Schlüssel für einen preiswerten und besser zugänglichen Hib-Impfstoff gefunden

Das Bakterium Haemophilus influenzae Typ b (Hib) kann bei Kleinkindern schwere Hirnhautentzündung verursachen. Unsere Forschenden haben jetzt einen Weg, um den Hib-Impfstoff preiswert und einfacher herzustellen.

Das Bakterium Haemophilus influenzae Typ b (Hib) besiedelt den menschlichen Nasenrachenraum. Es verursacht Infektionen der oberen und unteren Atemwege, insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern. Aber auch schwerwiegendere Erkrankungen wie Mittelohrentzündung, Hirnhautentzündung (Meningitis) oder Blutvergiftung (Sepsis) können von Hib ausgelöst werden. Das Bakterium umgibt sich mit einer Hülle bestehend aus vielen Zuckerketten, die auch als Kapselpolymere bezeichnet werden. Mit den Kapselpolymeren schützt sich das Bakterium gegen das Immunsystem des Wirtes und kann so im menschlichen Körper überleben. Gegen Hib stehen zwar Impfstoffe zur Verfügung, welche die Zuckerpolymere der Kapsel enthalten und das Immunsystem auf diese Antigene trainieren. Ihre Produktion ist jedoch aufwändig und teuer. Denn die Antigene müssen direkt aus infektiösen Bakterienkulturen gewonnen werden, was ein Labor mit ausreichender Sicherheitsstufe erfordert. Dem Team um Dr. Timm Fiebig vom Institut für Klinische Biochemie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ist es nun gelungen, den Entstehungsweg des Kapselpolymers erstmals vollständig zu entschlüsseln und so eine Möglichkeit zu schaffen, das Impfstoff-Antigen durch enzymatische Synthese ganz ohne die Verwendung der Krankheitserreger preiswert und sicher herzustellen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Chemical Biology veröffentlicht worden.

Einfache Synthese könnte Impfstoff weltweit besser zugänglich machen

„Die Aufklärung des Biosyntheseweges ermöglicht die wesentlich elegantere Herstellung von Hib-Impfstoffantigenen aus weithin verfügbaren und kostengünstigen Vorstufen in einem Standardlabor, ohne dafür gefährliche Bakterien in Bioreaktoren züchten zu müssen“, sagt Dr. Fiebig, Leiter der Arbeitsgruppe „Mikrobielle Glykobiochemie und Impfstoffentwicklung“. Trotz der hohen Effektivität des bereits in den neunziger Jahren in Deutschland eingeführten Hib-Impfstoffs, stellt das Bakterium in ungeimpften Gesellschaften nach wie vor die Hauptursache bakterieller Hirnhautentzündung bei Kindern unter einem Lebensjahr dar. Dank der Einfachheit des neu entdeckten Synthesewegs könnte die Verteilung des Impfstoffs weltweit verbessert werden.

Möglicher Ansatz für neue Impfstoffe und Medikamente gegen Bakterien

Doch das Wissenschaftsteam hat nicht nur den Herstellungsweg an sich aufgeklärt, sondern auch die Enzyme genau beschrieben, die diesen Prozess steuern. „Wir haben jetzt erstmals umfassend verstanden, wie das Bakterium seine Polymerkapsel baut und welche Enzyme es als Werkzeuge dafür benutzt“, betont Dr. Fiebig. Diese Enzymfabrik kann nun im Reagenzglas unter sicheren Bedingungen nachgebaut werden. Das wichtigste Enzym dabei ist die sogenannte Kapselpolymerase, welche die eigentliche Polysaccharidkapsel und damit das Antigen für den Impfstoff herstellt. Das Enzym besteht aus vier Untereinheiten. Drei davon übertragen chemische Bausteine, die in den Oberflächen-Polymeren vieler weiterer Bakterien vorkommen und zur krankmachenden Wirkung der Erreger beitragen. Es war bisher allerdings nicht bekannt, welche Enzyme diese Bausteine übertragen und wie diese Enzyme dreidimensional aussehen. Das ist jedoch entscheidend für die Entwicklung von antibakteriellen Wirkstoffen und für die Entdeckung neuer Enzyme, die steuern, wie die Bakterien unser Immunsystem austricksen und wie ansteckend sie somit sind.

Auch in anderen Bakterien konnten die Forschenden die gleichen Polymerase-Strukturen identifizieren. Dazu gehören das Darmbakterium Escherichia coli, die gegen die meisten Antibiotika resistenten Acinetobacter-Arten, oder auch die auf verunreinigten Lebensmitteln vorkommenden Listerien. „Unsere Erkenntnisse könnten auch zur Entwicklung von Impfstoffen oder Medikamenten gegen diese und weitere Erreger genutzt werden. Zum Beispiel indem Substanzen entwickelt werden, welche die neu entdeckten Enzyme blockieren und so die Bildung der schützenden Kapsel unterbrechen“, stellt Dr. Fiebig fest. Angesichts der zunehmenden Resistenzen gegen Antibiotika sei das eine vielversprechende Möglichkeit im Kampf gegen Bakterien. Dafür ist jedoch noch weitere Forschungsarbeit erforderlich.