Molekulare „Landkarte“ der Krebsarten im Kindesalter

Forschern unter der Leitung von Professor Stefan Pfister vom „Hopp-Kindertumorzentrum am NCT Heidelberg“ (KiTZ) ist es gelungen, eine besonders detaillierte molekulare „Landkarte“ kindlicher Krebserkrankungen zu zeichnen. In enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebskonsortium (DKTK) und der Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) haben sie fast tausend Tumorproben von24 Krebsarten nach genetischen Veränderungen durchsucht und diese klassifiziert. In der Hälfte der Proben fanden sie Angriffspunkte für neuartige Krebsmedikamente, wodurch sich neue Therapieansätze ergeben. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „Nature“ veröffentlicht.

Das Hopp-Kindertumorzentrum am NCT Heidelberg (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Universitätsklinikums Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).

In der Kinderkrebsmedizin sind umfassende molekulargenetische Datenanalysen wegen der relativ kleinen Patientenzahlen bisher eher selten. Um die Chancen krebskranker Kinder weiter zu verbessern, würden sie allerdings dringend gebraucht. Noch immer überleben rund 20 Prozent der jungen Patienten ihre Krankheit nicht. Hinzu kommt, dass sich Erkenntnisse über die Tumoren Erwachsener nicht ohne weiteres auf Kinder und Jugendliche übertragen lassen.

Das genetische Repertoire kindlicher Krebserkrankungen aufgezeichnet Mit dem Ziel, neue Diagnose- und Therapieansätze für krebskranke Kinder zu identifizieren, haben Heidelberger Wissenschaftler vom KiTZ gemeinsam mit Kollegen aus DKFZ, DKTK, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) und Universitätsklinikum Heidelberg zusammen mit spezialisierten Forscherteams der Gesellschaft für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie (GPOH) das genetische Repertoire kindlicher Tumoren untersucht: Sowohl punktuelle DNA-Mutationen als auch größere strukturelle Veränderungen nahmen die Forscher mit Hilfe modernster DNA-Sequenzierungstechnologie und umfassenden Datenanalysen unter die Lupe — und das bei insgesamt 961 Gewebeproben von 24 unterschiedlichen Krebsarten.

„Es stellte sich heraus, dass etwa in der Hälfte der Patienten genetische Abweichungen die Krebszellen so verändern, dass sie potenzielle Angriffspunkte für sogenannte zielgerichtete Krebsmedikamente sind“, so Marc Zapatka, Gruppenleiter der Bioinformatik in der Abteilung Molekulare Genetik des DKFZ. Und Stefan Pfister, Wissenschaftler am DKFZ, Oberarzt am Universitätsklinikum Heidelberg und Direktor des Präklinischen Programmes am KiTZ, ergänzt: „Das ist ein ermutigendes Ergebnis, da es bedeutet, dass es eventuell bereits Wirkstoffe gibt, die an diesen Stellen ansetzen und damit neue Behandlungsoptionen für die betroffenen Patienten darstellen könnten.“ Er fügt hinzu: „Die meisten dieser Medikamente wurden bisher nicht an Kindern geprüft. Ob sie auch bei jungen Patienten sicher und effektiv wirken, muss sich daher erst noch zeigen.“

In etwa sieben Prozent aller Fälle fanden die Wissenschaftler erbliche Veränderungen, die vermutlich zur Tumorentstehung bei diesen Patienten beigetragen haben. Diese sogenannten Keimbahnmutationen wurden entweder von einem Elternteil weitergegeben oder entstanden bereits ganz am Anfang der Embryonalentwicklung und kommen deshalb in jeder einzelnen Körperzelle des Patienten vor. Sie werden an die Folgegeneration weitervererbt. Patienten mit erblichen Krebserkrankungen benötigen eine besondere Aufmerksamkeit, weil sie häufig anders behandelt werden müssen als Patienten mit derselben Krebsart, die keine erbliche Veranlagung haben.

„Verglichen mit Tumoren im Erwachsenenalter zeigten die Untersuchungen große Unterschiede in der Art und Häufigkeit der mutierten Gene“, erklärt Lukas Chavez, ehemaliger KiTZ Mitarbeiter und Gruppenleiter in der Abteilung Pädiatrische Neuroonkologie des DKFZ. „Dies bestätigt einmal mehr, dass die Tumorentwicklung bei Kindern grundlegend anders verläuft als bei Erwachsenen“, so Pfister. „Und es zeigt uns darüber hinaus, dass wir auch bei der Entwicklung zielgerichteter Therapien bei Kindern anders vorgehen müssen als bei Erwachsenen. Wir bräuchten in vielen Fällen sicher auch eigens für Kinder entwickelte Medikamente.“

Die Daten sind auf www.pedpancan.com frei zugänglich. Kollegen des St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis, USA, veröffentlichten weitere molekulare Daten zu kindlichen Krebsarten gleichzeitig mit der Heidelberger Studie in Nature. Daten beider Studien sind auf dem St Jude PeCan Portal (https://pecan.stjude.org/home) zugänglich „Die beiden Studien, die in enger Zusammenarbeit aller Forscherteams entstanden, ergänzen sich und bilden gemeinsam die molekulare Vielfalt kindlicher Krebserkrankungen nahezu komplett ab“, erklärt Pfister. „Wir denken, dass die Daten eine wertvolle Quelle für die kinderonkologische Forschung darstellen und dazu beitragen können, die Heilungschancen junger Krebspatienten zu verbessern.“

Das Projekt wurde maßgeblich unterstützt von dem Deutschen Krebskonsortium (DKTK), der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Kinderkrebsstiftung.

Originalpublikationen:
Gröbner et al. The landscape of genomic alterations across childhood cancers. In: NATURE, Online publication 28th February 2018; DOI: 10.1038/nature25480
Ma et al. Mutational Landscape of the Genomes and Transcriptomes of 1,699 Pediatric Cancers. Online publication 28th February 2018; DOI: 10.1038/nature25795

Ein Bild zur Pressemitteilung steht zum Download zur Verfügung:
http://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2018/bilder/PedPanCan_SGroebner_D.jpg
Bildunterschrift: Die Vielfalt kindlicher Krebsarten

Nutzungshinweis für Bildmaterial zu Pressemitteilungen Die Nutzung ist kostenlos. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) gestattet die einmalige Verwendung in Zusammenhang mit der Berichterstattung über das Thema der Pressemitteilung bzw. über das DKFZ allgemein. Bitte geben Sie als Bildnachweis an: „Quelle: Susanne Gröbner, KiTZ“ Eine Weitergabe des Bildmaterials an Dritte ist nur nach vorheriger Rücksprache mit der DKFZ-Pressestelle (Tel. 06221 42 2854, E-Mail: presse@dkfz.de) gestattet. Eine Nutzung zu kommerziellen Zwecken ist untersagt.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Das Hopp-Kindertumorzentrum am NCT Heidelberg (KiTZ) Das „Hopp-Kindertumorzentrum am NCT Heidelberg“ (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Universitätsklinikums Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Das KiTZ ist gleichzeitig Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Es verfolgt das Ziel, die Biologie kindlicher Krebserkrankungen wissenschaftlich zu ergründen und vielversprechende Forschungsansätze eng mit der Patientenversorgung zu verknüpfen – von der Diagnose über die Behandlung bis hin zur Nachsorge. Krebskranke Kinder, gerade auch diejenigen, für die keine etablierten Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen, bekommen im KiTZ einen individuellen Therapieplan, den Experten verschiedener Disziplinen in Tumorkonferenzen gemeinsam erstellen. Viele junge Patienten können an klinischen Studien teilnehmen und erhalten damit Zugang zu neuen Therapieoptionen. Beim Übertragen von Forschungserkenntnissen aus dem Labor in die Klinik übernimmt das KiTZ damit Vorbildfunktion.