Multiple Sklerose

MS-Patienten haben gesteigertes Risiko für Infektionen durch Krankheit und Therapie

Original Titel:
Infections in patients with multiple sclerosis: Implications for disease-modifying therapy

Patienten, die an Multipler Sklerose erkrankt sind, haben ein erhöhtes Infektrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Dabei handelt sich meistens um Infekte der Harnwege, der oberen Atemwege und der Lunge. Diese Infekte laufen außerdem meistens schwerer ab, weswegen MS-Patienten öfter intensivmedizinisch behandelt werden müssen im Zusammenhang mit einer Infektion. Infektionen sind die Haupttodesursache bei MS-Patienten. Außerdem konnten Forscher zeigen, dass nach einem viralen Infekt das Risiko für einen Schub steigt.

Krankheitserreger haben bei manchen MS-Patienten leichteres Spiel

Die Ursache für das höhere Infektrisiko und den schwereren Verlauf sind hauptsächlich körperliche Einschränkungen aufgrund der Autoimmunerkrankung. Krankheitserreger haben bei MS-Patienten leichteres Spiel, wenn die Blasen- oder Lungenfunktion gestört ist. Durch Infektionen und Fieber können sich die Symptome einer MS verschlechtern, besonders bei Patienten mit einer bereits fortgeschrittenen Erkrankung. Es kann passieren, dass die Verschlechterungen nur teilweise wieder abklingen. Neben der Behandlung des Infekts ist daher besonders auch die Vorbeugung wichtig. Sportliche Betätigung oder Physiotherapie können helfen, die Lungenfunktion zu verbessern oder zu erhalten, wenn die Atemmuskulatur aufgrund der MS geschwächt ist. Um Harnwegsinfekte zu vermeiden, ist es wichtig, dass sich die Blase vollständig entleeren kann. Ist das durch eine Funktionsstörung nicht mehr der Fall, kann die Behandlung mit Medikamenten helfen. Infektionen zu vermeiden.

Infektionen können Pseudoschub auslösen

Wenn sich ein Patient mit neuen neurologischen Symptomen seinem Arzt vorstellt, sollte dieser das Vorhandensein einer Infektion ausschließen. Zum einen können Infektionen, besonders mit Fieber, aber auch Hitzebelastungen durch Sport, Sauna oder Ähnliches, und Stress zu einem sogenannten „Pseudoschub“ führen. Dabei verschlechtern sich bestehende MS-Symptome oder vorherige Symptome werden reaktiviert. Die Symptome eines Pseudoschubs bilden sich aber innerhalb von 24 Stunden wieder vollständig zurück. Zum anderen sorgt die Standardbehandlung eines MS-Schubs mit Glukokortikosteroiden (Kortison) dafür, dass Anzeichen eines Infekts bzw. einer Verschlechterung einer bisher versteckten Infektion nicht erkannt werden, da das Kortison das Entzündungsgeschehen im Körper unterdrückt. So kann sich eine Infektion leicht im Körper ausbreiten.

Krankheitsmodifizierende Therapien tragen zum erhöhten Infektionsrisiko bei

Aber auch krankheitsmodifizierende Therapien tragen zum erhöhten Infektionsrisiko von MS-Patienten bei. Krankheitsmodifizierende Therapien sollen den Verlauf der Erkrankung verändern und so Schübe verhindern oder zumindest abmildern. Ziel ist es, dass die MS langsamer voranschreitet. Die dafür eingesetzten Medikamente greifen daher in das ‚fehlprogrammierte‘ Immunsystem ein. Die Wirkstoffe wirken immunmodulierend (Verändern der Reaktion des Immunsystems) und/oder immunsuppressiv (Unterdrückung der normalen Funktion des Immunsystems). Durch die Veränderungen im Immunsystem haben es aber auch je nach Wirkungsweise Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten einfacher, das Immunsystem der Patienten zu überwinden.

Neue Wirkstoffe- neue Risiken?

Krankheitsmodifizierende Therapien gibt es bereits seit etwa 20 Jahren, in den letzten Jahren sind aber weitere, hochwirksame Wirkstoffe dazu gekommen. Diese haben aber auch möglicherweise stärkere Nebenwirkungen als krankheitsmodifizierende Wirkstoffe der ersten Stunde wie Interferone und Glatiramerazetat (GLAT). Auch könnte sich das Infektionsrisiko erhöhen, wenn das Immunsystem an mehreren Stellen geschwächt wird. Dies könnte der Fall sein, wenn aufgrund eines Fortschreitens der Erkrankung mit unterschiedlichen neuen krankheitsmodifizierenden Wirkstoffen nacheinander folgend behandelt wird. Ein Beispiel dafür könnte sein, dass Patienten, die vor einer Behandlung mit Natalizumab bereits mit immunsuppressiv wirkenden Medikamenten behandelt wurden, ein höheres Risiko haben, an einer schweren viralen Hirninfektion (progressive multifokale Leukenzephalopathie, PML) zu erkranken, als andere Patienten. Ob sich die Wirkung von verschiedenen krankheitsmodifizierenden Therapien aufsummiert ist aber noch nicht wissenschaftlich geklärt.

Daher ist es wichtig, dass bei der Wahl der krankheitsmodifizierenden Therapie einer MS die Krankheitsaktivität, das Alter und vorhandene Begleiterkrankungen berücksichtigt werden. Gerade bei Patienten mit vorbestehenden Infektionen, oder bei denen zuvor während der Therapie durch eine Infektion Komplikationen auftraten, ist besondere Umsicht gefragt.

© Alle Rechte: HealthCom