Implantate aus dem 3D-Drucker

Neues Zentrum für additive Fertigung in der Medizintechnik

Der 3D-Druck findet Einzug in die industrielle Fertigung. Auch in der Medizintechnik werden diese Technologie sowie die zunehmende Digitalisierung der Design- und Herstellungsprozesse – Stichwort «Industrie 4.0» – künftig eine zentrale Rolle spielen. Ein neues Technologietransferzentrum im Kanton Solothurn soll helfen, das Know-How von der Wissenschaft in die Industrie zu bringen – und gleichzeitig die Forschung zu beschleunigen.

Die additive Fertigung, auch 3D-Druck genannt, gewinnt immer mehr an Bedeutung in Industrie und Wissenschaft. Ihr grosser Vorteil ist, dass sich durch den schichtweisen Aufbau anhand eines digitalen Modells komplexe Formen realisieren und sich auch Einzelstücke wirtschaftlich herstellen lassen. Das macht die Fertigungsmethode für die Medizintechnik äusserst interessant. Denn jeder Körper ist einzigartig – was liegt also näher, als beispielsweise ein Implantat massgeschneidert zu drucken?

Doch die additive Fertigung ist eine komplexe Aufgabe – gerade im medizinischen Bereich. Es braucht viel Fachwissen, etwa über die verwendeten Materialien, den Fertigungsprozess und die Nachbearbeitung der gedruckten Teile, die Software, die beim Design und bei der Herstellung des Implantats eingesetzt wird, sowie über den menschlichen Körper und den chirurgischen Eingriff. Hinzu kommen rechtliche Fragen, ganz zu schweigen von den hohen Kosten einer solchen Anlage – insbesondere, da die Herstellung von Medizinprodukten validiert und entsprechend einem zertifizierten Prozess ablaufen muss. Für viele Schweizer KMUs im Medtech-Bereich sind die Hürden daher zurzeit zu gross, sich in diese neue Welt zu wagen. Damit riskieren sie aber, den Anschluss an die internationale Konkurrenz zu verlieren.

Vom Labor in die Industrie

Dies soll sich künftig ändern: In Bettlach im Kanton Solothurn entsteht ein neues Zentrum für den Transfer von neuen Fertigungstechnologien für medizinische Anwendungen in die Medtech-Industrie. Das Zentrum namens «Swiss m4m Center» ist kein Forschungsinstitut im eigentlichen Sinn, es soll vielmehr dem Wissens- und Technologietransfer dienen. «Um neue Technologien erfolgreich in die Industrie zu überführen, sind einerseits die Erfahrung der Industrie, andererseits aber auch neue Materialien und Erkenntnisse aus der Forschung notwendig. Die Herausforderung besteht darin, beides zusammenzuführen. Genau dies wollen wir mit dem neuen Zentrum  in einer für die Schweiz wichtigen Branche, der Medizinaltechnik, erreichen», erklärt Pierangelo Gröning, Mitglied der Empa-Direktion und Initiant des «Swiss m4m Center».

Im neuen Zentrum werden Anlagen stehen, mit denen Implantate und andere Medizinprodukte mit den gleichen Fertigungsverfahren hergestellt werden wie in einer industriellen Produktion. Das soll die Lücke zwischen Forschung und Industrie schliessen. Sowohl Unternehmen als auch Forschungsinstitutionen können die Infrastruktur und Dienstleistungen des Zentrums für sich buchen und nutzen. Das Zentrum wird in Form einer «Public-Private Partnership» aufgebaut und sowohl durch öffentliche Gelder als auch durch Unternehmen der Privatwirtschaft finanziert und betrieben. Beteiligt sind zahlreiche Partner aus Forschung, Spitälern und Privatwirtschaft. Zu letzteren gehört unter anderem das Bettlacher Medtech-Unternehmen 41medical, auf dessen Gelände das Zentrum realisiert wird. Das Zentrum soll Ende 2019 den Betrieb aufnehmen. Auch die beiden Kantone Bern und Solothurn sind in das Projekt involviert.

Weitere Zentren geplant

Technologietransferzentren mit Pilotproduktionsanlagen, die von Forschung und Industrie gleichermassen genutzt werden und den Innovationsstandort Schweiz weiterbringen sollen, sind eine einleuchtende Idee. Das «Swiss m4m Center» soll daher hier zu Lande auch nicht das einzige bleiben: Um die Lücke in der Technologieentwicklung zwischen Forschung und Industrie zu schliessen und die Schweiz langfristig als modernen und qualitativ hochstehenden Produktionsstandort zu erhalten, wurde die Allianz für «Advanced Manufacturing Technology Transfer Centers» (kurz AM-TTC) ins Leben gerufen. Sie ist Teil des Aktionsplans «Digitalisierung» des Bundes und hat zum Ziel, ein Netzwerk und eine Allianz von Technologietransferzentren zu betreiben, die einen offenen Zugang zu ihrer jeweiligen Infrastruktur bieten. Bis heute sind neben dem «Swiss m4m Center» elf weitere Zentren angedacht und in Planung. Die Themen reichen dabei von der Herstellung von Batteriezellen bis hin zum Einsatz digitaler Fertigungstechnologien und Robotern im Bauwesen.

Mit 3D-Druck in die Zukunft

Der 3D-Druck bietet zahlreichen Branchen enorme Vorteile – und Forschern spannende Herausforderungen. Die Empa baut daher ihre führende Rolle im Bereich der additiven Fertigungstechnologien weiter aus. Neben dem «Swiss m4m Center» und dem bereits 2016 eröffneten «Coating Competence Center» auf dem Empa-Campus in Dübendorf, das verschiedene 3D-Druckanlagen für Forschungszwecke beherbergt, entsteht in Thun derzeit ein Kompetenzzentrum für additive Fertigung von metallischen Legierungen.

Informationsanlass

Am 19. Februar bietet sich interessierten Personen und Unternehmen die Gelegenheit, mehr über das «Swiss m4m Center» und den 3D-Druck für patientenspezifische Implantate zu erfahren. Experten erklären den Stand der Technik und die Möglichkeiten der additiven Fertigung von metallischen Werkstoffen für medizinische Anwendungen.
Ort: Altes Spital, Solothurn
Datum: Dienstag, 19. Februar 2019, 16:00-19:00
Details zum Programm sowie die Möglichkeit zur Online-Anmeldung finden Sie unter www.empa-akademie.ch/3D-Druck.
Die Teilnahme ist kostenlos.