Symptome eines Schlaganfalls ernst nehmen

Plötzlich stockt die Sprache, die Silben sind abgehackt und die Worte lallend, das Seefeld ist eingetrübt und der Mundwinkel hängt nach unten – diese Symptome eines Schlaganfalls sollten Betroffene nicht ignorieren. Sie sind erste Anzeichen für eine schwere Erkrankung, die unbehandelt zu noch schlimmeren gesundheitlichen Folgen führt. Anlässlich des Weltschlaganfalltags am Donnerstag, 29. Oktober, machen Mediziner am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden darauf aufmerksam und warnen davor, die Symptome zu ignorieren. „Auch nach einer transitorischen, also kurzfristigen Durchblutungsstörung ist es notwendig, lebenslang Medikamente zunehmen, um einen Schlaganfall zu verhindern“, sagt Prof. Volker Pütz, Facharzt für Neurologie und Leiter der Stroke-Unit. Nur durch geeignete Therapien sowie eine regelmäßige Nachsorge sind Betroffene optimal versorgt und können den Weg zurück in den Alltag schaffen. Das beweist das Nachsorgeprogramm SOS-Care – Hilfe nach Schlaganfall des Uniklinikums und der AOK Plus: Die Patienten haben eine höhere Lebenserwartung als deutschlandweite Registerdaten prognostizieren.

In Deutschland kommt es jedes Jahr zu knapp 200.000 neuen Schlaganfällen und circa 66.000 wiederholten Schlaganfällen. Damit ist das Krankheitsbild nach Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Registerdaten zeigen, dass jeder zweite Schlaganfallpatient in den ersten fünf Jahren nach dem Ereignis verstirbt (Ärzteblatt 9/2020). Gegen diese Prognose kann ein umfangreiches und dichtes Nachsorgeprogramm helfen. Deshalb wurde bereits 2011 am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden das Versorgungsmanagementprogramm „SOS-Care“ etabliert. Die innovative Form der Schlaganfallnachsorge – entwickelt von der Klinik für Neurologie und seit 2016 von der AOK PLUS finanziert – bildet die Grundlage dafür, dass Patienten nach der Entlassung begleitet und motiviert werden.

Dafür nehmen Case Manager, sogenannte „Schlaganfall-Lotsen“ Kontakt mit den Patienten auf, sie koordinieren die weitere medizinische Versorgung im ambulanten Bereich und motivieren die Patienten zu einem gesundheitsbewussten Lebensstil, Medikamententreue und zur Reduzierung der individuellen Risikofaktoren. „Ziel ist es, einen erneuten Schlaganfall und deren Folgen zu vermeiden“, sagt PD Dr. Jessica Barlinn, Projektleiterin und Fachärztin für Neurologie. Die Erfolge geben der Medizinerin und dem Team der Case Manager recht: Eine nichtrepräsentative Datenerhebung zeigt, dass von 164 zwischen 2012 und 2016 im Projekt betreuten Patienten heute noch 75 Prozent am Leben sind. Bei nur fünf Prozent der Verstorbenen hat ein weiterer Schlaganfall zum Tod geführt, bei allen anderen gab es eine andere Todesursache. „Diese Zahlen zeigen, wie wichtig eine gezielte Nachsorge ist und dass es sich lohnt, wenn man nach einem Schlaganfall seine Gewohnheiten ändert und gesundheitsbewusster lebt. Aufklärung über Risikofaktoren, Unterstützungsmöglichkeiten und Medikamententreue sind dabei zentrale Inhalte unserer Arbeit.“, sagt Case Manager und Schlaganfall-Lotse Uwe Helbig.

Genauso wichtig ist es aber auch, einen Schlaganfall rechtzeitig zu erkennen und den Rettungsdienst zu alarmieren. Hier zählen Sekunden, wenn es darum geht, welche Spätfolgen ein geplatztes oder verstopftes Gefäß im Gehirn anrichten kann. Wie bei anderen Krankheitsbildern auch beobachten die Mediziner am Uniklinikum mit Sorge, dass Corona und die Angst vor Infektion die Menschen weniger oft in die Klinik kommen lässt. Besonders bei einer TIA – einer transitorisch ischämischen Attacke – wird das gefährlich. Diese Durchblutungsstörung des Gehirns, welche neurologische Ausfallserscheinungen hervorruft, bildet sich meist innerhalb von einer Stunde vollständig zurück. Sie ist aber ein Vorbote, ein Warnsignal, bevor es zum Schlaganfall mit bleibenden Beschwerden kommen kann. Auch in diesem Fall müssen Medikamente verordnet werden, die der Patient lebenslang einnimmt. „Leider scheuen derzeit Patienten den Gang zum Arzt, weil sie meinen, es ist schon alles in Ordnung, wenn die ersten Symptome verschwunden sind,“ sagt Prof. Pütz.

„Die Ergebnisse aus unserem Nachsorgeprogramm SOS-Care sind ein guter Beleg dafür, wie eine umfassende, moderne Patientenversorgung funktioniert und welche Vorteile diese bietet“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand am Uniklinikum. „Wir begleiten die Patienten auch nach der Entlassung und motivieren sie, ihr Leben im Sinne der Gesundheit umzustellen. Dank des Engagements ist es gelungen, Maßstäbe in der Versorgung von Schlaganfällen zu setzen und die damit erzielten positiven Effekte zeitnah wissenschaftlich zu belegen.“ Dieser Erfolg wird auch in der neuen Focus Klinikliste gewürdigt. „Erneut konnte sich das Universitätsklinikum Dresden beim Krankheitsbild Schlaganfall in der Spitzengruppe positionieren und ist mit dieser Auszeichnung eine von wenigen Kliniken deutschlandweit, die diesen Patienten eine Versorgung auf Spitzenniveau bietet“, sagt Prof. Heinz Reichmann, Dekan der Medizinischen Fakultät an der TU Dresden sowie Direktor der Klinik für Neurologie am Uniklinikum. „Das macht uns stolz und motiviert zugleich, unseren Weg aus moderner Diagnostik, Therapie und Nachsorge fortzusetzen.“

Uniklinik bietet umfassende und lückenlose Versorgungskette

Dazu gehört auch die Stroke Unit: Die „Schlaganfallstation“ im Uniklinikum ist Ende 2019 erneut von der Deutschen Schlaganfall Gesellschaft (DSG) als überregionale Stroke-Unit zertifiziert worden. Die Begutachtung bestätigt, dass die spezialisierte Versorgung von Schlaganfallpatienten an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Dresden den aktuellsten Empfehlungen entspricht und eine Behandlung auf dem allerhöchsten Stand ermöglicht. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr über 1.200 Patienten mit Durchblutungsstörungen des Gehirns an der Universitätsklinik Dresden behandelt. „Unser Ziel ist eine umfassende und lückenlose Versorgungskette von der Notaufnahme über die Akutbehandlung auf unserer Stroke Unit und Intensivstation bis zur Verlegung in die stationäre Rehabilitation zu schaffen“, sagt Prof. Pütz. Nun wurde neben der akuten Schlaganfallstation erstmals die „Comprehensive Stroke Unit“ zertifiziert. Hierbei werden spezialisierte Behandlungsplätze für Patienten vorgehalten, die aus der akuten Phase ihrer Behandlung austreten und in die rehabilitative Nachsorge übergehen. Somit konnte ein weiterer Baustein in der Behandlungskette geschlossen werden.

Versorgung auch im ländlichen Raum

Als weitere Besonderheit kann an der Universitätsklinik die umfassende Versorgung der Patienten nicht nur im Stadtbereich Dresden, sondern im gesamten ostsächsischen und südbrandenburgischen Raum mit über 2,4 Millionen Menschen gelten: Über ein telemedizinisches Netzwerk, das Schlaganfall Ost-Sachsen Netzwerk (SOS-TeleNET), bei dem die radiologischen Bilder per Datenleitung übertragen und die Neurologen der Universitätsklinik per Kamera zugeschaltet werden, erhalten Ärzte 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr eine kompetente Beratung bei der Behandlung von Schlaganfallpatienten. Hierbei wird auch entschieden, ob ein Patient zur weiteren Behandlung in die Universitätsklinik verlegt werden muss, um hier spezifische Therapien zu erhalten. „Anlässlich des Weltschlaganfalltags plädieren wir für Vorsicht und Sensibilität, wenn es um Symptome geht, die für einen Schlaganfall sprechen“, ergänzt Prof. Pütz. „Betroffene dürfen die Rettungsstellen nicht meiden.“