Epigenetische Veränderungen gehen Ausbruch von Diabetes voraus

Bereits einige Jahre vor der Diagnose eines Typ-2-Diabetes lassen sich bei den Betroffenen epigenetische* Veränderungen in den Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse feststellen. Sie sorgen dafür, dass einige Gene eine andere Aktivität haben als bei gesunden Personen. In einer Studie haben Forschende des DZD und DIfE 105 solcher Veränderungen in menschlichen Blutzellen entdeckt. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift ‚Diabetes‘ veröffentlicht. Diese Erkenntnisse könnten helfen, weitere diagnostische Marker für Typ-2-Diabetes zu entwickeln.

Bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes spielen mehrere Ursachen eine Rolle. Dazu gehören eine erbliche Veranlagung, epigenetische Faktoren, eine fett- und zuckerreiche Ernährung sowie Übergewicht und Bewegungsmangel. Um die Entwicklung der Stoffwechselerkrankung zu vermeiden, ist es wichtig, Menschen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko frühzeitig zu erkennen. Da es bei der Diabetes-Entwicklung auch zu Funktionsstörungen in den Langerhans-Inseln in der Bauchspeicheldrüse kommen kann, haben Forschende des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) Potsdam-Rehbrücke und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) untersucht, ob es epigenetische Veränderungen in den Langerhans-Inseln gibt, die mit der Diabetes-Entstehung zusammenhängen. An der Studie hat auch die Universität Lund mitgearbeitet.

Diabetes-anfällige Mäuse haben 497 epigenetische Veränderungen
„Unser Ziel war es, frühe Veränderungen in DNA-Methylierungen und dem Expressionsmuster in Langerhans-Inseln einer Diabetes-anfälligen Maus zu identifizieren und dann zu prüfen, welche davon sich beim Menschen im Blut ebenfalls vor der Diabetes-Diagnose nachweisen lassen“, erläutert Prof. Dr. Annette Schümann, Sprecherin des DZD und Leiterin der Abteilung Experimentelle Diabetologie am DIfE, den translationalen Forschungsansatz. Dazu wurden adipöse Mäuse fünf Wochen mit einer hochkalorischen Nahrung gefüttert und anhand der Leberfettmenge und der Höhe des Blutzuckerspiegels in Diabetes-anfällige und Diabetes-resistente Tiere eingeteilt. Von beiden Gruppen wurden die DNA-Methylierungen und Expressionsmuster in den Langerhans-Inseln bestimmt. „So konnten wir 497 Kandidaten-Gene identifizieren, die sich sowohl bezüglich ihrer Expression als auch ihrer DNA-Methylierungen unterschieden“, sagt Erstautorin Dr. Meriem Ouni.

Mögliche neue diagnostische Marker für Typ-2-Diabetes
Im nächsten Schritt suchten die Forschenden dann in Blutzellen von Teilnehmenden der EPIC-Potsdam-Studie** (270 Kontrollen und 270 inzidente Typ-2-Diabetesfälle im Schnitt 3,8 Jahre vor der Diagnose) nach ähnlichen epigenetischen Veränderungen. Dabei haben sie in 105 Genen veränderte Level in der DNA-Methylierung gefunden, die mit der späteren Diabetes-Diagnose assoziiert waren. Ein Großteil dieser Veränderungen ist auch in den Langerhans-Inseln von Typ-2-Diabetes-Betroffenen festzustellen. Das Forscherteam geht davon aus, dass die meisten Modifikationen der DNA-Methylierung, die sich bereits vor der Diagnose im Blut nachweisen lassen, auch noch im späteren Verlauf der Erkrankung in den Langerhans-Inseln vorliegen.

„Unser breit angelegter und translationaler Forschungsansatz hat eine Reihe von interessanten Genen identifiziert, deren Expression und veränderte DNA-Methylierung mit der späteren Diabetes-Diagnose assoziiert sind“, sagt Schürmann. „Beim Menschen lassen sich 105 solcher epigenetischen Veränderungen bereits einige Jahre vor der Diabetes-Diagnose in Blutzellen detektieren. Dies kann die Möglichkeit eröffnen, künftig einige dieser Veränderungen als diagnostische Marker für Typ-2-Diabetes zu verwenden.“

Als nächstes wollen die Forschenden untersuchen, ob sich durch Diäten oder bestimmte Medikamente ungünstige DNA-Methylierungsmuster korrigieren lassen. Zudem wollen sie prüfen, ob sich die identifizierten Marker in den verschiedenen Diabetes-Subtypen unterscheiden.

* Epigenetik erforscht jene Eigenschaften von Genen, die nicht durch die DNA selbst, sondern durch deren Ablesebereitschaft in Erscheinung treten. Epigenetische Informationen werden durch Methylgruppen oder andere Biomoleküle vermittelt, die wie chemische Schlösser den Zugang zu bestimmten DNA-Sequenzen verwehren oder freigeben und so deren Aktivierbarkeit kontrollieren. Sie fungieren wie eine Art Schalter im Genom, die ein Gen ein oder ausschalten.  Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass auch der Lebensstil zu epigenetischen Veränderungen führen kann.

** EPIC-Potsdam: Die European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC)-Potsdam-Studie ist eine prospektive Kohortenstudie. Zwischen 1994 und 1998 wurden 27.548 Frauen und Männer zwischen 35 und 65 Jahren rekrutiert. Die EPIC-Potsdam-Studie ist Teil einer der größten Langzeitstudien weltweit mit insgesamt ca. 521.000 Studienteilnehmenden aus zehn europäischen Ländern. Ziel ist, den Einfluss der Ernährung auf die Entstehung von Krebs und anderen chronischen Erkrankungen zu erforschen.

Original-Publikation:
Ouni, M. et al.: Epigenetic Changes in Islets of Langerhans Preceding the Onset of Diabetes. Diabetes 2020;69:1–15 | doi.org/10.2337/db20-0204

Das DIfE ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). www.dife.de

Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) e.V. ist eines der sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das Paul-Langerhans-Institut Dresden des Helmholtz Zentrum München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte Partner an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München sowie weitere Projektpartner. www.dzd-ev.de