Rituximab bei sekundär progressiver MS?

Original Titel:
Association of Rituximab Treatment With Disability Progression Among Patients With Secondary Progressive Multiple Sclerosis.

MedWissKann Rituximab bei sekundär progressiver MS helfen? Dieser Frage sind Forscher aus der Schweiz und den Niederlanden nachgegangen. Sie fanden Hinweise auf eine Verlangsamung der Behinderung.


Bisher gibt es nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten für sekundär progressive Verläufe der Multiplen Sklerose (SPMS). Forschungsergebnisse deuten aber darauf hin, dass B-Zellen, eine bestimmte Sorte von Immunzellen, bei dieser Verlaufsform eine wichtige Rolle spielen. Dafür spricht auch, dass mit dem Antikörper Ocrelizumab, der sich gegen B-Zellen richtet, eine Verlangsamung der Behinderung im Vergleich zu einem Placebo erzielt werden konnte.

Rituximab senkt die Menge an B-Zellen im Blut

Der erst vor Kurzem für die Behandlung von MS zugelassene Wirkstoff Ocrelizumab ist eine Weiterentwicklung des Antikörpers Rituximab, der bereits seit 1998 als Krebsmedikament zum Einsatz kommt. Inzwischen wird Rituximab auch für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis eingesetzt – für die Behandlung von MS ist er jedoch nicht zugelassen. Trotzdem findet Rituximab bereits länger auch bei der Behandlung von MS Anwendung. Hier sprechen Experten von einem sogenannten Off-Label-Einsatz, also außerhalb des Zulassungsbereichs des Medikaments. Solch einem Einsatz muss die Krankenkasse zustimmen, bevor sie Kosten übernimmt und es gilt eine besondere Rechtslage.

Rückblickender Vergleich zwischen Patienten, die unterschiedliche Therapien erhielten

Forscher aus der Schweiz und den Niederlanden berichtet kürzlich über die Ergebnisse einer Auswertung zu dem Erfolg einer Behandlung von Patienten mit sekundär progressiver MS (SPMS) mit Rituximab. Sie werteten dazu der Daten von Patienten mit SPMS aus, die in Basel, Lugano und Amsterdam in MS-Zentren zwischen 2004 und 2017 mit Rituximab behandelt wurden. Diese verglichen sie mit den Daten von Patienten mit SPMS aus den Zentren im gleichen Zeitraum, die niemals Rituximab erhielten.

Wissenschaftler wählten Daten von Menschen mit ähnlichen Eckpunkten

Den Wissenschaftlern lagen von 57 Menschen mit SPMS Daten vor, die mit Rituximab behandelt wurden sowie von über 500 Menschen mit SPMS, die niemals Rituximab erhalten hatten. In ihre Auswertung zogen sie 54 der Patienten mit Rituximab und 59 Kontrollen ein, die niemals mit Rituximab behandelt wurden und in Geschlecht, Alter, Behinderungsgrad und Erkrankungsdauer zu den Patienten mit Rituximab-Behandlung passten. Die Teilnehmer wurden bis zu 10 Jahre begleitet, im Mittel begleiteten die Wissenschaftler die Patienten dreieinhalb Jahre unter Rituximab und mehr als 5 Jahre ohne Rituximab-Behandlung.

Behinderung schritt unter Rituximab langsamer voran

Die Wissenschaftler untersuchten anhand der Daten der mit Rituximab behandelten Patienten und den ihnen zugeordneten Kontrollpersonen, welchen Einfluss Rituximab auf das Fortschreiten der Behinderung der Teilnehmer hatte (EDS-Wert) und wie lange es dauerte, bis es eine bestätigte Behinderungsprogression festgestellt wurde. Dabei zeigte sich, dass Patienten, die mit Rituximab behandelt wurden, einen nachweislich geringen Behinderungsgrad während der mittleren Nachbeobachtungszeit von 3,5 Jahren hatten. Auch die Zeit bis zu einem bestätigten Behinderungsfortschritt war nachweislich verzögert unter Rituximab.

Weiter Untersuchungen mit anderem Ansatz nötig, um Ergebnisse zu bestätigen

Die Wissenschaftler fassen daher zusammen, dass in ihrer Untersuchung die Patienten mit sekundär progressiver MS, die mit Rituximab behandelt wurden, einen nachweislich geringeren EDS-Wert (Behinderungsgrad) für bis zu 10 Jahre, in denen sie betreut wurden, hatten. Auch die Zeit, bis es einen bestätigten Behinderungsfortschritt gab, war länger im Vergleich zu den passenden Kontrollpersonen, die nicht mit Rituximab behandelt worden waren. Dies weise darauf hin, so die Forscher, dass eine Reduzierung der B-Zellen im Blut durch Rituximab für Menschen mit sekundär progressiver MS einen Therapievorteil bedeuten kann. Da ihre Studie Daten zur Behandlung der Patienten jedoch nur rückblickend ausgewertet hat, ist die Beweiskraft nicht so groß wie es bei einer prospektiven, also in die Zukunft blickenden, Studie der Fall wäre. Solche Studien seien daher notwendig, um die Wirksamkeit von Rituximab bei Patienten mit SPMS zu bestätigen, so die Wissenschaftler.

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