Darmspiegelung zur Krebsfrüherkennung: Längerer Zeitabstand zwischen zwei Untersuchungen möglich

Forschende am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg und am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben ermittelt, welche Frist zwischen zwei aufeinanderfolgenden Koloskopien die beste Früherkennung von Darmkrebs bringt. Demnach kann der Zeitabstand möglicherweise über die bisher empfohlenen zehn Jahre hinaus auf 15 Jahre vergrößert werden, wenn die erste Untersuchung unauffällig ist. Auch für Menschen mit Darmkrebs im Familienkreis kann jetzt mit acht Jahren Zeitabstand eine genauere Empfehlung gegeben werden. Diese Ergebnisse sollen dazu beitragen, eine stärker personalisierte Strategie für die Darmkrebsvorsorge zu entwickeln.

Das NCT Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD).

Die Koloskopie – die Darmspiegelung – ist das wichtigste Vorsorgeinstrument, um Dickdarmkrebs früh zu erkennen und behandeln zu können. Gesetzlich Krankenversicherte haben in Deutschland einen Anspruch auf die Darmspiegelung – Frauen ab dem 55. Lebensjahr, Männer bereits ab 50 Jahren. Bei unauffälligem Befund wird ein zeitlicher Abstand von zehn Jahren bis zur nächsten Untersuchung empfohlen, sofern keine Beschwerden auftreten.

Forschende am NCT Heidelberg und am DKFZ haben gemeinsam mit schwedischen Kollegen untersucht, ob sich in Abhängigkeit von den persönlichen Risiken genauere Empfehlungen für die Abstände zwischen zwei aufeinanderfolgenden Koloskopien geben lassen. Dabei standen in zwei Studien zwei Personenkreise im Fokus ihres Interesses.

In ihrer ersten Studie untersuchten die Epidemiologen für Menschen ohne familiäre Vorbelastung, inwieweit das Zehn-Jahres-Intervall verlängert werden sollte, wenn die erste Darmspiegelung unauffällig war. Dazu nutzten sie die landesweiten schwedischen Koloskopiedaten, die weltweit größte Datensammlung zu familiären Krebserkrankungen, die mehr als zwölf Millionen Menschen über mehrere Jahrzehnte hinweg umfasst.

Mahdi Fallah, Leiter der Arbeitsgruppe Risikoadaptierte Krebsprävention, Abteilung Präventive Onkologie, NCT Heidelberg und DKFZ, sagt: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei Menschen ohne familiäre Vorbelastung und mit unauffälligem Befund bei der Erstuntersuchung das Intervall zwischen Darmspiegelungen möglicherweise auf 15 Jahre verlängert werden könnte.“ Durch diese Verlängerung würden nur sehr wenige Darmkrebsfälle übersehen (1,4 pro 1.000 Personen), aber es könnte für jede Person etwa eine unnötige Darmspiegelung vermieden werden.

Die zweite Studie drehte sich um den richtigen Zeitpunkt der zweiten Darmspiegelung bei Menschen, bei denen bei einem Verwandten ersten Grades im Alter ab 60 Jahren Darmkrebs diagnostiziert wurde. Das gilt für die Mehrheit der Personen mit familiärer Vorbelastung. Sie haben relativ hohes Erkrankungsrisiko – gleichzeitig gibt es für sie bisher keine einheitlichen Vorsorgeempfehlungen.

„Wir konnten die Daten von fast 15.000 Menschen mit familiärer Vorgeschichte von Darmkrebs in Schweden untersuchen, deren erste Darmspiegelung keinen krankhaften Befund ergeben hatte. Wir schließen daraus, dass Menschen, mit einem Verwandten ersten Grades, der ab 60 Jahren an Darmkrebs erkrankt war, die Darmspiegelung acht Jahre nach der ersten unauffälligen Untersuchung wiederholen sollten“, sagt Mahdi Fallah. „Diese Ergebnisse sind vielversprechend für einen stärker personalisierten Ansatz bei der Darmkrebsvorsorge.“

Die Acht-Jahres-Empfehlung stützt sich auf zwei Beobachtungen: Erstens hatten Personen mit einer ersten unauffälligen Koloskopie über einen Zeitraum von acht Jahren ein deutlich geringeres Darmkrebsrisiko als Mitglieder der Kontrollgruppe mit familiärem Risiko aber ohne Darmspiegelung. Zweitens hatten die Personen mit familiärer Vorbelastung und einem ersten unauffälligen Befund über acht Jahre hinweg sogar ein geringeres Erkrankungsrisiko als nicht vorbelastete Menschen, die keine Koloskopie wahrgenommen hatten. Darüber hinaus kann das Acht-Jahres-Intervall im Vergleich zum Fünf-Jahres-Intervall etwa zwei Koloskopien pro Lebenszeit einsparen, wobei nur eine sehr geringe Zahl von Darmkrebsfällen (1,7 pro 1.000 Personen) übersehen wird.

„Grundsätzlich wollen wir herausfinden, welche Screening-Intervalle am besten an die persönlichen Risiken angepasst sind. Dabei streben wir an, so wenig Befunde wie möglich zu übersehen – gleichzeitig die Menschen nicht mit unnötigen Untersuchungen zu belasten. Diesem Ziel sind wir mit unseren neuen Empfehlungen ein gutes Stück nähergekommen“; sagt Mahdi Fallah.

Publikationen:
Qunfeng Liang, Trasias Mukama, Kristina Sundquist, Jan Sundquist, Hermann Brenner, Elham Kharazmi, Mahdi Fallah: Longer Interval Between First Colonoscopy With Negative Findings for Colorectal Cancer and Repeat Colonoscopy; JAMA Oncology (2024);
https://doi.org/10.1001/jamaoncol.2024.0827

Qunfeng Liang, Kristina Sundquist, Jan Sundquist, Hermann Brenner, Elham Kharazmi, Mahdi Fallah: Colonoscopy screening interval in relatives of patients with late-onset
colorectal cancer: A nationwide matched cohort study; Science Bulletin 69 (2024) 732–736;
https://doi.org/10.1016/j.scib.2024.01.008

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
• Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
• Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
• Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
• Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
• DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
• Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)

Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg

Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe. Ziel des NCT Heidelberg ist es, vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung möglichst schnell in die Klinik zu übertragen und damit den Patienten zugutekommen zu lassen. Dies gilt sowohl für die Diagnose als auch die Behandlung, in der Nachsorge oder der Prävention. Die Tumorambulanz ist das Herzstück des NCT. Hier profitieren die Patienten von einem individuellen Therapieplan, den fachübergreifende Expertenrunden, die sogenannten Tumorboards, erstellen. Die Teilnahme an klinischen Studien eröffnet den Zugang zu innovativen Therapien. Das NCT Heidelberg ist somit eine richtungsweisende Plattform zur Übertragung neuer Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik. Das NCT Heidelberg kooperiert mit Selbsthilfegruppen und unterstützt diese in ihrer Arbeit. In Heidelberg wurde 2017 das Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) gegründet. Die Kinderonkologen am KiTZ arbeiten in gemeinsamen Strukturen mit dem NCT Heidelberg zusammen.

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg: Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang

Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für Patientinnen und Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 14.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit rund 2.500 Betten werden jährlich circa 86.000 Patientinnen und Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.100.000 Patientinnen und Patienten ambulant behandelt.

Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) hat das UKHD das erste Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg etabliert. Ziel ist die Versorgung auf höchstem Niveau als onkologisches Spitzenzentrum und der schnelle Transfer vielversprechender Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik. Zudem betreibt das UKHD gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter.

Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) rund 4.000 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion.