Abhängigkeit von Tumorstammzellen von der Fettsäureoxidation

Darmkrebsforschung: Veröffentlichung in Metabolites

Darmkrebs gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen – neueste Daten zeigen, dass das Wachstum des Tumors hierbei abhängig von der Verfügbarkeit bestimmter Nährstoffe sein könnte. Durch Analyse von umfangreichen Sequenzierungsdatensätzen konnte ein Team um Dr. Tobias Reiff von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und Dr. Zeus Antonello vom Cooper Hospital in Philadelphia zeigen, dass Tumorstammzellen von der Energiegewinnung aus dem Fettsäureabbau abhängig sind. Gezieltes Entfernen der für den Fettsäureabbau essentiellen Enzyme in einem eigens für diese Studie entwickelten Darmkrebs-Tiermodells führt zu einer starken Reduktion des Darmkrebswachstums. Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Metabolites veröffentlicht.

In einem Darmkrebsmodell, das mithilfe der Genschere CRISPR-Cas9 erzeugt wurde, konnten Düsseldorfer Forscher zeigen, dass das Wachstum patientenähnlicher Tumoren von funktionellem Fettsäureabbau abhängt. (Bild: HHU / Tobias Reiff)

Darmkrebs macht etwa jede achte Krebserkrankung in Deutschland aus. Im Laufe des Lebens erkrankt eine von 18 Frauen und einer von 15 Männern. Darmkrebs wird klinisch in vier Schweregrade untergliedert: In Stufe I und II ist der Tumor auf die Darmwand beschränkt und bei früher Entdeckung und Behandlung potenziell heilbar. Breitet sich der Tumor über Lymphknoten aus (Stufe III) und metastasiert in andere Organe (Stufe IV), sinkt die Fünfjahres-Überlebensrate auf etwa 50 bis 70 Prozent bzw. 10 bis 14 Prozent.

Darmkrebszellen sind hierbei abhängig von der Zufuhr metabolischer Energie, um sowohl ihre Teilung als auch ihr Wachstum aufrechtzuerhalten. Eine neue Methodik zur Identifikation von sogenannten Expressionsmustern einzelner Zellen ermöglichte es den Forschern jetzt genauer zu betrachten, welche Zellen im Darm bestimmte metabolische Enzyme aktiviert haben, was wiederum Rückschlüsse auf deren Energiegewinnung aus Nährstoffen wie Kohlehydraten, Proteinen oder auch Fettsäuren erlaubt.

Weiterhin wurde die Hypothese untersucht, dass diese Zellen dann ebenfalls abhängig vom Erhalt dieser Nährstoffe sein könnten, was zukünftige attraktive Ziele für neue Therapien hervorbringen könnte. Besonderes Augenmerk lag hierbei auf dem Stoffwechsel der Tumorstammzellen, für die bisher keine spezifischen Therapeutika existieren und die häufig nach einer Behandlung wieder malignes Wachstum zeigen.

Durch Zuordnen von Millionen von Daten mit intelligenten Algorithmen zeigten die Forschenden, dass Stammzellen des Darms vermehrt Enzyme des Fettsäureabbaus herstellen. Die Relevanz dieser Entdeckung sollte im Folgenden durch Experimente im lebenden Organismus untersucht werden.

Gefördert von der Wilhelm Sander-Stiftung setzt das Team um Dr. Tobias Reiff am Institut für Genetik der HHU hierzu seit fast einem Jahrzehnt erfolgreich das Darmgewebe der Fruchtfliege Drosophila melanogaster ein. Das sogenannte Darmepithel der Fliege weist hohe strukturelle und funktionelle Ähnlichkeit zum menschlichen Darm auf. Sowohl das menschliche als auch das Darmepithel der Fliege wird lebenslang von Stammzellen erneuert, deren Teilung von denselben Signalwegen kontrolliert wird, die beim menschlichen Darmkrebs ebenfalls relevant sind. Wie bereits in einer vorangegangen, ebenfalls von der Wilhelm Sander-Stiftung unterstützten Arbeit gezeigt wurde, sind Faktoren sogar direkt austauschbar. Dies heißt, dass menschliche Proteine in der Fliege weiterhin ihre Funktion erfüllen können. Sie können so ebenfalls detailliert in diesem genetisch einfach zugänglichen Organismus untersucht und Therapieansätze gefunden werden.

Doktorandin Lisa Zipper konnte nun belegen, dass präzises genetisches Entfernen der für den Fettsäureabbau wichtigen Enzyme in Stammzellen den programmierten Zelltod einleitet. Die Wichtigkeit dieser Erkenntnis wird dadurch unterstrichen, dass Stammzellen des Darms dafür bekannt sind, sowohl Strahlen- als auch chemisch induziertem Zelltod zu widerstehen und daher häufig nach der Behandlung ein Rezidiv bilden.

Im Folgenden sollte nun die Funktion des Fettsäureabbaus in Tumorstammzellen auf das Wachstum von Darmkrebs untersucht werden, wozu mittels der Genschere CRISPR-Cas9 ein Fliegenmodell entwickelt wurde. Dazu Lisa Zipper: „Diese Fruchtfliegen-‚Avatare‘ bilden hierbei exakt Mutationen von Darmkrebspatienten ab und können bei Bedarf schnell an andere Mutationsspektren angepasst werden. In Avataren mit Mutationen, welche häufig im sporadischen Darmkrebs auftreten, konnten wir durch präzises genetisches Entfernen der für den Fettsäureabbau wichtigen Enzyme eine drastische Reduktion des Darmkrebswachstums erreichen.“

Dr. Reiff zu den weiteren Perspektiven der Forschungsarbeit: „Das hier gewonnene Wissen über diese Abhängigkeit von Darmtumorstammzellen vom Fettsäureabbau zeigt vielversprechende Kandidaten für neue, gezielte Therapieansätze zur spezifischen Behandlung dieses häufigen Tumors auf.“

Weitere Informationen: Webseite von Dr. Tobias Reiff

Wilhelm-Sander-Stiftung

Die Wilhelm Sander-Stiftung unterstützt dieses Forschungsprojekt mit insgesamt rund 120.000 Euro über eine Förderdauer von zwei Jahren. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt rund 245 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Weitere Informationen: Webseite der Wilhelm Sander-Stiftung

Originalpublikation

Zipper L, Batchu S, Kaya NH, Antonello ZA, Reiff T The MicroRNA miR-277 Controls Physiology and Pathology of the Adult Drosophila Midgut by Regulating the Expression of Fatty Acid β-Oxidation-Related Genes in Intestinal Stem Cells, Metabolites 2022, 12(4), 315.
DOI: 10.3390/metabo12040315