Mehr ärztliche Beratung zum Alkoholkonsum nötig

Institut für Allgemeinmedizin: Publikation in BMJ Open

In Hausarztpraxen wird nicht ausreichend über die gesundheitlichen Risiken des Alkoholkonsums gesprochen. Betroffene Patientinnen und Patienten erhalten zu selten eine Beratung und Unterstützung dabei, ihren Alkoholkonsum zu reduzieren oder zu beenden. Dies zeigt eine aktuelle wissenschaftliche Befragung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU), an der über 2.000 Menschen mit riskantem oder schädlichem Trinkverhalten aus ganz Deutschland teilgenommen haben. Die Studie wurde aktuell in der Fachzeitschrift BMJ Open veröffentlicht.

Im Rahmen einer Bevölkerungsbefragung wurden zwischen Februar 2021 und Februar 2022 Studienteilnehmende persönlich zu ihrem Alkoholkonsum befragt. Zunächst wurden Befragte mit riskantem oder schädlichem Trinkverhalten identifiziert, dabei war die Menge und Regelmäßigkeit des Alkoholkonsums ausschlaggebend. Die Forschenden interessierten sich dafür, ob diese Befragten bei einem Hausarztbesuch schon einmal eine kurze Beratung dazu erhalten hatten, ob und wie sie ihren Alkoholkonsum reduzieren sollten und können, und ob sie dafür Unterstützung erhielten.

Von den Befragten mit riskantem oder schädlichem Trinkverhalten berichteten zwölf Prozent schon einmal bei einem Hausarztbesuch direkt nach ihrem Alkoholkonsum gefragt worden zu sein. Fünf Prozent erhielten den Rat, ihren Konsum zu reduzieren, und eineinhalb Prozent erhielten ein konkretes Unterstützungsangebot. Die Mehrheit – über 80 Prozent – gab an, nie mit ihrem Hausarzt oder ihrer Hausärztin über das eigene Trinkverhalten gesprochen zu haben. Lediglich von den Menschen mit sehr hohem Alkoholkonsum erhielt etwa die Hälfte eine Beratung.

„Eine ärztliche Kurzberatung kann nachweislich dazu führen, dass Menschen ihren Alkoholkonsum reduzieren. Deshalb wird diese Beratung in Behandlungsleitlinien empfohlen. Leider erhalten Ärztinnen und Ärzte im Studium immer noch keine strukturierte Ausbildung darin, ihre Patientinnen und Patienten kurz und effektiv zum Gesundheitsverhalten zu beraten. Ebenfalls fehlt eine entsprechende Vergütung für diese Beratungstätigkeit“, sagt Privatdozentin Dr. Sabrina Kastaun vom Institut für Allgemeinmedizin des Centre for Health and Society der HHU.

In der Studie stellte sich zudem heraus, dass bestimmte Personen mit riskantem Trinkverhalten seltener eine hausärztliche Beratung erhalten als andere. Insbesondere Frauen und Personen mit höheren Bildungsabschlüssen oder höherem Haushaltseinkommen wurden wesentlich seltener angesprochen und beraten.

Dr. Kastaun: „Hier gibt es offenbar einen ‚Blinden Fleck‘. Ärztinnen und Ärzte gehen möglicherweise davon aus, dass diese Personen seltener trinken. Dem ist jedoch nicht so, wie aktuelle Studien zum Alkoholkonsum in Deutschland zeigen.“

In Deutschland konsumiert etwa ein Fünftel (20 Prozent) der Bevölkerung Alkohol in einem mindestens riskanten Maß. Der tägliche Konsum auch kleinerer Mengen, wie einem halben Liter Bier oder einem viertel Liter Wein, erhöht bereits deutlich das Risiko für gesundheitliche Schäden, wie Krebserkrankungen, Bluthochdruck oder Schädigungen des Gehirns. Menschen mit einem Alkoholproblem schämen sich oftmals dafür, was die Kommunikation zum Thema erschweren kann. Doch die Hausarztpraxis ist für solche Gespräche eine sehr gute Anlaufstelle – vor allem, wenn die Beziehung zum Arzt oder zur Ärztin vertrauensvoll ist.

Menschen, die Probleme mit Alkohol haben, finden hier Informationen zu Hilfestellen: https://www.gesundheitsinformation.de/wo-bekomme-ich-rat-und-hilfe.html

Originalpublikation

Kastaun S, Garnett C, Wilm S, Kotz D. Prevalence and characteristics of hazardous and harmful drinkers receiving general practitioners’ brief advice on and support with alcohol consumption in Germany: results of a population survey. BMJ Open 2022;12:e064268. doi: 10.1136/bmjopen-2022-064268, https://bmjopen.bmj.com/content/12/9/e064268.info