Umgang mit schwerer Erschöpfung: Besser umdenken statt unterdrücken

Original Titel:
Emotion regulation strategies moderate the relationship of fatigue with depersonalization and derealization symptoms.

MedWiss – Die Symptome einer Fatigue können belastend sein. Wie Betroffene damit umgehen, scheint ausschlaggebend für das Auftreten von negativen kognitiven Begleiterscheinungen zu sein. Umdenken scheint die bessere Bewältigungsstrategie zu sein, berichten Wissenschaftler.


Fatigue ist eine Super-Erschöpfung – das ist wie müde sein, aber mit Superhelden-Umhang.. (unbekannter Autor)

Wer unter Fatigue leidet, kann sich in diesem Spruch, der im Internet kursiert, eventuell gut wiedererkennen. Das typische Symptom der Erschöpfung bei Fatigue, wie es beispielsweise in einer Chemotherapie oder als Folge einer chronisch-entzündlichen Erkrankung auftritt, ist tatsächlich deutlich von einer normalen Müdigkeit zu unterscheiden. Sie zur Superhelden-Kraft zu machen, ist allerdings nicht der normale Umgang mit der chronischen Erschöpfung. Aber darüber auf diese Weise auch mal lachen zu können, tut gut, selbst, wenn man eigentlich im Moment keine Energie dafür hat.

Umdenken, um einen anderen Blick auf belastende Situationen zu entwickeln

Der Vorgang, eine belastende Situation wie eine Fatigue für sich selbst umzudenken und sie sogar zu einem Witz zu machen, wird kognitives Uminterpretieren oder auch kognitives Reappraisal (vom englischen Begriff für Neubewertung) genannt. Eine Neubewertung muss aber nicht immer das Problem zu einem Witz machen. Auch dieses Umschreiben der Fatigue als Lösung eines Problems, einer sinnvollen Strategie des Körpers, kann ein Beispiel für eine Neubewertung sein. So gesehen ist ein Erschöpfungs-Syndrom eine Reaktion des Körpers auf eine sehr energieraubende Situation – und damit eine Phase des Auftankens und der Erholung. Die Fatigue wird so gewissermaßen vom Problem zur Lösung oder zum problemlösenden Werkzeug. Dieses Umdenken wird derzeit in der Forschung als eine Strategie untersucht, mit der Menschen besser mit Schmerz, Ängsten, depressiven Gedanken oder eben Erschöpfung klarkommen könnten. Man nennt solche Strategien auch Emotionsregulation, also Methoden, mit denen die eigene Gefühlslage aktiv verändert werden soll. Eine andere Strategie ist die der Unterdrückung: ein unerwünschtes Gefühl soll dabei ausgeblendet werden.

Unterdrücken der belastenden Symptome und Neubewertung als zwei mögliche Strategien

Ziel einer neuen Untersuchung war es nun, den Zusammenhang zwischen solchen Strategien zur Emotionsregulation bei Fatigue und möglichen Folgesymptomen zu ermitteln. Je nach Umgang mit der Fatigue könnte sich ein Gefühl der Selbstentfremdung (Depersonalisierung) oder ein Gefühl der Unwirklichkeit (Derealisierung) einstellen, vermuteten die Forscher. Dabei kann sich eine Art emotionaler Taubheit einstellen, also eine Emotionslosigkeit gegenüber Gefühlen wie beispielsweise Schmerz. Auch eine Veränderung der Wahrnehmung eigener Bewegungen und Gedanken, also etwa eine Unwirklichkeit oder Fremdbestimmtheit, können ein Anzeichen für Depersonalisierung und Derealisierung sein. Die Forscher erwarteten, dass die beiden untersuchten Strategien zur Emotionsregulation unterschiedliche Effekte auf die Selbstwahrnehmung haben würden: Die Unterdrückung der Erschöpfungssymptome sollte demnach eher zu einer Depersonalisierung führen oder diese verstärken, die Umbewertung der Erschöpfung dagegen könnte, so die Annahme der Wissenschaftler, weniger solcher unerwünschten Effekte haben. Eine Umbewertung belastender Gefühle oder Gedanken im Zusammenhang mit einer Fatigue könnte also gewissermaßen vor Selbstentfremdung oder Gefühlen der Unwirklichkeit schützen. Die Forscher ermittelten in ihrer Untersuchung mithilfe von Fragebögen die Strategien zur Emotionsregulation, Erschöpfungssymptomen, das Gefühl der Depersonalisierung sowie Stresssymptome bei den Teilnehmern der Studie. Zudem wurden demographische Informationen wie Altersangaben oder Geschlecht der befragten Person erhoben.

Befragung von Menschen: Wie gehen sie mit der Fatigue um?

Symptome und Strategien wurden von insgesamt 2 524 Menschen erfragt. 55,5 % der Teilnehmer waren Frauen, das mittlere Alter betrug 49,4 Jahre. Passend zu den Annahmen der Forscher zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Art der Bewältigungsstrategie und den Erschöpfungs-Symptomen. Die kognitive Neubewertung schien eine Art schützenden Effekt gegen Depersonalisierungs-Gefühle bei Fatigue-Betroffenen zu haben. Die Unterdrückung der Fatigue dagegen förderte nachteilige Effekte: Menschen mit dieser Bewältigungsstrategie schienen häufiger unter Depersonalisierung und Derealisierung im Zuge der Fatigue zu leiden. Der Versuch, die Erschöpfung zu unterdrücken, führte demnach häufiger zu Gefühlen wie einer Selbstentfremdung, und konnte somit eher mehr Probleme mit sich bringen. Eine andere Denkweise gegenüber der Fatigue anzunehmen schien dagegen eher zu helfen, sich mit dem eigenen Körper im Reinen zu fühlen.

Die Untersuchung war allerdings nur auf diese beiden Strategien beschränkt – zwar werden diese zwar recht häufig intuitiv eingesetzt, allerdings könnten andere Methoden noch besser geeignet sein, mit einer starken Erschöpfung wie der Fatigue umzugehen. Die Untersuchung bietet zudem lediglich einen Einblick in Strategien und Symptome, zeigte aber keinen Effekt einer möglichen Maßnahme für einen besseren Umgang auf. Weitere Untersuchung müssten nun also andere Fragen stellen: würden beispielsweise die Menschen, die stärker auf Unterdrückung setzten und Selbstentfremdung als Symptom erleben, davon profitieren, eine andere Strategie der Emotionsregulation anzuwenden?

Zusammenhänge zwischen Strategien und Symptomen bieten Anreize zum Umdenken

Die Ergebnisse bieten damit einen Einblick in die Strategien zur Emotionsregulation bei Menschen mit Fatigue. Selbstentfremdung (Depersonalisierung) und Unwirklichkeitsgefühle (Derealisierung) standen demnach stärker mit Unterdrückung der Erschöpfungs-Symptome in Zusammenhang. Dagegen kamen diese Probleme weniger bei einer Strategie der kognitiven Neubewertung (Reappraisal) zum Vorschein. Die Forscher schließen daraus, dass eine Neubewertung der Situation eine bessere Bewältigungsstrategie sein könnte, um Menschen mit einer Fatigue zu unterstützen, mit ihrer Situation klar zu kommen. Typischerweise ist die Fatigue nun mal eine vermutlich notwendige Reaktion des Körpers, die nicht einfach unterdrückt werden kann: Wer sich richtig ausgepowert hat, muss sich auch erholen und erst langsam wieder Energie sammeln.

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