Seltenes Melanom als mögliche Komplikation der Behandlung mit Natalizumab

Original Titel:
Melanoma complicating treatment with natalizumab for multiple sclerosis: A report from the Southern Network on Adverse Reactions (SONAR)

MedWiss – Nach dem Auftreten einer sehr seltenen Krebserkrankung unter der Behandlung mit Natalizumab haben Forscher Berichte zu solchen Fällen aus den USA ausgewertet. Sie mahnen zur Wachsamkeit und fordern, weitere Punkte ins Sicherheitsüberwachungsprogramm aufzunehmen.


US-amerikanische Forscher berichten von einer 43-jährigen Frau mit MS, die mit Natalizumab behandelt wurde, und ein Melanom der Harnröhre entwickelte. Unter einem Melanom versteht man eine Krebserkrankung, die aus Zellen der Haut hervorgeht. Krebserkrankungen der Harnröhre kommen meist im höheren Alter vor und sind selten, ein Melanom der Harnröhre ist sehr selten. Die Forscher stellten fest, dass der einzige Risikofaktor bei ihrer Patientin die Behandlung mit Natalizumab war. Natalizumab ist ein monoklonaler Antikörper, der die weißen Blutzellen daran hindert, zu Entzündungen zu gelangen. So sollen die Nervenzellen vor Angriffen durch das Immunsystem geschützt werden. Wird das Immunsystem in seiner Funktion eingeschränkt, können die Immunzellen jedoch auch schlechter Erreger oder veränderte Zellen, aus denen Krebs entstehen kann, unschädlich machen.

Wie häufig trat Hautkrebs während einer Behandlung mit Natalizumab auf?

Um die Beziehung zwischen Risiko und Anwendung von Natalizumab zu untersuchen, überprüften die Wissenschaftler alle anderen veröffentlichten Fälle von Natalizumab-assoziiertem Melanom, die den US-amerikanischen Aufsichtsbehörden gemeldet wurden. In den Vereinigten Staaten unterhält der Hersteller ein von der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA) vorgeschriebenes Sicherheitsüberwachungsprogramm für mit Natalizumab behandelte Patienten (TOUCH-Programm). Auch die Daten auch diesem Programm bezogen die Wissenschaftler mit ein. In der Europäischen Union wird der Wirkstoff Natalizumab ebenfalls engmaschig durch die Europäische Arzneimittelbehörde überwacht.

Wissenschaftler fanden 7 Fallberichte mit gesicherter Diagnose, 5 Patienten hatten eine Vorgeschichte

In der FDA-Datenbank waren 137 Natalizumab-assoziierte Melanom-Berichte bei Patienten mit Multipler Sklerose erfasst. Das mittlere Alter bei der Melanom-Diagnose betrug 45 Jahre (Bereich: 21–74 Jahre). Veränderungen in bereits existierenden Muttermalen traten bei 16 % der gemeldeten Fälle auf, in 22 % der Fälle gab es eine Vorgeschichte mit neuen Muttermalen. Bei 34 % der Fälle wurde die Melanom-Diagnose innerhalb von zwei Jahren nach Beginn der Behandlung mit Natalizumab gestellt, bei 74 % der Fälle gab es bereits eine vorherige chirurgische Behandlung (z. B. die Entfernung eines veränderten Muttermals). Die Wissenschaftler fanden sieben Fallberichte in der Literatur, in denen mit Natalizumab behandelte MS-Patienten ein durch eine Biopsie bestätigtes Melanom während der Behandlung entwickelten. Bei diesen Patienten lag das mittlere Alter bei 41 Jahren (Bereich: 38–48 Jahre), die Melanom-Diagnose wurde im Schnitt nach 12 Natalizumab-Dosen gestellt (Bereich: 1–77 Dosen). Bei vier der Patienten gab es eine Vorgeschichte von Leberflecken oder Muttermalen, ein Patient hatte bereits eine Vorgeschichte mit vorhergehenden Melanomen.

Wissenschaftler raten auf Veränderungen zu achten

Die Forscher schlussfolgern aus ihrer Untersuchung, dass bestehende Muttermale überwacht werden sollten und Ärzte argwöhnisch bleiben sollten, dass sich bei Natalizumab-behandelten Patienten ein Melanom entwickeln könnte. Sie empfehlen, dass das TOUCH-Sicherheitsüberwachungsprogramm, dass sich derzeit auf die progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML) konzentriert, um Informationen über andere schwerwiegende Komplikationen einschließlich anderer Erkrankungen erweitert wird, insbesondere wenn sie immunologischer Natur sind.

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