Stresseffekt aufs Nervensystem? Unterschiedliche Mengen von Neurosteroiden je nach Häufigkeit der Migräne

Original Titel:
Migraine and cluster headache show impaired neurosteroids patterns.

MedWiss – Eine neue Studie fand, dass sich der Blutgehalt von Neurosteroiden, die wesentliche Signalhormone im Nervensystem, bei Patienten mit Migräne und Clusterkopfschmerz im Vergleich zueinander und im Vergleich zu Kontrollpersonen unterscheidet. Auch die Häufigkeit der Migräne zeigte sich in der Hormonmenge. Diese Hormone, die auch durch Stress beeinflusst werden, könnten einen Anteil an der Entstehung von Migräneanfällen haben, indem sie die Reizbarkeit der Nervenzellen verändern.


Zu einer Migräne trägt unter anderem auch eine Veränderung der Empfindlichkeit von Nervenzellen bei. Die Reizbarkeit der Nervenzellen kann indirekt durch Neurosteroide moduliert werden, die damit auch eine Rolle in der Entstehung von Migräneattacken spielen könnten. Zu den Neurosteroiden zählen Hormone wie Pregnenolon oder Dehydroepiandrosteron (kurz DHEA), die auf verschiedene Prozesse im Nervensystem einwirken. Diese Stellschrauben sind bei jedem Menschen unterschiedlich – beispielsweise unterscheiden sich Männer und Frauen in den jeweiligen Mengen solcher Substanzen. Die Neurosteroide werden aber auch durch äußere Faktoren beeinflusst. So kann Stress eine Nervensystem-Kaskade in Gang setzen, in deren Verlauf auch Stresshormone auf die Nebenniere, eine wichtige Hormondrüse, einwirken – die wiederum unter anderem ihre Produktion von Neurosteroiden anpasst. Stress ist auch ein bekannter Auslöser für Kopfschmerzen, sowohl bei Migräne als auch bei Clusterkopfschmerz. Die Menge an Neurosteroiden könnte also womöglich in Abhängigkeit von Kopfschmerzerkrankungen verändert sein.

Zeigen sich Kopfschmerzerkrankungen wie Migräne in den Nervenhormonen?

Ob ein solcher Zusammenhang besteht, ermittelten Forscher nun anhand des Blutgehalts von vier verschiedenen Neurosteroiden bei Patienten mit den Kopfschmerzerkrankungen Migräne oder Clusterkopfschmerz und verglichen diese mit gesunden Kontrollpersonen. Die Mengen der Neurosteroide Allopregnanolon, Epiallopregnanolon, Dehydroepiandrosteron (DHEA) und Deydroepiandrosteron-Sulfat (DHEAS) wurden jeweils bestimmt.

Insgesamt nahmen 88 Kopfschmerzpatienten teil. 19 Frauen litten unter episodischer Migräne, 51 Frauen unter chronischer Migräne (darunter auch solche mit Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerz MÜK) und 18 Männer unter Clusterkopfschmerz. Aufgrund der typischerweise unterschiedlichen Geschlechtsverteilung bei diesen Kopfschmerzarten wurden die Gruppen jeweils einheitlich zusammengestellt. Die Kontrollgruppe bestand aus 31 Frauen und 16 Männern in ähnlichem Alter.

Vergleich von gesunden Kontrollen, Patienten mit episodischer und chronischer Migräne und Patienten mit Clusterkopfschmerz

Die Kopfschmerzerkrankungen zeigten sich tatsächlich mit veränderten Mengen an Neurosteroiden. Die Menge an Allopregnanolon war bei Migränepatienten im Vergleich zu den Kontrollen signifikant erhöht. Die Patienten mit Clusterkopfschmerz zeigten dagegen reduzierte Mengen von diesem Steroid. DHEA und DHEAS waren jeweils bei Patienten mit chronischer Migräne reduziert im Vergleich zur Kontrollgruppe. Bei den Patienten mit Clusterkopfschmerz zeigte sich dagegen kein Unterschied in den Androsteronen im Vergleich zu den Kontrollen.

Interessanterweise unterschieden sich die Steroidmengen bei Patienten mit episodischer und chronischer Migräne. Die gemessenen Effekte waren demnach der Migräne zuzuschreiben, statt beispielsweise dem Fakt, dass nur Frauen in der Migränegruppe und Männer in der Clusterkopfschmerzgruppe untersucht wurden. Bei Patienten mit chronischer Migräne konnten auch Patientinnen vor und nach der Menopause verglichen werden, also Patienten mit sehr unterschiedlichem hormonellen Zustand. Die Mengenunterschiede von Neurosteroiden im Vergleich zu den Kontrollpersonen blieben dennoch bestehen.

Unterschiedliche Mengen von Neurosteroiden je nach Häufigkeit der Migräne

Demnach zeigten sich deutliche Unterschiede in Neurosteroiden bei Patienten mit Migräne und Clusterkopfschmerz im Vergleich zueinander und im Vergleich zu Kontrollpersonen. Die Autoren schlossen daraus, dass eventuell eine ähnliche Grundproblematik wie die Empfindlichkeit des Nervensystems auf verschiedene Reize bei den beiden Erkrankungen Clusterkopfschmerz und Migräne vorliegt, aber im Grunde die beiden Krankheiten klar unterschieden werden können. Manche der Neurosteroide waren deutlicher verschieden von den Kontrollen bei chronischer als bei episodischer Migräne. Im Blutgehalt dieser Substanzen konnte also ein Schweregrad der Migräne erkannt werden. Die Autoren vermuten, dass diese Substanzen einen Anteil an der Entstehung von Migräneanfällen haben, indem sie die Reizbarkeit der Nervenzellen verändern. Weitere Studien zu Neurosteroiden und ihrem Einfluss auf Kopfschmerzkrankheiten sind also zu erhoffen, um die Krankheitsursachen und -auslöser besser zu verstehen und behandeln zu können. Grundlegend können Betroffene aber auch ein nutzbares Fazit aus der Studie ziehen: Stress ist einer der Faktoren, die die Neurosteroide beeinflussen. Stress reduzieren ist also nicht nur generell eine gute Idee, sondern könnte auch wesentlich zur Besserung der Grunderkrankung Migräne beitragen.

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