Multiple Sklerose

Studien zu antiviralen Behandlungen könnten Beteiligung von Virusinfektionen an MS beleuchten und weitere Therapieoptionen aufzeigen

Original Titel:
Trials of antivirals in the treatment of multiple sclerosis

Was genau Multiple Sklerose auslöst ist weiterhin unklar. Am Wahrscheinlichsten ist es eine Kombination verschiedener Faktoren. Dazu könnten auch Virusinfektionen gehören mit Viren, die fast jeder von uns in sich trägt. Eine Übersichtsarbeit schwedischer Forscher legt nahe, dass Untersuchungen mit antiviralen Medikamenten hier für neue Erkenntnisse sorgen könnten.


Die genaue Ursache von Multipler Sklerose (MS) ist noch nicht klar. Die gängigste Theorie dazu ist, dass ein Zusammenspiel aus Umweltfaktoren und Lebensstil bei Personen mit bestimmten genetischen Merkmalen dazu führen, dass das Immunsystem des Körpers das zentrale Nervensystem angreift.

Infektionen als einer der auslösenden Faktoren vermutet

Ein Teil dieses Zusammenspiels könnten Infektionen sein. Genauer gesagt, Infektionen mit bestimmten Viren, besonders Infektionen mit Herpesviren und Retroviren. Bestimmte Typen dieser Krankheitserreger können Krankheiten wie Herpes, pfeiffersches Drüsenfieber, Windpocken und Gürtelrose (Herpesviren) oder auch AIDS (Retroviren) auslösen. Häufig laufen Infektionen mit diesen Viren aber auch unbemerkt ab, sodass vermutlich so gut wie jeder von uns Herpesviren oder bestimmte Retroviren, sogenannte humane endogene Retroviren (HERV) in sich trägt. Beide Virustypen benutzen Strategien, um im menschlichen Körper zu überdauern, ohne dass sie Symptome auslösen. Sie verstecken sich geschickt vor unserem Immunsystem, und manche werden wieder aktiv, wenn unser Immunsystem schwächelt. So folgen auf Stress gerne einmal Herpesbläschen.

Hohe Anzahl an Menschen, die mit den Viren in Kontakt kommen im Laufe ihres Lebens, macht Lage undurchsichtig

Das bedeutet aber auch, dass viele Menschen mit diesen Viren infiziert sind, aber niemals an MS erkranken. Diese Tatsache macht die Forschung in diesem Bereich schwierig. Der einzige Weg mehr darüber zu lernen sind vermutlich kontrollierte klinische Studien mit antiviralen Medikamenten. Um zusammenzufassen, was bisher dazu bekannt ist, hat sich ein Forscher aus Schweden die Ergebnisse solcher Studien genauer angeschaut. Dabei wurde deutlich, dass eine Virusinfektion als Mitursache für MS zwar als plausibel gilt, die Anzahl und Größe von Studien zu antiviralen Mitteln bei MS jedoch begrenzt ist. Tatsächlich sei das Interesse an solchen Projekten in den letzten Jahren sogar gesunken, was vermutlich mit der Einführung und dem Erfolg von krankheitsmodifizierenden Therapien zu tun habe.

Ist ein Erreger an MS beteiligt, dem man mit antiviralen Mitteln zu Leibe rücken kann?

Trotzdem gibt es Beweise, die die Hypothese stützen, dass Herpesviren und HERV vielleicht an der Entstehung von MS beteiligt sind. Es sind drei Phase II-Studien mit dem antiviralen Wirkstoff Acyclovir oder dessen Vorstufe Valacyclovir mit MS-Patienten veröffentlicht worden. Der Wirkstoff wird zur Behandlung von Herpesinfektionen eingesetzt. Aus den Daten ließ sich jedoch leider nur eine Tendenz ablesen. Aber die Teilnehmer zeigten eine um 34 % verringerte jährliche Schubrate, ein Zusammenhang mit der antiviralen Behandlung wird vermutet. Bei der Analyse von Subgruppen zeigte sich auch ein deutlicher Rückgang in der Entstehung neuer Läsionen im Vergleich zu Placebo. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass ein Erreger an der Erkrankung beteiligt ist, die empfindlich auf Acyclovir reagiert. Damit könnte der Wirkstoff bei der Behandlung von schubförmiger MS helfen. Die noch nicht ganz ausgereiften Ergebnisse zeigen, dass es hier Bedarf an weiterer Forschung gibt. Erste Studien mit anderen antiviralen Medikamenten an MS-Patienten zeigten zumindest eine gute Verträglichkeit, auch wenn keine direkte Auswirkung auf die Erkrankung festgestellt werden konnte. Auch welche Herpesviren genau eine Rolle spielen könnten, könnte so durch weitere Studien mit verschiedenen antiviralen Medikamenten weiter eingegrenzt werden.

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