Neue Hoffnung im Kampf gegen Tuberkulose

Gemeinsam mit UNITE4TB, der größten Kooperation zwischen akademischen Partnern und Pharmaunternehmen zur Entwicklung von Tuberkulose-Medikamenten, kündigt das Münchner Tropeninstitut den Start von klinischen Studien unter der Sponsorschaft des LMU Klinikums an

Das internationale Forschungskonsortium UNITE4TB hat heute den Beginn seines klinischen Studienprogramms der Phase-2b/c bekannt gegeben. Der erste Patient wurde an einem der Studienzentren in Kapstadt, Südafrika in die Studie eingeschlossen. Dies ist ein wichtiger Schritt für Menschen mit Tuberkulose und für das Projekt insgesamt. Ziel ist hierbei eine beschleunigte Entwicklung neuer und effizienterer Tuberkulose-Therapien.

Das LMU Klinikum München ist klinischer Sponsor einer der beiden UNITE4TB-Studien, DECISION (BTZ-043 Dose Evaluation in CombInation and SelectION), d.h. die Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin koordiniert und überwacht die Sicherheit der Patienten. In DECISION (UNITE4TB-02) soll die optimale Dosierung von BTZ-0431  in Kombination mit zwei weiteren TB Medikamenten, Bedaquilin und Delamanid, in Bezug auf Sicherheit und Wirksamkeit getestet werden. Die richtige Dosis ist die Voraussetzung für weitergehende Studien zur optimalen Medikamentenkombination und Therapiedauer.

Tuberkulose als globale Herausforderung

Tuberkulose ist eine große Herausforderung für die öffentliche Gesundheit und zählt weltweit zu den häufigsten Todesursachen. Im Jahr 2021 forderte die Erkrankung 1,6 Millionen Menschenleben und ist damit nach COVID-19 die zweithäufigste infektiöse Todesursache.2  Das Auftreten von Antibiotikaresistenzen sowie das Problem der langen Behandlungsdauer haben zu verstärkten Investitionen und Forschungsaktivitäten im Bereich Tuberkulose geführt.

Von entscheidender Bedeutung für Menschen mit Tuberkulose ist ein schnellerer Zugang zu verbesserten Therapien mit kürzerer Behandlungsdauer und geringeren Nebenwirkungen. UNITE4TB arbeitet daher bereits seit Beginn des Projektes mit zentralen gesellschaftlichen Akteuren zusammen, um neu entwickelte Therapien später so effizient wie möglich zur Verfügung stellen zu können.

Neue Forschungserkenntnisse gewinnen

Im Rahmen der innovativen Phase-2b/c-Studien von UNITE4TB werden 14 Kombinationen von neun bestehenden Medikamenten sowie zwei neu entwickelte Wirkstoffkandidaten (GSK-656 und BTZ-043) getestet. Ziel ist es, Therapieschemata zu entwickeln, die die Behandlung von multiresistenter (MDR) und medikamentensensibler Tuberkulose weiter verbessern können.

Die Regime, die innerhalb von UNITE4TB erforscht werden, wurden durch die Kombination der neuartigen Wirkstoffe GSK656 und BTZ-043 mit den zuletzt zugelassenen Arzneimittelklassen Diarylchinolin (Bedaquilin) und Nitroimidazole (Delamanid oder Pretonamid) entwickelt. Neben der DECISION-Studie umfasst das UNITE4TB-Studienprogramm PARADIGM4TB, eine Phase 2b/c-Plattformstudie zur klinischen Bewertung verschiedener Behandlungsschemata und -dauern bei Lungentuberkulose. Im Rahmen von PARADIGM4TB soll getestet werden, welches vierte Medikament (entweder Moxifloxacin, Linezolid oder Pyrazinamid) als optimale Komponente zu einem Bedaquilin-, Delamanid-, BTZ-043- oder GSK656-Regime hinzugefügt werden kann. Die Studie wird auch die Wirksamkeit einer völlig neuen Kombination von GSK656 und BTZ-043 zusammen mit Bedaquilin und Delamanid untersuchen.

Sehen Sie sich dieses Video über den Beginn des klinischen Studienprogramms UNITE4TB der Phase 2b/c an, das am Studienort in Kapstadt, Südafrika, gestartet wurde (Copyright: UNITE4TB).

Expertenstimmen

Der wissenschaftliche Leiter der UNITE4TB-Studie, Prof. Dr. med. Michael Hoelscher, Direktor der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin am LMU Klinikum München, erklärt zum Studiendesign: „Es gibt drei wichtige Schritte bei der Entwicklung von Tuberkuloseregimen: die Ermittlung der optimalen Dosis für jedes einzelne Medikament, die Identifizierung der richtigen Kombination von vier verschiedenen Medikamenten und die kürzest mögliche Behandlungsdauer des Regimes der Wahl. In UNITE4TB erforschen wir diese Aspekte mit einem möglichst effizienten Studiendesign.“

Der südafrikanische Versuchsstandort am klinischen Forschungsinstitut TASK, an dem der erste Teilnehmende der UNITE4TB-Studie eingeschlossen wurde, ist einer von mehreren für das Projekt ausgewählten Standorten. Die Standorte wurden aufgrund der Tuberkulose-Prävalenz ausgewählt. Weitere Studienorte sind u.a. Tansania, Uganda, Vietnam und die Philippinen.

Prof. Andreas Diacon, Chairman und CSO von TASK und CEO von TASK Europe, sagte: „Bei TASK führen wir alle Phasen klinischer Studien durch, von den ersten Versuchen am Menschen bis hin zur Lizenzvergabe. Wir freuen uns sehr über den Start des klinischen Studienprogramms UNITE4TB hier in Kapstadt und sind stolz darauf, Teil dieses wichtigen klinischen Forschungsprojekts zu sein.“

Prof. Martin Boeree, UNITE4TB-Projektkoordinator vom Radboudumc, kommentierte zum Studienstart: „Heute ist ein besonderer Moment für die TB-Forschung. Die Welt benötigt neue Medikamente gegen Tuberkulose, aber auch neue Wege zur Durchführung klinischer Studien. Unsere Kooperation akademischer und privatwirtschaftlicher Partner setzt in dieser Hinsicht einen neuen Standard. Wenn das Projekt erfolgreich ist, wird es ein neues, kürzeres Behandlungsregime hervorbringen, das zur Bekämpfung aller Arten von Tuberkulose eingesetzt werden kann.“ 

1. Über BTZ-043

Der Wirkstoff BTZ-043 ist seit Jahrzehnten das erste in Deutschland entwickelte Antibiotikum. Er wurde von Forschenden des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) in Jena entdeckt. Seit 2014 haben sich das Leibniz-HKI und das Tropeninstitut am LMU Klinikum München in einer Forschungskooperation zusammengeschlossen, um die präklinische Weiterentwicklung des Wirkstoffs zu fördern. „Der Wirkstoff gehört zu einer neuen Klasse von Antibiotika. Sie hemmt ein Enzym in den Tuberkulose-Erregern, das zum Aufbau der Bakterienzellwand benötigt wird“, sagt Professor Axel Brakhage, Direktor des Leibniz-HKI in Jena. „Diese Hemmung bewirkt eine Auflösung der Zelle und letztlich das Absterben des Erregers.“

Bis zum Abschluss der zweiten Phase der klinischen Entwicklung wird das Projekt rund 60 Millionen Euro gekostet haben. Rund 50 Prozent stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hierfür entweder direkt oder durch das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) zur Verfügung. Weitere Mittel werden durch die europäisch-afrikanische „European & Developing Countries Clinical Trials Partnership“ (EDCTP), die europäische „Innovative Medicines Initiative“ (IMI), das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst sowie den Freistaat Thüringen bereitgestellt.3

2. Über UNITE4TB

UNITE4TB ist eine Kooperation von Vertretern von akademischen Einrichtungen, kleinen und mittleren Unternehmen, öffentlichen Organisationen und Pharmaunternehmen. Über eine Projektlaufzeit von sieben Jahren will das Konsortium die klinische Bewertung neuartiger Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen beschleunigen und einen neuen Standard für die Entwicklung neuer und hochwirksamer Tuberkulose-Behandlungsschemata für arzneimittelresistente und -empfindliche TB setzen. Das Konsortium wird ein effizientes, globales Netzwerk für klinische Studien aufbauen, das in der Lage ist, Studien der Phasen 2a und 2b/c durchzuführen, die den höchsten regulatorischen Standards entsprechen. Diese Studien werden hochmoderne adaptive Designs mit herkömmlichen und neuen Biomarkern für den Behandlungserfolg integrieren und fortschrittliche pharmakokinetische und pharmakodynamische Modellierungstechniken sowie Techniken der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens einsetzen.

Das im Juli 2021 gestartete Projekt ist mit 185 Millionen EUR ausgestattet und wird von der Initiative Innovative Arzneimittel (IMI) Joint 2 Undertaking finanziert. Mit 30 Partnern aus 13 Ländern ist es die größte öffentlich-private Partnerschaft zur Entwicklung klinischer TB-Medikamente in der Geschichte der Europäischen Union. Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Konsortiums: www.unite4tb.org

3. Über Tuberkulose

Tuberkulose (TB) ist eine globale Herausforderung und eine der häufigsten Infektionskrankheiten weltweit. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) starben im Jahr 2021 1,6 Millionen Menschen an TB. In den letzten Jahren hat das Auftreten von multiresistenter Tuberkulose (MDR-TB), welches weltweit ein großes Problem bei der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen darstellt, zu neuen wissenschaftlichen Aktivitäten in Forschung und Entwicklung von Tuberkulosemedikamenten geführt. Neue Medikamente und kürzere Therapieschemata für die Behandlung von Tuberkulose und deren rasche Einführung sind dringend erforderlich, wenn die ehrgeizigen Ziele der WHO in ihrer „End-TB-Strategie“ erreicht werden sollen, um Todesfälle bis 2035 um 95 % und die Inzidenz um 90 % zu senken.4

4. Partner des Konsortiums

Akademische Partner

• Stichting Radboud Universitair Medisch Centrum (Radboudumc) (Niederlande), Projektkoordination
• London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM) (UK)
• University of Oxford (UK)
• Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum (Deutschland) – Klinische Leitung
• Lygature (Niederlande)
• University of Cambridge (UK)
• University College London (UK)
• TASK (Südafrika)
• Vita-Salute San Raffaele Universität (UniSR) (Italien)
• Helmholtz Zentrum München (Deutschland)
• KNCV Tuberkulose Stiftung (KNCV) (Niederlande)
• Critical Path Institute, Limited (Irland)
• European Lung Foundation (Vereinigtes Königreich)
• Instituto de Saude Publica da Universidade do Porto (ISPUP) (Portugal)
• University of Liverpool (UK)
• Institut de recherche pour le développement (IRD) (Frankreich)
• Universität Hamburg (Deutschland)
• University of California San Francisco (UCSF) (USA)
• TB Alliance (USA)
• FIND (Schweiz)
• Universität Mailand (UMIL) (Italien)
• Universität St. Andrews (UK)
• Universität Uppsala (Schweden)
• European Respiratory Society (Schweiz)
• TBnet (Deutschland)

EFPIA/Assoziierte Partner

• GlaxoSmithKline Investigación y Desarrollo S L (GSK) (Spanien) – Projektleitung
• Janssen Pharmaceutica NV (Belgien)
• Otsuka Novel Products GmbH (Deutschland)
• Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) (Deutschland)
• LMU Klinikum München (Deutschland) – Wissenschaftliche Leitung

Einen detaillierten Überblick mit Informationen zu allen Partnern finden Sie auf der UNITE4TB Website

5. Über das UNITE4TB-Programm für klinische Studien der Phase 2b/c

Das klinische Studienprogramm UNITE4TB setzt sich aus den Studien DECISION und PARADIGM4TB zusammen. Der Sponsor der DECISION-Studie ist das LMU Klinikum München. Für PARADIGM4TB ist der Sponsor der Studie das University College London.

Bei DECISION (BTZ-043 Dose Evaluation in CombInation and SelectION) handelt es sich um eine Phase-2b-Dosisfindungsstudie, in der die Sicherheit und Wirksamkeit verschiedener BTZ-043-Dosierungen in Probanden mit arzneimittelresistenter Tuberkulose erprobt werden, in Kombination mit Bedaquilin und Delamanid. Die Teilnehmer erhalten entweder eine von drei BTZ-043-haltigen Therapien oder eine Vergleichstherapie mit Bedaquilin, Delamanid und Moxifloxacin. Ziel ist es, die optimale Dosierung von BTZ-043 zu identifizieren, die in nachfolgenden Studien verwendet werden kann. Weitere Informationen über die Studie finden Sie unter: https://clinicaltrials.gov/study/NCT05926466

PARADIGM4TB ist eine innovative Phase-2b/c-Plattform-Studie, die an rund 30 Prüfzentren auf vier Kontinenten (Europa, Asien, Afrika und Südamerika) durchgeführt wird. Ziel ist es, neuartige klinische Studien der Phase 2b/c durchzuführen, welche die Entwicklung neuer TB-Medikamente und -regime mit einer höheren Erfolgswahrscheinlichkeit in nachfolgenden klinischen Studien der Phase 3 beschleunigen.

6. Projektförderung

Das Projekt UNITE4TB wird von der Innovative Medicines Initiative 2 Joint Undertaking unter der Fördervereinbarung Nr. 101007873 gefördert. Dieses Joint Undertaking wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union und EFPIA, das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) unterstützt. EFPIA/AP tragen zu 50% zur Finanzierung bei, während der Beitrag des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) und des LMU Klinikums München vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gewährt wurde.

 1 Weitere Informationen zu BTZ-043 vgl. “Hinweise für Redaktionen”.
2 https://www.who.int/en/news-room/fact-sheets/detail/tuberculosis
3 https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/btz-043-moglicher-gamechanger-im-kampf-gegen-tuberkulose-16225.php
4  Implementing the end TB strategy: the essentials, 2022 update: https://www.who.int/publications/i/item/9789240065093

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