Stabilität der Körperhaltung, Armschwung beim Gehen, Handgriffstärke: Mögliche motorische Maße für Fatigue bei MS?

Original Titel:
Association Between Fatigue and Motor Exertion in Patients With Multiple Sclerosis—a Prospective Study

MedWiss – Fatigue bei der Multiplen Sklerose (MS) wird als ein vielschichtiges Problem verstanden. Wie genau sich die Fatigue einschätzen lässt, ist daher eine bislang nicht einfache Frage. Forscher untersuchten nun Veränderungen in Gleichgewicht und Gang nach einem 6-minütigen Gehtest als mögliche quantitative Marker für die Eigenwahrnehmung der Fatigue bei MS. Messbare Faktoren wie die Stabilität der Körperhaltung, der Armschwung während des Gehens und die Handgriffstärke könnten demnach zur Messung der Fatigue bei MS dienen und als motorische Marker auch unterschiedliche Fatigue-Selbsteinschätzungen bestätigen.


Fatigue bei der Multiplen Sklerose (MS) wird als ein vielschichtiges Problem verstanden. Wie genau sich die Fatigue einschätzen lässt, ist daher eine bislang nicht einfache Frage. Beispielsweise unterscheidet man zwischen State– und Trait-Fatigue, dem akuten Zustand (beispielsweise wie Angst akut ist und sich situationsabhängig verändert) im Vergleich zum Wesenszug – im Vergleich zur Angst wäre der Trait die generelle Ängstlichkeit, die einer Person eigen ist. Bei der Fatigue kann man die Erschöpfung durch die aktuelle Leistung, etwa beim Gehen, als Zustands-Fatigue (State) bezeichnen. Die Erschöpfbarkeit als Wesensmerkmal (Trait) spiegelt sich dagegen in Fatigue-Skalen wider, also der Selbsteinschätzung der Energie für mentale oder physische Anstrengungen.

Analyse von Bewegungsmustern im Vergleich zu Fatigue-Selbsteinschätzungen

Forscher untersuchten nun Veränderungen in Gleichgewicht und Gang nach einem 6-minütigen Gehtest als mögliche quantitative Marker für die Eigenwahrnehmung der Fatigue bei MS, mit Unterscheidung von State– und Trait-Fatigue. Zu Beginn füllten Teilnehmer Fragebögen zur Fatigue (Fatigue Skala für Motorik und Kognition), den Gesundheitsbogen für Patienten (PHQ-9) und die Fragen zur Einschätzung des Behinderungsgrads (EDSS) aus und führten einen Test der Handgriffstärke durch. Anschließend wurden Körperhaltung und Gangbild gemessen, bevor der 6-minütige Gehtest durchgeführt wurde. Anschließend wurden erneut Körperhaltung und Gang analysiert. Jeweils direkt vor und nach dem Gehtest wurden die Teilnehmer zudem gefragt, wie erschöpft sie sich gerade fühlten (Borg Rating of Perceived Exertion).

Messung von Gleichgewicht und Gang als Maße für die Fatigue bei MS

Insgesamt nahmen 19 Patienten mit MS, davon 17 mit Fatigue, und 24 gesunde Menschen an der Studie teil. Die Körperhaltung der Teilnehmer wurde statisch gemessen (statische Posturographie), außerdem wurde eine Ganganalyse durchgeführt und die Teilnehmer mussten bewerten, wie sie ihre Erschöpfung vor und nach dem 6-minütigen Gehtest empfanden.

Der Gehtest wurde als anstrengend empfunden: es gab in beiden Gruppen einen 3-Punkte-Anstieg in der BORG-Einschätzung nach dem Gehtest (p < 0.001 für Gesunde und MS-Patienten). In der Gruppe der MS-Patienten deuteten kürzere Schrittlängen bei höchster Geschwindigkeit und stärkere Schwankungen in der Körperhaltung nach dem Gehtest auf einen Erschöpfungseffekt auf Gleichgewicht und Gang. Bei den Gesunden war keine Veränderung im Gleichgewicht zu sehen.

Akute Erschöpfung zeigte sich in Schrittlänge und Instabilität der Körperhaltung

Während sich die meisten Veränderungen infolge des Gehens in größerer State-Fatigue, der wahrgenommenen akuten Erschöpfung, zeigten, waren Anzeichen für stärkere Trait-Fatigue (höhere Erschöpfbarkeit und Fatigue-Ratings) eher mit reduziertem Armschwingen bei komfortabler Gehgeschwindigkeit assoziiert. In der weiteren Analyse zeigte sich, dass das Gefühl der Erschöpfbarkeit (Trait-Fatigue) und die akute Erschöpfung (State) unterschiedlich mit Behinderungsgrad und motorischen Funktionen in Zusammenhang standen. Akute Erschöpfung war mit der Behinderungsskala (EDSS, expanded disability status scale) assoziiert, während die Trait-Fatigue stärker mit der Gleichgewichtsfunktion und der Stärke des Handgriffs zusammenzuhängen schien.

Demnach zeigte sich die Erschöpfung durch die aktuelle Leistung, also akute Fatigue, in der direkten Selbsteinschätzung der Erschöpfung nach dem Gehtest, aber auch im Behinderungsgrad (EDSS) durch die MS. Sie unterschied sich aber von den Fatigue-Bewertungen der Fatigue-Skala. Messbare Faktoren wie die Stabilität der Körperhaltung, der Armschwung während des Gehens und die Handgriffstärke könnten somit zur Messung der Fatigue bei MS dienen und als motorische Marker auch unterschiedliche Fatigue-Selbsteinschätzungen bestätigen.

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