Neue Antibiotika von Blattbewohnern

Ein Team von ETH-Forschenden um Julia Vorholt und Jörn Piel haben in Bakterien, die Blattoberflächen einer einheimischen Wildpflanze besiedeln, neue antibiotisch wirkende Substanzen entdeckt.

Auf Blättern von Pflanzen lebt eine Vielzahl verschiedener Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze. Blattoberflächen werden dicht besiedelt, obwohl nur wenige Nährstoffe auf ihnen zu finden sind. Um sich die Konkurrenz vom Leib zu halten, setzen zahlreiche der Blattbewohner auf chemische Kriegsführung: Sie entwickelten antibiotisch wirkende Stoffe, welche Wachstum und Vermehrung von anderen Mitbewohnern stoppen.

Eine Gruppe von Forscherinnen und Forschern um die beiden ETH-Professoren Julia Vorholt und Jörn Piel vom Institut für Mikrobiologie entdeckten nun bei einer systematischen Suche auf Blättern der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) ein ganz besonders produktives Bakterium: Brevibacillus sp. Leaf 182.

In Versuchen hemmte es die Hälfte aller 200 Stämme, welche die Forschenden von Blattoberflächen isoliert hatten. Das Bakterium stellt mindestens vier antibiotisch wirkende chemische Verbindungen her und sondert sie ab. Brevibacillus sp. Leaf 182. Zwei dieser Verbindungen waren bereits bekannt, während ein Stoff namens Macrobrevin eine bislang unbekannte chemische Struktur aufwies.

Antibiotische Wechselwirkungen aufgedeckt

«Mit bioinformatischen Methoden suchten wir nach Gruppen von Genen, welche generell die Produktion von Stoffen steuern und sich so auf andere Bakterien auswirken könnten», erklärt Vorholt. Parallel dazu testeten die Forschenden im Labor, welche dieser Stämme gegen andere antibiotisch wirken, also dafür sorgen, dass sich bestimmte Bakterien nicht mehr vermehren. Insgesamt fanden sie über 700 solcher antibiotischen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Mikrobenstämmen.

Ziel des vom SNF und über ERC Grants finanzierten Projekts war es, neue Antibiotika in einem zuvor nicht untersuchten Habitat zu finden. «Bisher konzentrierte sich die Forschung insbesondere auf den Lebensraum Boden, aber dort finden wir mittlerweile die immer gleichen Verbindungen», sagt Vorholt.

Antibiotika-Krise entschärfen

Die Suche nach neuen Antibiotika werde jedoch zunehmend schwierig. Piel spricht von der Antibiotika-Krise: «Wir haben kaum mehr Antibiotika, gegen die nicht mindestens ein Erreger resistent ist.» Unternehmen haben die Suche nach neuen Substanzen mehr oder weniger eingestellt, weil sie zu wenig rentabel sei.

Mit ihrem Projekt erschliessen die ETH-Forscherinnen und -Forscher ein neues Reservoir mit hohem Potential. «Wir werden nun abklären, ob Macrobrevin und andere neu entdeckte Substanzen auch gegen Bakterien wirken, die beim Menschen Krankheiten auslösen», sagt Piel. Noch höher als diese Möglichkeit schätzt er aber den Erfolg ein, gezeigt zu haben, dass es im bisher wenig erforschten Mikrokosmos von Blattoberflächen noch sehr viele Naturstoffe für Antibiotika zu entdecken gibt: «Dieses unglaublich vielfältige Ökosystem kann mit Sicherheit noch sehr viele neue Ansätze für die Medizin liefern. Unsere Resultate bestätigen, dass es sich lohnt, die Suche nach Antibiotika in der Natur auszuweiten.»

Literaturhinweis

Helfrich EJN et al. Bipartite interactions, antibiotic production and biosynthetic potential of the Arabidopsis leaf microbiome. Nature Microbiology, 2018. doi: 10.1038/s41564-018-0200-0