E-Dampfer helfen beim Rauchstopp, aber nicht unbedingt beim Nikotinstopp

E-Dampfer sind eine wirksame Hilfe, um mit dem Rauchen von Tabakzigaretten aufzuhören. Sie tragen aber nicht dazu bei, auch die Nikotin-Abhängigkeit zu verringern. Dies zeigen die Ergebnisse der weltweit grössten Studie zum Thema, die von einer schweizweiten interdisziplinären Forschungsgruppe unter Leitung der Universität Bern durchgeführt wurde.

E-Dampfer oder E-Zigaretten sind elektrisch betriebene Geräte, die Nikotin in Form von Dampf abgeben. Im Gegensatz zu Tabakzigaretten sind sie tabakfrei und erzeugen deutlich weniger Schadstoffe. E-Dampfer werden unter anderem von Tabakraucherinnen und -rauchern verwendet, um von Zigaretten loszukommen. Bislang gibt es aber nur ungenügende Daten dazu, wie sicher E-Dampfer sind, wenn sie über längere Zeit und im Rahmen einer intensiven Rauchstoppberatung, wie sie in der Schweiz angeboten wird, verwendet werden. Zu diesem Thema wurde nun die weltweit grösste Studie durchgeführt, unter Einbezug von Forschenden aus der Hausarztmedizin, Lungenmedizin, Toxikologie, Suchtmedizin und Epidemiologie mit fünf Studienzentren in der Schweiz (Bern, Genf, Lausanne, Zürich, St. Gallen), unter Leitung der Universität Bern.

In der Studie wurden die Wirksamkeit, Sicherheit und Toxikologie von E-Dampfern im Rahmen einer umfassenden Rauchstoppberatung verglichen mit einer ebenso umfassenden Rauchstoppberatung ohne E-Dampfer. Zur Rauchstoppberatung in beiden Gruppen gehörten diverse therapeutische Angebote sowie Empfehlungen zu Arzneimitteln und Nikotinersatzprodukten. Die Ergebnisse, die im The New England Journal of Medicine publiziert wurden, zeigen: E-Dampfer sind zur Rauchentwöhnung wirksamer als eine herkömmliche Rauchstoppberatung ohne E-Dampfer, und sie weisen wenig Nebenwirkungen auf. Sie helfen aber nicht, von der Nikotinabhängigkeit loszukommen. «Unsere Studie bestätigt bisherige Ergebnisse, dass E-Dampfer wirksam sind, um vom Tabakrauchen loszukommen. Sie zeigt zudem, welche Vorteile sie im Rahmen einer intensiven Rauchstoppberatung, wie wir sie in der Schweiz haben, bringen», sagt der Leiter der Studie Reto Auer vom Berner Institut für Hausarztmedizin der Universität Bern und Unisanté, Universitätszentrum für Allgemeinmedizin und Gesundheitswesen in Lausanne.

Abstinenz vom Tabak, aber Nikotin wird weiter konsumiert 

Über eine Laufzeit von sechs Monaten wurden in den beiden Gruppen insgesamt 1’246 Teilnehmende befragt und in den fünf Studienzentren in der Deutsch- und Westschweiz klinisch untersucht. Auch die in dieser Zeit auftretenden gesundheitlichen unerwünschte Ereignisse wurden detailliert erfasst. Dabei zeigte sich: Die Zugabe von E-Dampfern zu den herkömmlichen Rauchentwöhnungsmassnahmen erhöhte die Abstinenzrate vom Tabakrauchen um 21%. Dabei betrug die Abstinenzrate vom Tabakrauchen bei der Gruppe mit E-Dampfern 53%, in der Gruppe ohne E-Dampfer 32% (67% mehr Abstinenz mit E-Dampfern verglichen zu keinem E-Dampfer). Jedoch blieben viele Personen, die mit Tabakrauchen aufhörten, beim E-Dampfen und somit beim Nikotin. Entsprechend war die Nikotinabstinenz in dieser Gruppe geringer. Der Unterschied betrug 14% (20% nikotinabstinente Personen in der Gruppe mit E-Dampfern im Vergleich zu 34% in der Gruppe ohne E-Dampfer).

E-Dampfer könnten zur Minderung von tabakbedingten Symptomen führen 

Bezüglich Nebenwirkungen traten schwerwiegende unerwünschte Ereignisse in der Gruppe mit E-Dampfern nicht häufiger auf als in der Gruppe ohne E-Dampfern. «Dies spricht für die Sicherheit von E-Dampfern bei der Rauchstoppberatung in Anbetracht des grossen Umfangs der Studie», sagt Auer. Hingegen wurden mehr milde Nebenwirkungen wie gereizte Atemwege festgestellt. «Dies lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass das Nikotin in E-Dampfern den Hals stärker reizt als in herkömmlichen Zigaretten, die Zusatzstoffe beinhalten, um genau diese Symptome zu mildern», erklärt Auer. Die gesundheitlichen Probleme wie Husten oder Auswurf waren in der Gruppe mit E-Dampfern geringer als in der Kontrollgruppe (41% weniger Husten im Vergleich zu 34%). «Husten und Auswurf sind typische Symptome einer Raucherlunge. Eine Minderung dieser Symptome könnte darauf hindeuten, dass Rauchende, die auf E-Dampfer konsequent umstellen und keinen Tabak mehr konsumieren, langfristig weniger an tabakbedingten Erkrankungen leiden könnten, auch wenn sie weiter E-Dampfer benutzen», erklärt Martin Brutsche, Lungenarzt und Leiter von Studienzentrum in St. Gallen. Laut den Forschenden seien jedoch langfristige Untersuchungen erforderlich, um den gesundheitlichen Nutzen im Vergleich zum Weiterrauchen zu bestätigen. «Die meisten durch Rauchen verursachten Erkrankungen sind nämlich durch giftige und krebserregende Stoffe des Tabaks und nicht durch Nikotin verursacht», so Martin Brutsche weiter.

«Die meisten Raucherinnen und Raucher möchten mit dem Rauchen von Tabakzigaretten aufhören, viele können es aber selbst mit verfügbaren etablierten, wissenschaftlich geprüften Rauchstoppmitteln nicht. Hier könnten E-Dampfer im Rahmen einer klinischen Rauchstopptherapie helfen», ergänzt Isabelle Jacot-Sadowski, die im Lausanner Studienzentrum involviert war.

Möglicher zweistufiger Ansatz bei Nikotinsucht 

Die Forschenden sehen einen pragmatischen Ansatz darin, Raucherinnen und Raucher E-Dampfer zu empfehlen, statt sie mit ihrer Abhängigkeit und den gesundheitlichen Folgen ihres Konsums allein zu lassen. «Durch die Verwendung von E-Dampfern könnten die Raucherinnen und Raucher das Risiko von mit dem Tabakkonsum verbundenen Krankheiten verringern, bis sie sich später entscheiden, auch die Verwendung von Nikotin ganz zu beenden», so Isabelle Jacot-Sadowski. E-Dampfer ermöglichen also einen zweistufigen Ansatz: zuerst das Aufhören mit Tabak und dann das Aufhören mit dem E-Dampfer, und somit mit Nikotin.

Kein einfacher Zugang zu E-Dampfern empfohlen 

E-Dampfer sind nicht risikofrei. Auch wenn E-Dampfer viel weniger toxische Substanzen freisetzen als Tabakzigaretten, setzen sie weiter krebserregende Substanzen frei, und Nikotin kann zu Suchtverhalten führen, insbesondere bei Jugendlichen. Entsprechend wird mit Besorgnis in vielen westlichen Ländern bei Jugendlichen eine starke Zunahme des E-Dampfens beobachtet. «Jugendliche und Nichtraucherinnen und Nichtraucher sollten besser frische Luft einatmen, als zu dampfen. Deshalb ist darauf zu achten, dass der Zugang zu E-Dampfern ausreichend reguliert wird», sagt Auer. Die Forschenden betonen, dass die Studie den Einsatz von E-Dampfern nur bei rauchstoppwilligen Personen und im Zusammenhang mit einer Rauchstoppberatung untersucht hat. «Wir befürworten daher, dass E-Dampfer für Raucherinnen und Raucher im Rahmen von Rauchstoppberatungen vorgeschlagen werden könnten, dass aber Nichtraucherinnen und Nichtraucher keinen einfachen Zugang haben sollten zu E-Dampfern, ebenso wenig zu Tabakzigaretten und anderen nikotinhaltigen Produkten», erklärt Auer.

Publikationsangaben:

Reto Auer et al.: Electronic Nicotine-Delivery Systems for Smoking Cessation, The New England Journal of Medicine, 390:07, 15.2.2024, doi: 10.1056/NEJMoa2308815 (mit Video)

Editorial by Nancy A. Rigotti, M.D.: Electronic Cigarettes for Smoking Cessation – Have We Reached a Tipping Point?, The New England Journal of Medicine, 390:07, 15.2.2024

Die ESTxENDS-Studie

ESTxENDS steht für Efficacy, Safety and Toxicology of Electronic Nicotine Delivery Systems as an Aid for Smoking Cessation. Die Untersuchungsphase fand 2021 statt. Dabei wurden 1246 erwachsene Raucherinnen und Raucher, die mindestens fünf Tabakzigaretten pro Tag rauchen und die bereit waren, ein Aufhördatum festzulegen, in fünf Studienzentren in der Schweiz (Bern, Genf, Lausanne, Zürich und St. Gallen) einbezogen, was sie zur bisher weltweit grössten veröffentlichten Studie macht. Die eine Hälfte der Gruppe erhielt für ihren Rauchstopp E-Dampfer und verschiedene E-Liquids zur Auswahl zusätzlich zu einer Rauchentwöhnungstherapie, während die andere Hälfte einen Rauchstopp mittels herkömmlicher Rauchentwöhnungsmassnahmen durchführte. Die herkömmlichen Massnahmen umfassen unter anderem Beratung, verhaltensorientierte Unterstützung, Motivationsgespräche und Empfehlungen, Arzneimittel sowie Nikotinersatztherapie zu nutzen. Die meisten Teilnehmenden waren mittleren Alters, 47% davon Frauen. Sie wurden sechs Monate nach ihrem angestrebten Rauchstopp-Datum zu einem Besuch in einem der klinischen Studienzentren aufgeboten, wo unter anderem Daten zu ihrem Rauchstopp-Status sowie Nebenwirkungen erhoben wurden.

Die ESTxENDS-Forschungsgruppe wurde vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF), dem Tabakpräventionsfonds (TPF), der Krebsforschung Schweiz (KFS) und LungeZürich gefördert. Die Studie wird fortgeführt: Sie erhielt 2023 eine weitere Finanzierung vom Schweizerischen Nationalfonds, um die Untersuchung auf fünf Jahre auszudehnen, was zurzeit die längste Überwachungsperiode für Studien zu diesem Thema weltweit ist. Nach den ersten Ergebnissen nach sechs Monaten werden später noch die Ergebnisse der Analysen der Klinik-Besuche der Teilnehmenden nach 12 und 24 Monaten sowie die Ergebnisse von Fragebögen und weiteren Untersuchungen veröffentlicht.

Weitere Informationen

Studienzentren und Finanzierungsquellen, die an der ESTxENDS-Studie beteiligt sind:

Studienleitung und Koordination: Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM), Universität Bern

Studienzentren:

  • Bern: Klinik für Allgemeine Innere Medizin (KAIM), Inselspital
  • Genf: Unité des dépendances en médecine de premier recours (UDMPR), Hôpitaux Universitaires Genevois (HUG)
  • Lausanne: Unisanté, Universitätszentrum für Allgemeinmedizin und Gesundheitswesen
  • St. Gallen: Klinik für Pneumologie und Schlafmedizin, Kantonsspital St.Gallen (KSSG)
  • Zürich: Epidemiology, Biostatistics and Prevention Institute (EBMI), Universität Zürich und Arud Zentrum für Suchtmedizin

Weitere Institute:

  • Studienlabor (Toxikologie): Centre universitaire de médecine générale et santé publique, (Unisanté)
  • Studien-Support: Clinical Trials Unit (CTU), Universität Bern

Finanzierung: Schweizerischer Nationalfonds (SNF), Tabakpräventionsfonds (TPF), Krebsforschung Schweiz (KFS) und LungeZürich

Berner Institut für Hausarztmedizin BIHAM 

Das BIHAM engagiert sich für die Ausbildung und Förderung der nächsten Generation von Hausärztinnen und Hausärzten, Forschenden sowie Lehrkräften in der Grundversorgung und verwandten Bereichen. Es liefert die akademischen Grundlagen und Voraussetzungen für eine evidenzbasierte, sichere, patientenzentrierte, datengestützte und nachhaltige Gesundheitsversorgung auf kantonaler und nationaler Ebene. Es führt qualitativ hochwertige Forschung in der Primärversorgung und verwandten Bereichen durch, fördert die Zusammenarbeit auf kantonaler, nationaler und internationaler Ebene für Forschung, Lehre und Weiterbildung und verpflichtet sich unter anderem zur Vermeidung von Ressourcenverschwendung in Forschung und Lehre.

www.biham.unibe.ch