Multiple Sklerose

Impfung gegen MS – Möglichkeit für neue Therapie in der Zukunft?

Original Titel:
Natural and induced immunization against CCL20 ameliorate experimental autoimmune encephalitis and may confer protection against multiple sclerosis.

MedWissBestimmte Botenstoffe helfen Immunzellen den Weg zum Einsatzort zu finden. Bei MS werden sie in eine falsche Richtung gelockt. Israelische Forscher wollen das verhindern – mit einer Impfung gegen MS.


Um auf krankmachende Mikroben schnell reagieren zu können, hat der menschliche Körper eine Abwehr aus Wachen, Informanten und Kämpfern aufgebaut. Damit die unterschiedlichen Zellen des Immunsystems miteinander kommunizieren können, besitzen sie Rezeptoren auf ihrer Oberfläche, an die Botenstoffe binden können und so Signale übertragen.

Chemokine steuern Bewegungen von Zellen

Eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Eindringlingen spielen ein Rezeptor, CCR6, und der daran bindende Botenstoff, ein sogenannter Ligand namens CCL20. Diese beiden gehören zu einer Gruppe von Rezeptoren und Botenstoffen, die die Bewegung von Zellen anregt, den Chemokinen.

Fehlgesteuerte T-Helferzellen locken Immunzellen in das zentrale Nervensystem

Chemokine steuern die Bewegungen von Spermien, auswachsende Nervenzellen, aber auch der Zellen der Immunabwehr, die sich ihren Weg im Gewebe bahnen müssen. So aktivieren CCR6-CCL20 gemeinsam eine Gruppe von Abwehrzellen, die T-Helferzellen. Eine spezielle Unterform der T-Helferzellen fördert bei Multipler Sklerose Schäden an den Nervenzellen. Sie produzieren vermehrt den Botenstoff CCL20, der dadurch verstärkt andere T-Zellen anlockt. Dies ist ein normaler Vorgang, doch bei Multipler Sklerose erkennen fehlgesteuerte T-Helferzellen Bestandteile von Nervenzellen als fremd und lockern vermehrt Immunzellen in das zentrale Nervensystem, die dann wiederrum die Nervenzellen angreifen können.

Regulation der Konzentration des Botenstoffs durch das Immunsystem selbst anregen

Dr. Peled vom Goldyne Savad Institut für Gentherapie in Ness Ziona, Israel, und Kollegen untersuchten an Mäusen, die an einer Art MS leiden, der experimentellen Autoimmunenzephalomyelitis, ob ein Abfangen des Botenstoffs CCL20 den erkrankten Tieren helfen könnte. Dazu nutzten sie die Immunabwehr selbst: Sie impften Mäuse mit zwei Varianten von CCL20. Dadurch sollte das Immunsystem auf CCL20 reagieren und es aus dem Blut entfernen. Weiter wurde untersucht, ob die Erkrankung der Tiere positiv auf diese Impfung ansprach.

Je mehr Antikörper gegen den Botenstoff, desto milder war Mäuse-MS

Die Forscher fanden, dass sich tatsächlich die Maus-Multiple Sklerose abhängig von den Chemokinen entwickelte. Eine Impfung mit einer der Testsubstanzen bewirkte, dass Tiere Antikörper gegen die Mausvariante von CCL20 ausbildeten. Diese Tiere zeigten sich geschützt vor dem Ausbruch der durch eine spezielle Substanz (myelin oligodendrocyte glycoprotein, MOG) ausgelösten Erkrankung oder zeigten einen milderen Verlauf. Je mehr Antikörper gegen CCL20 die Tiere im Blut aufwiesen, desto geringer ausgeprägt war die Erkrankung bei ihnen. Dieser Schutz konnte mittels Bluttransfer auf weitere Tiere übertragen werden.

Synthetisches Eiweißmolekül hatte den gleichen Effekt bei Impfung

Die Forscher entwickelten außerdem auch ein spezielles ringförmiges Eiweiß aus Elementen bakterieller Außenwände, die sich besonders gut zur Medikamentenentwicklung eignen. Diese Wandelemente ähneln auch dem als wirksam gefundenen Impfstoff. Bei Impfung mit diesem Eiweißring, reagierte die Mausabwehr tatsächlich ebenfalls. Sie bildete Antikörper gegen CCL20, die Bakterienwände und das ringförmige Eiweiß selbst. Im Labortest zeigte sich, dass diese neue Substanz das Potential hat, die Aktivität von CCL20 zu hemmen. Im Tierversuch milderte sie die Maus-Multiple Sklerose ab. Antikörper gegen einen anderes Chemokin, CXCL10, zeigten keine solche Wirkung.

Ähnlicher Mechanismus auch beim Menschen denkbar

Besonders spannend ist in dem Zusammenhang, dass bei gesunden Menschen erhöhte Antikörperkonzentrationen gegen CCL20 im Vergleich zu Multiple Sklerose-Patienten gefunden wurden. Hier scheint also eine bessere Regulation des Botenstoffes vorzuliegen. Die Maus-Methode könnte also im Prinzip sehr ähnlich auch beim Menschen funktionieren. Diese Ergebnisse lassen hoffen, dass dieser Ansatz der Impfung gegen einen wahrscheinlichen Faktor bei der Multiplen Sklerose nicht nur eine neue alternative Behandlung ermöglicht, sondern in der Zukunft sogar den Ausbruch der Erkrankung komplett verhindern könnte.

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