Infektionsrisiko bei Multipler Sklerose im normalen Therapiealltag hängt auch vom Medikament ab

Original Titel:
Infection Risks Among Patients With Multiple Sclerosis Treated With Fingolimod, Natalizumab, Rituximab, and Injectable Therapies.

Kurz & fundiert

  • Wie unterscheidet sich das Infektionsrisiko bei Multipler Sklerose (MS) im normalen Therapiealltag?
  • Analyse von Behandlungsdaten im Vergleich zu Kontrollbevölkerung
  • Höheres Infektionsrisiko auch abhängig von der Medikation

 

MedWiss – Schwedische Forscher untersuchten, wie hoch das Infektionsrisiko bei Multipler Sklerose (MS) im normalen Therapiealltag der Patienten ist und verglichen, wie sich dies je nach der Art der Therapie unterscheidet. Patienten mit MS waren demnach generell einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt, allerdings abhängig von der Behandlungsart. Die Infektionsrate war mit den injizierbaren Therapien Interferon-Beta und Glatirameracetat am geringsten. Bei den neueren, hochwirksamen Therapien führte das Off-Label eingesetzte Rituximab zu den meisten ernsten Infektionen.


Verschiedene hochwirksame krankheitsmodifizierende Therapien für die Multiple Sklerose (MS) erhöhen das Risiko für Infektionen im Vergleich zu injizierbaren Therapien wie z. B. Interferon-Beta oder Glatirameracetat. Wie hoch das Risiko für Infekte aber tatsächlich im Vergleich ist, ist bislang nicht sehr gut außerhalb von klinischen Studien, also im normalen Therapiealltag, untersucht. Noch weniger ist klar, wie hoch das Infektionsrisiko bei der Off-Label-Behandlung mit Rituximab ist, die in manchen Ländern wie Schweden inzwischen recht häufig eingesetzt wird.

Infektionsrisiko bei Multipler Sklerose (MS) im normalen Therapiealltag je nach Medikament

Schwedische Forscher führen dazu eine landesweite Analyse durch, in der sie Patienten mit rückfällig-remittierender MS (RRMS) mit anderen Menschen in ähnlichem Alter und vom gleichen Geschlecht verglichen. Daten aus der Gesundheitsdatenbank zwischen Januar 2011 und Dezember 2017 wurden analysiert. Alle RRMS-Patienten mit beginnender Behandlung mit Rituximab, Natalizumab, Fingolimod oder alternativ mit Interferon-Beta oder Glatirameracetat wurden in die Analyse aufgenommen. Als ernste Infektionen wurden alle die Infektionen gewertet, die zu einem Krankenhausaufenthalt führten. Außerdem zählten die Wissenschaftler ambulante Behandlungen mit Antibiotika oder antiviralen Mitteln gegen Herpesviren.

Analyse von Behandlungsdaten im Vergleich zu Kontrollbevölkerung

Insgesamt konnten die Daten von 6421 Patienten analysiert werden. Davon wurden 3260 mit Rituximab, 1588 mit Natalizumab, 1535 mit Fingolimod und 2217 mit Interferon-Beta oder Glatirameracetat behandelt. Zum Vergleich standen 42 645 Menschen ohne solche Behandlungen. 6186 der Patienten waren Frauen.

Im Vergleich zur Kontrollbevölkerung gab es bei den MS-Patienten mit Interferon-Beta und Glatirameracetat häufiger Infektionen (8,9 versus 5,2 Infektionen pro 1000 Personenjahre). Noch häufiger trat dieses Problem aber bei Patienten auf, die mit Fingolimod (14,3 Infektionen pro 1000 Personenjahre), Natalizumab (11,4 Infektionen) oder Rituximab (19,7 Infektionen) behandelt wurden. Nach Berücksichtung verschiedener möglicher Erklärungen für diese Infektionsrate blieb das Infektionsrisiko bei Behandlung mit Rituximab weiterhin messbar erhöht (hazard ratio 1,70). Im Vergleich zu Interferon-Beta oder Glatirameracetat lag dagegen kein größeres Infektionsrisiko mit Fingolimod oder Natalizumab vor.

Beim Blick auf die antivirale Behandlung speziell gegen Herpesviren schien die Behandlung mit Rituximab allerdings keinen Nachteil im Vergleich zu Interferon-Beta und Glatirameracetat zu bringen. Hier war das Risiko stattdessen unter Natalizumab (hazard ratio 1,82) und Fingolimod (hazard ratio 1,71) erhöht.

Höheres Infektionsrisiko auch abhängig von der Medikation

Patienten mit MS sind demnach generell einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt, das sich aber je nach Behandlungsart unterscheidet. Die Infektionsrate war mit den injizierbaren Therapien Interferon-Beta und Glatirameracetat am geringsten. Bei den neueren, hochwirksamen Therapien führte das Off-Label eingesetzte Rituximab zu den meisten ernsten Infektionen. Diese unterschiedlichen Risikoprofile sollten bei der Therapiewahl und der Einschätzung der Vorteile und Nachteile einer Medikation berücksichtigt werden.

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