarn, die ETH Zürich (Schweiz), Newcastle University (Großbritannien), die Technische Universität Darmstadt, die Universität Helsinki (Finnland), die Universität Insubrien (Italien), die Universität Mailand (Italien) und die Universität zu Köln. Als Forschungsinstitute wirken das Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin in Hannover und das Nationale Institut für Krebsforschung OOI (Ungarn) mit. Außerdem beteiligen sich vier Pharmaunternehmen: Exiris (Italien), Heidelberg Pharma (Deutschland), Philochem AG (Schweiz) und Takis Biotech (Italien). Zusätzliche Unterstützung erhält das Netzwerk von den assoziierten Industriepartnern Bayer (Deutschland), Italfarmaco (Italien) und Kineto Lab (Ungarn).

Das Forschungsrahmenprogramm der EU fördert Magicbullet::Reloaded als Marie Skłodowska European Training Network (Europäisches Ausbildungsnetzwerk für den wissenschaftlichen Nachwuchs), Förderziffer: 861316. Ziel solcher Promotionsnetzwerke ist es, herausragende Doktorandinnen und Doktoranden in strukturierter Weise innerhalb von exzellenten Forschungsvorhaben auszubilden. Der Name „Magicbullet“ bezieht sich auf ein Konzept des Nobelpreisträgers Paul Ehrlich (1854-1915), von dem die Idee der zielgerichteten Wirkstoffe stammt und der diese als „Zauberkugeln“ bezeichnete.

Weitere Informationen:
•    Website des neuen Forschungsnetzwerks
•    research_tv-Beitrag zum Vorgängerprojekt „Magicbullet“