Erbgutschnipsel beeinflussen Gehirnmerkmale

Studie zur genetischen Architektur der Großhirnrinde

Jülich / Los Angeles / Herston, 20. März 2020 – Wissenschaftler haben erforscht, welchen Einfluss Gene auf die Ausformung der menschlichen Hirnstruktur haben. Es gelang ihnen, über 300 Stellen im menschlichen Genom zu identifizieren, die wesentlichen Einfluss auf die Ausbildung der Struktur des Gehirns haben. Die internationale Studie, an der mehr als 360 Wissenschaftler aus 184 Zentren beteiligt waren, wertete Daten von über 50.000 Menschen aus, und konnte zeigen, dass es Zusammenhänge gibt zwischen Struktur der Großhirnrinde und Hirnfunktion – und auch zu Krankheiten wie etwa Parkinson, ADHS, Depressionen und Schlaflosigkeit. Die Studie wurde heute im renommierten Fachmagazin Science veröffentlicht.

Die Großhirnrinde – oder auch zerebraler Kortex – bildet die äußere Nervenzellschicht unseres Gehirns. Sie ist zwischen 2 und 5 Millimeter dick und ist zuständig für Geruch, Gehör und Sprache, Tastsinn und Geschmack, Sehen, Bewegung, Sprache und Denkvorgänge. Die Großhirnrinde ist die Grundlage unserer komplexen kognitiven Fähigkeiten.

Man weiß, dass die Unterschiede im Aufbau der Großhirnrinde zwischen einzelnen Menschen, speziell in ihrer Oberfläche und Dicke, Einfluss auf unsere neurologischen und psychologischen Merkmale sowie unser Verhalten haben. Welche genetischen Faktoren diese Variabilität der Großhirnrinde aber beeinflussen, war bisher systematisch noch nicht untersucht worden.

Das internationale Forscherkonsortium ENIGMA (Enhancing Neuro Imaging Genetics through Meta-Analysis) hat eine großangelegte Untersuchung durchgeführt, wie genetische Varianten die Struktur der Großhirnrinde beeinflussen. Die Wissenschaftler analysierten Hirnscan-Aufnahmen von 51.665 erwachsenen Menschen, aus denen Daten zur Oberfläche und Dicke in 34 unterschiedlichen Regionen der Großhirnrinde ermittelt wurden. Die Forscher glichen diese Daten, die aus 60 bevölkerungsbasierten Kohortenstudien stammten – unter anderen der 1000-Gehirne-Studie des Forschungszentrums Jülich – an jeweils bis zu 10 Millionen variablen Stellen des Genoms miteinander ab.

Suche nach dem Einfluss von genetischen Faktoren auf strukturelle Merkmale der Großhirnrinde: Unterschiede in der Oberfläche und Dicke der Hirnrinde wurden mit Magnetresonanztomografie in zehntausenden Erwachsenen gemessen und gemeinsam mit Millionen von DNA-Bausteinen statistisch analysiert. Die Assoziation zwischen zwei Bausteinen (SNPs) und zwei Regionen ist farblich exemplarisch hervorgehoben. Das Gehirnbild wurde freundlicherweise überlassen von Tyler Ard, James Stanis, und Arthur Toga vom Stevens Neuroimaging and Informatics Institute, Keck School of Medicine of the University of Southern California, USA.
Copyright: Tyler Ard, James Stanis, und Arthur Toga vom Stevens Neuroimaging and Informatics Institute, Keck School of Medicine of the University of Southern California, USA / Forschungszentrum Jülich

Die vollständige Pressemitteilung inklusive Zusatzinformationen und Bildmaterial finden Sie unter:
https://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/UK/DE/2020/2020-03-20-erbgutschnipsel.html

Originalpaper: The genetic architecture of the human cerebral cortex, by Katrina L. Grasby et al., Science 20 Mar 2020, Vol. 367, Issue 6484, eaay6690, DOI: 10.1126/science.aay6690