Dapagliflozin bei chronischer Herzinsuffizienz: Anhaltspunkt für Zusatznutzen

Diabetes-Medikament ist auch bei symptomatischer chronischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion wirksam. Der Zusatznutzen ist wegen eingeschränkter Datenlage aber nicht quantifizierbar.

Der seit 2012 gegen Diabetes Typ 2 zugelassene Wirkstoff Dapagliflozin ist seit November 2020 auch zur Behandlung von Erwachsenen mit symptomatischer chronischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (Pumpfunktion) des Herzens zugelassen. In einer frühen Nutzenbewertung hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun untersucht, welche Vor- und Nachteile dieser Wirkstoff für Menschen mit dieser Erkrankung hat.
Demnach zeigen sich ausschließlich positive Effekte von Dapagliflozin: Die Überlebenschancen verbessern sich bei Betroffenen mit einer leichten Beeinträchtigung der Pumpfunktion des Herzens (NYHA-Klasse II). Klinikeinweisungen wegen akuter Herzinsuffizienz und schweren Nebenwirkungen sowie Erkrankungen in Atemwegen und Brustraum traten in der gesamten Behandlungsgruppe mit Dapagliflozin seltener auf.

Allerdings bildet das eingereichte Herstellerdossier die aktuelle Versorgungslage in Deutschland nicht ausreichend ab. So bleibt offen, was eine Behandlung mit Dapagliflozin zusätzlich zur heutigen Standardtherapie mit Sacubitril/Valsartan bringt.
Zusammenfassend gibt es für Patientinnen und Patienten mit symptomatischer chronischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion einen Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen bei einer Behandlung mit Dapagliflozin zusätzlich zur optimierten Standardtherapie im Vergleich zur optimierten Standardtherapie alleine.

Leitlinie empfiehlt Sacubitril/Valsartan zur Standardtherapie

Für den Vergleich einer Dapagliflozin-Behandlung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine optimierte Standardtherapie festgelegt. Dabei sollte eine Anpassung der leitliniengerechten Basis-/Begleitmedikation an die jeweiligen Bedürfnisse der Betroffenen möglich sein.
Gemäß der Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) sollen Patientinnen und Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion mit einer Kombination aus einem Angiotensin-Converting-Enzyme(ACE)-Hemmer oder einem Angiotensin-Rezeptorblocker (ARB), einem Betablocker und ggf. einem Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten (MRA) behandelt werden. Außerdem soll Betroffenen, die trotz leitliniengerechter Therapie mit diesen Arzneimitteln weiter Symptome zeigen, ein Wechsel von ACE-Hemmern / ARBs auf Sacubitril/Valsartan empfohlen werden.

Vergleichstherapie nur teilweise umgesetzt

In seinem Dossier legte der Hersteller mit der Zulassungsstudie DAPA-HF eine placebokontrollierte randomisierte Parallelgruppenstudie vor mit insgesamt 4744 Erwachsenen mit symptomatischer Herzinsuffizienz und einer reduzierten Ejektionsfraktion mit leichten bis schweren Einschränkungen der Leistungsfähigkeit (NYHA-Klasse II bis IV).
Allerdings wurde die optimierte Vergleichstherapie in der Studie nur mit Einschränkungen umgesetzt, denn nur ein geringer Anteil der Studienpopulation erhielt die empfohlene Kombination Sacubitril/Valsartan und nur bei wenigen wurde der empfohlene Therapiewechsel von ACE-Hemmern / ARBs auf Sacubitril/Valsartan durchgeführt. Aus heutiger Sicht wurden damit gemäß der Nationalen VersorgungsLeitlinie bei einem Großteil der Studienpopulation nicht alle therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft.
Unklar bleibt im Herstellerdossier auch, für wie viele Patientinnen und Patienten eine Umstellung auf Sacubitril/Valsartan tatsächlich angezeigt gewesen wäre. Deshalb erreicht die Aussagesicherheit der Daten insgesamt maximal einen Anhaltspunkt.

Weniger Todesfälle und weniger Nebenwirkungen

In der Gesamtschau zeigen sich bei einer Dapagliflozin-Behandlung nur positive Effekte: Von den Patientinnen und Patienten mit leichterer Ausprägung einer chronischen Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (Schweregrad NYHA-Klasse II) und einer zusätzlichen Behandlung mit Dapagliflozin überlebten mehr als in der Placebogruppe. Bei Betroffenen mit höheren Schweregraden zeigte sich dieser Vorteil aber nicht.
Weitere Vorteile einer Dapagliflozin-Behandlung waren seltenere Klinikeinweisungen wegen akuter Herzinsuffizienz und weniger (schwere) Nebenwirkungen wie Infektionen. Auch Erkrankungen der Atemwege, des Brustraums (Brustfell und Mittelfell) traten seltener auf, allerdings ist nicht auszuschließen, dass diese Nebenwirkungen gegebenenfalls auch auf die Symptomatik der Grunderkrankung zurückzuführen sind, z. B Atemnot (Dyspnoe). Zu den Endpunkten Gesundheitszustand und gesundheitsbezogene Lebensqualität liefert die Zulassungsstudie keiner verwertbaren Daten.

Wieviel bringt Dapagliflozin zusätzlich zur heutigen Standardtherapie?

„Die Daten deuten darauf hin, dass die Ergänzungsbehandlung mit Dapagliflozin für viele Patientinnen und Patienten mit ausgeprägter Herzinsuffizienz einen Überlebensvorteil und gleichzeitig seltener schwere Nebenwirkungen mit sich bringt“, so Volker Vervölgyi aus dem Ressort Arzneimittelbewertung des IQWiG. „Wie groß dieser Vorteil tatsächlich ist, lässt sich aber nicht sagen, da in der Zulassungsstudie die deutsche Versorgungslage nicht ausreichend abgebildet ist. Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, dass auch in internationalen Studien der lokale Kontext betrachtet wird.“

G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens

Die Dossierbewertung ist Teil der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), die der G-BA verantwortet. Nach Publikation der Dossierbewertung führt der G BA ein Stellungnahmeverfahren durch und fasst einen abschließenden Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens.
Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem allgemein verständliche Informationen.

Originalpublikation:

https://www.iqwig.de/projekte/a20-113.html