Große Bakterienpopulationen entwickeln stärkere Antibiotikaresistenz

In großen Bakterienpopulationen helfen spät auftretende Mutationen im Genom effektiver, sich vor dem Antibiotikum zu schützen, kleinere Populationen entwickeln früher Mutationen, die langfristig nicht so gut schützen / Artikel in „Nature Ecology & Evolution“

Wissenschaftler der Universität Wageningen und des Instituts für Biologische Physik der Universität zu Köln haben nachgewiesen, dass kleine und große Bakterienpopulationen im Prozess der Evolution qualitativ unterschiedliche Pfade beschreiten: Größere Populationen entwickeln stärkere und andere Antibiotikaresistenzen als kleinere Populationen.

Forscher untersuchten die Evolution von insgesamt 96 Populationen, die jeweils entweder 2 Millionen oder 200 Millionen Escherichia coli (E. coli) Bakterien enthielten. Die Bakterien wurden einer stetig ansteigenden Konzentration des Antibiotikums Cefotaxim ausgesetzt. Nach 500 Generationen hatten die großen Populationen nicht nur eine deutlich stärkere Resistenz entwickelt als die kleinen, sondern die Genome der beiden Gruppen wiesen auch unterschiedliche Typen von Resistenzmutationen auf: Während in den großen Populationen vorwiegend Punktmutationen auftraten, fanden sich in den kleinen Populationen mehr Duplikationen und Deletionen von Teilen des Genoms. Der Artikel „Population size mediates the contribution of high-rate and large-benefit mutations to parallel evolution“ ist in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution erschienen.

Die Analyse der genomischen Daten mit Methoden des maschinellen Lernens ergab, dass sich die beiden Klassen von Mutationen sowohl in ihrer Effektstärke als auch in der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens unterscheiden: Punktmutationen sind seltener, tragen aber stärker zur Resistenz bei als Deletionen und Duplikationen. Da die Zahl der innerhalb einer Generation auftretenden Mutationen proportional zur Zahl der Bakterien ist, sind kleine Populationen auf die früh auftretenden, relativ schwach wirksamen Resistenzmutationen angewiesen. In den großen Populationen werden diese durch später auftretende, aber effizientere Punktmutationen verdrängt.

„Den Zusammenhang zwischen der Größe einer Population von pathogenen Erregern und dem Auftreten von besser angepassten Mutanten hat uns die aktuelle Pandemie eindrucksvoll vor Augen geführt. Die neue Studie zeigt, dass ähnliche Mechanismen auch bei der Evolution von resistenten Bakterien wirksam sind“, erklärt Ko-Autor der Studie Professor Dr. Joachim Krug vom Institut für Biologische Physik der Uni Köln.

Die Entstehung von Antibiotikaresistenzen bei Bakterien ist ein großes Problem der globalen Gesundheitsversorgung, zugleich aber auch ein Schulbeispiel der Darwin’schen Evolution. Dabei entwickeln sich Bakterienstämme hoher Resistenz oft in mehreren Schritten, in denen jeweils eine Mutation zufällig auftritt und sich aufgrund ihres evolutionären Vorteils in der Population ausbreitet. Man spricht deshalb davon, dass die Population einen Pfad in einer genetischen Landschaft durchläuft. Ein besseres Verständnis dieser Evolutionspfade kann langfristig helfen, Antibiotikaresistenzen besser vorherzusagen.