Rheuma & Geschlecht: Diagnose bei Frauen später und Erkrankung häufiger als bei Männern

Deutscher Rheumatologiekongress vom 30. August bis 2. September 2023 in Leipzig (hybrid), Vorabpressekonferenz am 23. August (online)

Leipzig – Frauen ernähren sich gesünder, gehen öfter zu Ärztin oder Arzt und nehmen häufiger Vorsorgeangebote in Anspruch als Männer. Dennoch erhalten Sie die Diagnose über eine rheumatische Erkrankung deutlich später: zum Beispiel bei der systemischen Sklerose erst ein Jahr nach den männlichen Patienten. Und dies, obwohl sie häufiger an Rheuma leiden und gegenüber männlichen Patienten eine erhöhte Krankheitslast angeben. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Überblicksstudie zu geschlechtsspezifischen Unterschieden bei der Diagnostik und Therapie von Rheumaerkrankungen. Welche Ursachen dahinterstecken und wie die Erkenntnisse in die Versorgung einfließen können, diskutieren Expert:innen auf der digitalen Vorabpressekonferenz anlässlich des Deutschen Rheumatologiekongress am Mittwoch, den 23. August 2023. à zur Anmeldung

Bei der Mehrzahl der rheumatischen Erkrankungen ist der Anteil an betroffenen Frauen größer als der der Männer. Dies betrifft vor allem Kollagenosen und die rheumatoide Arthritis. Bei den Spondylo-arthritiden ist die Geschlechterverteilung ausgewogen. Nur wenige entzündlich-rheumatische Erkrankungen, wie beispielsweise Morbus Behcet betreffen häufiger Männer. „Umso verwunderlicher erscheint es, dass Frauen im Durchschnitt deutlich später eine Diagnose erhalten“, sagt Privatdozentin Dr. med. Uta Kiltz, Oberärztin am Rheumazentrum Ruhrgebiet. Mögliche Ursache dafür könnte sein, dass der Krankheitsverlauf bei Männern in der Regel schwerer ist. Deshalb zeigen sich Schäden an Organen früher und geben eher Hinweise auf eine rheumatische Erkrankung. Auch bilden sichso beim Beispiel der systemischen Sklerosebei Männern bestimmte Marker und Antikörper im Blut früher. „Hinzu kommt, dass Frauen ein vielfältigeres Bild an Symptomen zeigen, was eine eindeutige Diagnose zusätzlich erschweren kann“, erläutert Kiltz. Diese Unterschiede lassen sich unter anderem auf hormonelle, immunologische und (epi)genetische Unterschiede zurückführen. Eine kanadische Analyse offenbarte zudem, dass männliche Hausärzte unabhängig vom Geschlecht der Patient:innen später eine rheumatologische Überweisung veranlassten als ihre Kolleginnen. Folglich kann auch das Geschlecht der behandelnden Ärzt:innen zu Unterschieden in der Versorgung beitragen.

Ob sich die Wirksamkeit von Medikamenten zwischen den Geschlechtern unterscheidet, ist umstritten. Erwiesen ist, dass immunsuppressive Therapien bei Frauen weniger dauerhafte wirken und sie im Vergleich zu Männern deutlich seltener das Therapieziel einer niedrigen Krankheitsaktivität erreichen. Eine Ursache dafür könnte sein, dass Frauen in der Selbstauskunft die Krankheitsaktivität höher als Männer einschätzen. Zudem können rheumatische Erkrankungen soziale und psychologische Folgen haben, die sich bei Männern und Frauen unterschiedlich auswirken. Dies hängt auch mit Unterschieden in den gesellschaftlichen Erwartungen und Rollenbildern zusammen. „Hier stehen wir ganz am Anfang: Es besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf, um die Kontextfaktoren so weit zu verstehen, dass eine personalisierte Medizin möglich ist“, erklärt Kiltz.

„Die Ergebnisse zeigen, dass die Rheumatologie hier Nachholbedarf hat. Wir müssen die geschlechtsspezifischen Krankheitsausprägungen besser verstehen und diese Erkenntnisse in die Diagnostik und Therapie einfließen lassen“, betont auch Professor Dr. med. Christoph Baerwald, Kongresspräsident der DGRh und emeritierter Leiter der Abteilung Rheumatologie am Universitätsklinikum Leipzig. Bei der Vorabpressekonferenz anlässlich des Deutschen Rheumatologiekongresses beleuchten die Expert:innen die vorhandenen Geschlechterunterschiede und diskutieren Ansatzpunkte für die weitere Forschung.

Quelle:

Katinka Albrecht & Anja Strangfeld: Geschlechtsspezifische Unterschiede in Diagnostik und Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen

Die Innere Medizin volume 64, pages744–751 (2023); Geschlechtsspezifische Unterschiede in Diagnostik und Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen | SpringerLink

Terminhinweise:

Deutscher Rheumatologiekongress 2023 – hybrid
51. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
37. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh)
33. Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR)

Termin: 30. August bis 2. September 2023
Ort: Congress Center Leipzig
Adresse: Seehausener Allee 1, 04356 Leipzig
Informationen und Onlinekongress unter https://dgrh-kongress.de/
Akkreditierung als Presse kostenfrei unter: https://www.m-anage.com/Home/Index/Event/dgrh2023/de-DE

Vorab-Pressekonferenz anlässlich des Deutschen Rheumatologiekongresses 2023 (online)
Termin: Mittwoch, 23. August 2023, 11.00 bis 12.00 Uhr
Link: https://attendee.gotowebinar.com/register/5452111357329858651

Vorläufige Themen und Referierende

Zunahme der rheumatischen Erkrankungen in Deutschland – wie kann die Versorgung gesichert werden

Professor Dr. med. Baerwald, Kongresspräsident der DGRh, em. Leiter der Abteilung Rheumatologie am Universitätsklinikum Leipzig

und

Rotraut Schmale-Grede, Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga, Bonn

Alter und Rheuma: Mit den Lebensjahren leidet das Immunsystem und gibt rheumatischen Erkrankungen Vorschub – was kann die Medizin dagegen tun?

Professor Dr. med. Ulf Wagner, Wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Rheumatologiekongresses, Leiter des Bereichs Rheumatologie am Universitätsklinikum Leipzig

One size fits all? Geschlechterspezifische Unterschiede in der Rheumatologie
PD Dr. Uta Kiltz, Oberärztin am Rheumazentrum Ruhrgebiet

Phase IIb-Studie zur Präventivtherapie: Kann die Manifestation von Rheuma bei Risikopatienten noch vor den ersten Symptomen unterbunden werden?
Professorin Dr. Andrea Rubbert-Roth, Leitende Ärztin und stellvertretende Klinikleiterin der Klinik für Rheumatologie, Kantonsspital St.Gallen

Kongress-Pressekonferenz anlässlich des Deutschen Rheumatologiekongresses 2023 (hybrid)

Termin: Donnerstag, 31. August 2023, 12.00 bis 13.00 Uhr

Ort: Congress Center Leipzig

Adresse: Seehausener Allee 1, 04356 Leipzig

Link: https://register.gotowebinar.com/register/7411399296782935896

Vorläufige Themen und Referierende

Begrüßung und Highlights des Deutschen Rheumatologiekongresses

und

Neuroimmunologie als Chance für die Rheumatherapie: Stimulation des Vagusnervs und die Konditionierung des Immunsystems als Ersatz für Medikamente

Professor Dr. med. Baerwald, Kongresspräsident der DGRh, em. Leiter der Abteilung Rheumatologie am Universitätsklinikum Leipzig

Lokaltherapie bei entzündlichen Gelenkerkrankungen – wann hilft eine Operation?
Professor Dr. med. Sebastian Seitz, Kongresspräsident der DGORh, Chefarzt der Orthopädie am Klinikum Hochsauerland, Arnsberg

Immundefekte und Rheuma: Warum ist es wichtig, schon bei Kindern auf das Immunsystem zu schauen?

Dr. med. Maria Fasshauer, Kongresspräsidentin der GKJR, Oberärztin am Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie am Klinikum St. Georg, Leipzig

Neue und seltene rheumatische Erkrankungen entdeckt: IgG4-Erkrankungen, Erdheim-Chester- und VEXAS-Syndrom

Professor Dr. med. Christof Specker, Präsident der DGRh, Direktor der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie an den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte

Systemimmunologie – Integrative Betrachtung von Blut und entzündeten Geweben

Dr. Ricardo Grieshaber-Bouyer, Heidelberg