FAU: Wissenschaftler forschen an neuer Methode zum Aufbau eines künstlichen Eierstocks

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum künstlichen Eierstock für Patientinnen, die an Krebs erkrankt sind, ist einem interdisziplinärem Forscherteam der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) unter Leitung von Prof. Aldo R. Boccaccini vom Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaften (Biomaterialien) und Prof. Dr. Ralf Dittrich von der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie des Universitätsklinikums Erlangen gelungen. Gemeinsam haben sie an innovativen Techniken zur Wiederherstellung der Fruchtbarkeit bei onkologischen Patientinnen geforscht und ihre neuartigen Erkenntnisse in den „Scientific Reports“, der Open Access-Zeitschrift von Springer Nature, veröffentlicht.

Ein künstlicher Eierstock soll Frauen helfen, schwanger zu werden – trotz Krebserkrankung und der starken Medikamente, die während einer Chemotherapie eingesetzt werden und die Fruchtbarkeit der Patientinnen einschränken können. Wie und mit welchem Material der weibliche Eierstock im Labor am besten nachgebildet werden kann, beschäftigt seit einiger Zeit die wissenschaftliche Community. Ein interdisziplinäres Forscherteam aus Ingenieuren und Werkstoffwissenschaftlern des Lehrstuhls für Biomaterialien der FAU sowie Gynäkologen und Naturwissenschaftlern der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen liefert nun neue Ansätze.

Erfolg mit Elektrospinnen
Die Wissenschaftler setzen in ihrer Studie „Elektrospinnen-strukturierte poröse Gerüste zur Unterstützung des Wachstums von Eierstockfollikeln: Eine Machbarkeitsstudie“ auf das so genannte Elektrospinnen, das aus der Werkstoffwissenschaft kommt. Die Technik basiert auf dem Anlegen eines hohen elektrischen Potenzials zwischen zwei Elektroden mit entgegengesetzter Polarität. Diese Hochspannung kann die Oberflächenspannung in einer polymeren Lösung überwinden und so die vollständige Verdampfung des Lösungsmittels und die Bildung einer Faserstruktur ermöglichen. „Das Elektrospinnen ist enorm vielseitig, da wir unterschiedlichste natürliche und synthetische Polymere verwenden können“, erklärt Dr. Liliana Liverani, die das Projekt wissenschaftlich leitet. „In unserer aktuellen Studie haben wir erstmals den biologisch abbaubaren Stoff Polyepsilon Caprolacton – und eine Mischung davon mit Gelatine – verwendet und daraus ein Gerüst aus sehr dünnen Fasern hergestellt, das die natürliche Struktur und Form des Eierstockkortex nachahmt.“ Dieses Gerüst verwendeten die Forscher in ihren in-vitro-Tests als Substrat für die Aussaat von Schweinefollikeln aus dem Eierstöcken von Schweinen und beurteilten die Lebensfähigkeit der Eizellen nach zehntägiger Kultur auf den Gerüsten. Die Ergebnisse des Live-Dead-Tests zeigten eine hohe Anzahl von lebensfähigen Follikeln, die ihre charakteristische Form beibehielten.

„Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum idealen künstlichen Eierstock, der das natürliche Organ im Hinblick auf die Umweltbedingungen für das Wachstum und die Reifung der Follikel nachahmt. Diese Ergebnisse sind sehr vielversprechend, aber vor einer Weiterentwicklung in Richtung klinische Anwendung sind noch weitere Untersuchungen erforderlich“, sind sich die Teams um die Werkstoffwissenschaftler Prof. Aldo R. Boccaccini und Dr. Liliana Liverani sowie die Gynäkologen und Naturwissenschaftler der Frauenklinik (Direktor: Prof. Dr. Matthias W. Beckmann) Prof. Dr. Ralf Dittrich, Nathalie Raffel und Dr. Amir Fattahi einig und kündigen weitere Forschungsarbeiten an.

Krebs weiter auf dem Vormarsch
Bisher können Mädchen und Frauen, bei denen Krebs diagnostiziert wurde, ihre Chance auf eine Schwangerschaft nur erhalten, indem sie sich Eierstockgewebe entnehmen, einfrieren und nach überstandener Krebserkrankung zurück transplantieren lassen. Dieses Verfahren gilt zwar als sicher, doch bestimmte Krebsarten können in das Gewebe des Eierstocks eindringen und die Krankheit bei der Transplantation wieder einführen. Ziel der neuen Methode ist es, das kranke Gewebe vollständig durch einen künstlichen Eierstock zu ersetzen, die Fruchtbarkeit der Patientinnen wiederherzustellen und ihre Lebensqualität damit deutlich zu verbessern.

Krebserkrankungen steigen weltweit deutlich an. Das belegen der „Weltkrebsbericht 2014“ der Weltgesundheitsorganisation WHO und der „Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland“ des Robert Koch-Instituts (RKI). Auch bei rund 2.000 Kindern und Jugendlichen wird in Deutschland jährlich eine Krebserkrankung diagnostiziert und bringt große Herausforderungen in Bezug auf die behandlungsbedingten Spätfolgen mit sich. „Beide Studien sprechen aber auch von einer kontinuierlichen Verbesserung der Versorgung, die ein längeres Leben mit Krebs oder nach einer überstandenen Krebserkrankung ermöglicht“, sagt Prof. Dr. Ralf Dittrich von der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie des Universitätsklinikums Erlangen. „Die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei Kindern und Jugendlichen mit Krebs liegt inzwischen bei rund 80 Prozent. Deshalb widmen wir heute der Verbesserung der Lebensqualität viel Aufmerksamkeit und suchen über alle Fachdisziplinen hinweg nach Lösungen.“

Originalpublikation:
doi: 10.1038/ s41598-018-37640-1