Mit gezielter Therapie erfolgreicher gegen Leukämie

Bei chronischen Leukämien kann die Blockierung eines überaktiven Enzyms namens JAK2 den Krankheitsverlauf lediglich verlangsamen. Eine bessere Wirkung lässt sich möglicherweise durch das zusätzliche Hemmen eines bestimmten Signalwegs erreichen, wie eine Studie der Universität Basel belegt. Die Ergebnisse sind so überzeugend, dass sie von Bench to Bedside schon in klinische Studien einfliessen.

Bei den myeloproliferativen Neoplasien, einer Form von chronischer Leukämie, produziert der Körper ständig zu viele Blutzellen wie Erythrozyten, Thrombozyten und Granulozyten. Dies führt zu Symptomen wie Erschöpfung, Gliederschmerzen und vergrösserter Milz, aber auch zu Thrombosen. Die Krankheit trifft etwa einen von hunderttausend Erwachsenen pro Jahr und endet im schlimmsten Fall in einer akuten Leukämie mit einer geringen Lebenserwartung.

Der Auslöser für die Krankheit sind Mutationen, die dafür sorgen, dass das Enzym JAK2-Kinase dauerhaft aktiv ist anstatt nur bei Bedarf. Dadurch erhält das Knochenmark ununterbrochen ein Signal zur Bildung von neuen Blutzellen. Seit etwa zehn Jahren gibt es daher Inhibitoren, die darauf abzielen, die Aktivität von JAK2 zu hemmen.

Monotherapie hat Schwächen

«Allerdings hat sich die Erwartung an diese JAK2-Inhibitoren nicht ganz erfüllt», sagt Prof. Dr. Sara Christina Meyer, Leiterin des Forschungsteams «Myeloid Malignancies» am Departement Biomedizin der Universität Basel und Leitende Ärztin Hämatologie am Universitätsspital Basel. Zwar verringern sich die Symptome, doch der Anteil an Leukämiezellen im Blut bleibt hoch und nach einigen Jahren sprechen die Patientinnen und Patienten nicht mehr auf die Behandlung an. «Wir gehen deshalb der Frage nach, warum diese zielgerichtete Therapie nicht effektiver ist.»

Die Spur führte ihr Forschungsteam zum sogenannten MAPK-Signalweg, der bei der Entstehung von vielen Krebsarten eine Rolle spielt und bei den myeloproliferativen Neoplasien unter der Kontrolle der JAK2-Kinase steht. «Wir haben in früheren Arbeiten herausgefunden, dass dieser Signalweg trotz Hemmung von JAK2 aktiv bleibt und weiterhin die Blutbildung ankurbelt», so Sara Meyer.

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Um das Problem an der Wurzel zu packen, schalteten die Forschenden deshalb nun zusätzlich zu JAK2 auch ERK1/2 − eine wichtige Komponente des MAPK-Signalwegs – aus und untersuchten, ob diese Kombination besser bei der Bekämpfung der Leukämie funktioniert. Hierfür setzten sie drei verschiedene Testsysteme ein: etablierte Tumorzellkulturen, Mausmodelle für myeloische Leukämie sowie Blut- und Knochenmarksproben von Patientinnen und Patienten. Zum Ausschalten von ERK1/2 verwendeten sie Inhibitoren, die vor kurzem verfügbar geworden sind und die ERK1/2 spezifisch blockieren. Einer der Wirkstoffe sowie ein bereits zugelassener JAK2-Inhibitor wurden für die Studie von der Firma Novartis zur Verfügung gestellt. Im Mausmodell schalteten die Forschenden zudem das Gen für ERK1/2 mit Hilfe molekularbiologischer Methoden aus.

Kombination hält Leukämie besser im Schach

In allen drei Testansätzen zeigte sich, dass der JAK2-Inhibitor in Kombination mit einer Blockade von ERK1/2 eine bessere Wirkung erzielte. Als Mass hierfür diente unter anderem eine Reduktion der Blutzell-Produktion und (im Mausmodell) die Verkleinerung der Milz. Besonders ermutigend findet Meyer, dass durch die Doppelbehandlung der Anteil an Leukämiezellen an den gesamten Blutzellen abnimmt, was bei einer Monotherapie mit JAK2-Inhibitoren kaum der Fall ist und den Krankheitsverlauf tatsächlich längerfristig ändern könnte.

Aufgrund dieser vielversprechenden Ergebnisse fand die neuartige Kombinationstherapie rasch Aufnahme in eine internationale, klinische Studie der Phase 1/2 und wird in diesem Rahmen schon jetzt bei einer kleinen Zahl Patientinnen und Patienten eingesetzt. Die ersten Resultate erwartet Meyer in den nächsten Monaten.

Dieser wichtige Weg von ‘Bench to Bedside’ liegt Meyer sehr am Herzen und ist ihrer Ansicht nach exemplarisch für das innovationsoffene Feld der Hämatologie: «Als Ärztin und Forscherin ist mein Fokus ganz klar die Verbesserung von Therapien. Meine Hauptmotivation liegt darin, etwas zu finden, das nicht nur in der Petrischale funktioniert, sondern Menschen mit Leukämien wie den myeloproliferativen Neoplasien helfen kann.»

Originalpublikation

Sime Brkic, Simona Stivala et al.:
Dual targeting of JAK2 and ERK interferes with the myeloproliferative neoplasm clone and enhances therapeutic efficacy
Leukemia (2021), doi: 10.1038/s41375-021-01391-2