Pollenallergie: Klimawandel, Bauernhof-Effekt und Behandlungsmöglichkeiten

Im Vergleich zu früheren Jahren hat sich die Pollensaison verlängert. Inzwischen überschneidet sich das Ende einer Saison fast mit dem Beginn der nächsten. Grund dafür ist die Klimaerwärmung und der dadurch verursachte frühere Blühbeginn sowie längere Pollenflugzeiten. Was der Klimawandel für Pollenallergiker*innen bedeutet, ob es „pollenfreie“ Monate noch gibt, warum Stadtkinder öfter eine Pollenallergie haben und wie man diese behandeln kann, erklärt Experte Dr. Mathias Sulk, Leiter der Allergologie am UKM (Universitätsklinikum Münster).

Herr Dr. Sulk, gibt es wirklich immer mehr Menschen, die an einer Pollenallergie leiden?

Das ist wirklich so, dass über die letzten Jahrzehnte immer mehr Menschen von einer Pollenallergie betroffen sind. Insgesamt leiden etwa 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung an einer Allergie und etwa 10 Prozent der Menschen sind Pollenallergiker. Und diese Zahl nimmt zu.

Hat das etwas mit dem Klimawandel zu tun?
Ja, der Klimawandel und die zunehmende Luftverschmutzung verschärfen das Problem der Pollenallergiker. Die Schleimhautbarriere wird durch die Schadstoffe beschädigt, woraufhin die Allergien häufiger auftreten können. Und die steigenden Temperaturen führen dazu, dass wir längere Pollenflugzeiten haben, die Anzahl der Pollen nimmt zu und die Pollen selbst werden aggressiver.

Bedeutet das, dass immer mehr Pollenallergiker fast das ganze Jahr von Symptomen geplagt sind?
Wegen milderer Temperaturen beginnt die Pollensaison immer früher. Bestimmte Pollen wie Hasel, Erle und Birke gehören zu den Frühblühern und deren Pollen befinden sich bereits ab Januar in der Luft. Etwa ab Mai schließen sich die Gräserpollen an, die bis in den September aktiv bleiben können. Im Spätsommer kommen dann noch die Kräuterpollen dazu, sodass die Patienten, die von mehreren Allergien betroffen sind, nur noch den Monat November „pollenfrei“ erleben.

Welche Folgen kann eine langjährige Pollenallergie haben?
Die Pollenallergiker haben ein erhöhtes Risiko für den sogenannten Etagenwechsel. Das heißt, dass die Patienten vermehrt Asthma entwickeln, aber auch zusätzlich in der Pollensaison für virale Infektionen anfälliger werden können.

Land oder Stadt: Wo ist die Pollenallergie am stärksten?
Es gibt Studien, laut denen das Risiko, eine Pollenallergie zu entwickeln, in der Stadt höher als auf dem Land ist. Dafür sorgt der sogenannte Bauernhof-Effekt, der vor Allergien schützt. Kinder, die zum Beispiel auf einem Bauernhof groß werden und häufiger Kontakt zu Allergenen haben, bekommen seltener Allergien und Asthma als Stadtkinder.

Was kann den Betroffenen helfen?
Betroffene sollten das Allergen vor allem meiden. Das heißt, sich während des Pollenflugs in Innenräumen aufhalten. Es gibt zum Beispiel Pollenschutzgitter, die man an Fenster und Balkontüren installieren kann, um eine hohe Pollenkonzentration zu verhindern. Für Spaziergänge eignet sich gut die Zeit nach Regen – dann ist die Pollenbelastung gering. Grundsätzlich können aber Antihistaminika und Kortison-Präparate die Symptome mildern und Abhilfe verschaffen. Um die tatsächliche Ursache einer Allergie zu bekämpfen, gibt es die Möglichkeit, eine spezifische Immuntherapie (auch Hyposensibilisierung genannt) durchzuführen. Durch diese Behandlung gewöhnt sich der Körper an das Allergen, sodass es während der Pollensaison nicht mehr zu starken allergischen Reaktionen kommt.