Depressiv und vergesslich in fortgeschrittenem Alter: Altersdepression oder Alzheimerdemenz?

Original Titel:
When cognitive decline and depression coexist in the elderly: CSF biomarkers analysis can differentiate Alzheimer’s disease from late-life depression

Kurz & fundiert

  • Depressiv und vergesslich: Altersdepression oder Alzheimerdemenz?
  • Vergleich von Patienten mit denselben Symptomen: was sagen Bildgebung und Biomarker?
  • Altersdepression und Alzheimerdemenz lassen sich mit Rückenmarksflüssigkeit klar unterscheiden
  • Längerfristiger Vergleich bestätigt die Biomarker-Diagnose
  • Frühzeitig richtige Diagnose zur Verbesserung der Behandlung

 

MedWiss – Depressive Symptome und verminderte Denkleistung gemeinsam können sowohl Alzheimererkrankung als auch Altersdepression bedeuten. Forscher ermittelten nun, ob sie beide Erkrankungen unterscheiden könnten. Tatsächlich unterschieden sich Menschen mit Altersdepression anhand von Substanzen in der Rückenmarks-Gehirn-Flüssigkeit deutlich von Menschen mit Alzheimerdemenz.


Bei Menschen fortgeschrittenen Alters treten sowohl Altersdepression als auch die Alzheimerkrankheit häufiger auf als bei jüngeren Menschen. Beide dieser neuropsychiatrischen Erkrankungen bringen sowohl depressive Symptome als auch eine verminderte Denkleistung mit sich. Daher ist bei gemeinsamem Auftreten dieser Symptome oft nicht ganz klar, welche der beiden Erkrankungen den Patienten belasten. Ziel einer neuen Untersuchung war es nun, zu ermitteln, ob spezielle Tests zur Diagnose der Alzheimerdemenz helfen könnten, Altersdepression von Alzheimerdemenz zu unterscheiden. Dabei wurden zwei Tests untersucht. In einem dieser Tests werden spezielle Substanzen in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (nach dem englischen Begriff cerebrospinal fluid abgekürzt CSF), Biomarker für die Alzheimerdemenz Tau-Proteine und Beta-Amyloid (Aβ42), bestimmt. Besonders niedrige Mengen des Beta-Amyloid in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (typischerweise gemeinsam mit auffällig hohen Mengen davon im Gehirn) gelten als deutliche frühe Anzeichen für die Alzheimererkrankung. In dem anderen Test wird mit einem besonderen bildgebenden Verfahren (18FFDG-PET) die Aktivität des Gehirns bestimmt: Manche Gehirnteile arbeiten nämlich im Verlauf der Alzheimererkrankung messbar weniger.

Depressiv und vergesslich: Altersdepression oder Alzheimerdemenz?

Die Forscher untersuchten 256 Patienten, die sowohl unter depressiven Symptomen als auch unter Einschränkungen der Denkleistung litten. Mithilfe der zwei Tests (Biomarker in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit und Bildgebung mit PET) wurden die Patienten aufgrund der Diagnose-Kriterien in zwei Gruppen aufgeteilt: 201 Patienten wurden mit der Alzheimerdemenz diagnostiziert, bei den übrigen 55 Patienten sprachen die zwei Tests eher für eine ausschließliche Altersdepression. Die Patienten wurden anschließend für weitere zwei Jahre beobachtet, um zu ermitteln, ob die frühe Diagnose zutraf. Die Forscher verglichen auch die Testergebnisse der Patienten mit Daten einer vergleichbaren Gruppe von Menschen (mit selbem Alter und Geschlecht) ohne Symptome von Depression oder Demenz.

Vergleich von Patienten mit denselben Symptomen: was sagen Bildgebung und Biomarker?

Im Vergleich der Patienten mit Altersdepression und Alzheimerkrankheit zeigten sich messbare Unterschiede. In der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit war deutlich mehr Beta-Amyloid bei den Patienten mit Diagnose Altersdepression zu finden als bei den Patienten mit Demenzdiagnose. Interessanterweise gab es dabei auch keine Grauzone: die Beta-Amyloid-Mengen bei den Alzheimerpatienten (zwischen 82 und 528 pg/ml) waren in jedem einzelnen Fall niedriger als die niedrigsten Werte der Patienten mit Altersdepression (zwischen 550 und 1204 pg/ml). Zudem unterschieden sich die Patienten mit Altersdepression bei Analyse der Biomarker in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit nicht von Menschen derselben Altersgruppe ohne Demenz- oder Depressionssymptome.

Altersdepression und Alzheimerdemenz lassen sich mit Rückenmarksflüssigkeit klar unterscheiden

Bei den Demenzpatienten sahen die Forscher auch deutlich niedrigere Aktivität mit der PET-Bildgebung in bestimmten Gehirnteilen, die häufig von der Alzheimererkrankung sichtbar betroffen sind. Besonders in den Schläfen-Regionen (temporo-parietal) unterschieden sich die Menschen mit der Alzheimerdiagnose deutlich von Patienten mit der Diagnose Altersdepression und von Kontrollpersonen ohne eine der beiden Diagnosen. Menschen mit Altersdepression waren in dieser Messung nicht klar von den Kontrollen zu unterscheiden.

Längerfristiger Vergleich bestätigt die Biomarker-Diagnose

Besonders auffällig war der längerfristige Vergleich der Symptome: zum Ende der zweijährigen Beobachtungsphase war bei den Patienten mit Alzheimerdemenz der leider zu erwartende Abbau der Denkleistung messbar. Patienten mit Altersdepression dagegen verbesserten sich in ihrer Denkleistung mit der Verbesserung der depressiven Symptome.

Frühzeitig richtige Diagnose zur Verbesserung der Behandlung

Wenn also Einbußen in der Denkleistung und depressive Symptome gemeinsam vorliegen, kann in fortgeschrittenem Alter sowohl die Alzheimererkrankung als auch eine Altersdepression vorliegen. Welche der beiden Erkrankungen im individuellen Fall die Ursache der Symptome ist, muss für eine richtige Behandlung genau abgeklärt werden. Dies kann, wie die aktuelle Untersuchung fand, mithilfe der Biomarker in der Rückenmarks-Gehirn-Flüssigkeit gemessen werden.

© Alle Rechte: HealthCom