Wissenschaftspreis für UMG-Neuropädiater

Dr. Matthias Kettwig aus der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) mit Wissenschaftspreis 2022 der Gesellschaft für Neuropädiatrie e. V. (GNP) ausgezeichnet. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert.

(umg) Dr. Matthias Kettwig, Oberarzt in der Abteilung Neuropädiatrie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), ist von der Gesellschaft für Neuropädiatrie e. V. (GNP) mit dem Wissenschaftspreis 2022 ausgezeichnet worden. Er erhielt den Preis für seine wissenschaftliche Arbeit zur Entwicklung des weltweit ersten Mausmodells zur Erforschung der seltenen, genetisch be-dingten, sog. RNASET2-defizienten zystischen Leukenzephalopathie. Die Arbeit wurde 2022 in der wissenschaftlichen Open-Access-Fachzeitschrift Nature communications publiziert.

Der Wissenschaftspreis der GNP ist mit 5.000 Euro dotiert. Er wird seit 2001 von der Desitin Arzneimittel GmbH gestiftet und jährlich an Wissenschaftler*innen verliehen, deren neuropädiatrische Forschungsarbeiten einen unmittelbaren Bezug zu klinischen Fragestellungen aufweisen.

Bei der genetisch bedingten, RNASET2-defizienten zystischen Leukenzephalopathie handelt es sich um eine neurodegenerative Erkrankung der weißen Hirnsubstanz, ausgelöst durch eine Interferon-vermittelte Entzündung. Dabei schädigt eine übermäßige Ausschüttung des Botenstoffs während der Schwangerschaft das Gehirn des ungeborenen Kindes erheblich. Die Erkrankung gehört zu den Typ-I-Interferonopathien, einer Gruppe angeborener Erkrankungen mit Störungen im Nukleinsäurestoffwechsel.

Der Entzündungs-Botenstoff Interferon (IFN) spielt für die Abwehr von Virusinfektionen eine maßgebliche Rolle, indem es in praktisch allen Körperzellen antivirale Programme auslöst. Das von Dr. Kettwig und seinem Team entwickelte Tiermodell zeigt diese übermäßige Ausschüttung von Interferonen mit der damit verbundenen Multiorganentzündung, die beispielsweise Gehirn, Leber, Milz und das Knochenmark betrifft. Es ist das erste Tiermodell aus der Gruppe der Typ I-Interferonopathien, das eine eindeutige entzündliche Beteiligung des Gehirns aufweist. Damit konnte erstmals dieser wichtige Aspekt der menschlichen Erkrankung im Tiermodell wiedergegeben und darüber hinaus ein Modell für zukünftige Therapiestudien geschaffen werden.

„Mit der Etablierung des Tiermodells sind wir nun in der Lage die verschiedenen Aspekte der Interferon-vermittelten Entzündung des Gehirns genauer zu untersuchen und etwaige Therapiestrategien zu entwickeln bzw. zu überprüfen. Im Vordergrund soll dabei vor allem die Identifizierung derjenigen Faktoren stehen, die maßgeblich zu dieser Entzündung des Gehirns beitragen“, sagt Dr. Matthias Kettwig. Aufklären möchte er insbesondere die genauen zellulären und molekularen Mechanismen, die zur Funktionsstörungen des Gehirns, der Gliazellen und Neuronen (Nervenzellen), führen. Das von Kettwig und seinem Team entwickelte Modell legt aufgrund der sehr wahrscheinlich vergleichbaren Pathomechanismen damit die Grundlage für die Entwicklung von möglichen wirksamen Therapien für genetische und auch nicht genetisch-bedingte hirnschädigende Virusinfektionen während der Schwangerschaft.

Die durch Interferon-vermittelte Entzündung von Nervengewebe (Neuroinflammation) spielt zudem eine zentrale Rolle in der Entstehung (Pathogenese) auch anderer neurologischer Erkrankungen. Neben den klassischen sog. Interferonopathien ist sie auch von zentraler Bedeutung bei Entzündungen des Gehirns (Enzephalitiden) insgesamt und bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Alzheimer und Morbus Parkinson.

Zu der Erkrankung

Die RNASET2-defiziente zystische Leukenzephalopathie, wird durch einen Gen-Defekt des Kindes verursacht. Dabei ist der Gen-Defekt dafür verantwortlich, dass es zu einer übermäßigen Bildung von Interferon kommt. Dies führt zu ausgeprägten Entzündungsreaktionen, die die Organe und insbesondere das Gehirn schwer schädigen. Die Erkrankung ist sehr selten und wurde erst 2009 von einem Team von Neuropädiater*innen der Universitätsmedizin Göttingen um Prof. Dr. Jutta Gärtner (Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Abteilung Neuropädiatrie) beschrieben. Die Symptome ähneln dabei denen einer Infektion des ungeborenen Kindes mit dem Cytomegalievirus (CMV) während der Schwangerschaft. Entzündliche Immunzellen wandern in das Gehirn des Kindes ein und führen zu kognitiven Einbußen, epileptischen Anfällen und Spastik.

 

Originalveröffentlichung:

Interferon-driven brain phenotype in a mouse model of RNaseT2 deficient leukoencephalopathy. Nat Commun [Online] 2021, 12 (1), 1–18. https://www.nature.com/articles/s41467-021-26880-x.

Weitere Informationen:

Presseinformation Nr. 010, 4. Februar 2022:
https://www.umg.eu/presse/news-detail/news-detail/detail/news/wie-schaedigt-zu-viel-interferon-das-gehirn-von-unge-borenen-kindern/

Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Abteilung Neuropädiatrie
https://kinderklinik.umg.eu