Gezielte Hirnstimulation gegen Bewegungsstörungen

Neuer Transregio-Sonderforschungsbereich zur Neuromodulation bewilligt

Viele neurologische Erkrankungen gehen mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit einher. Durch Neuromodulation, eine gezielte Stimulation von Nervenzellen, kann die dabei veränderte neuronale Netzwerkaktivität reguliert werden. Welche Mechanismen der Neuromodulation bei verschiedenen Erkrankungen zugrunde liegen, untersucht jetzt der neue überregionale Sonderforschungsbereich (SFB/Transregio) „Behandlung motorischer Netzwerkstörungen mittels Neuromodulation“, der von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Universitätsklinikum Würzburg getragen wird. Die Erkenntnisse sollen dazu beitragen, innovative Therapiestrategien für Menschen mit bisher nicht-behandelbaren Bewegungsstörungen zu entwickeln. Das Verbundprojekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zunächst für vier Jahre mit zehn Millionen Euro gefördert.

Eine verminderte Bewegungsfähigkeit ist oft Ausdruck einer gestörten Kommunikation zwischen verschiedenen motorischen Hirnregionen. Solche Netzwerkstörungen können beispielsweise nach Schlaganfall, Trauma oder bei neurodegenerativen Erkrankungen auftreten und führen zu starken Einschränkungen im Alltagsleben. Neue Therapiemöglichkeiten bietet die Neuromodulation, bei der die Aktivität des neuronalen Netzwerks mittels invasiver und nicht-invasiver elektrischer oder magnetischer Stimulation gezielt beeinflusst wird. Auf diese Weise lässt sich die gestörte Hirnfunktion wiederherstellen. Patienten mit Parkinsonsyndrom, Dystonie, Tremor und anderen Bewegungsstörungen können schon jetzt erfolgreich mittels der so genannten Tiefen Hirnstimulation mit Schrittmachersystemen behandelt werden. Auf viele andere Hirnerkrankungen lassen sich diese Therapien allerdings bislang nicht übertragen.

Ziel des neuen SFB/Transregio – TRR 295 „RETUNE“ – ist es, mögliche Angriffspunkte für eine Neuromodulation bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen zu finden und krankheitsbedingte Veränderungen näher zu bestimmen. Das Verbundprojekt bringt international führende Wissenschaftler aus Grundlagenforschung und Klinik der Charité und des Universitätsklinikums Würzburg, sowie der Hebrew University of Jerusalem, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, dem Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, der Universität Potsdam und der Universität Rostock zusammen.

„Unsere Vision ist es, Neuromodulationsverfahren für die klinische Praxis zu entwickeln, die netzwerkspezifisch ansetzen, um komplexe klinische Syndrome behandeln zu können“, sagt Prof. Dr. Andrea Kühn, Sprecherin des Verbundes und Leiterin der Sektion Bewegungsstörungen und Neuromodulation an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité. „Dazu wollen wir mit minimaler Invasivität an spezifischen Knotenpunkten des Netzwerkes im Gehirn angreifen, um die pathologisch veränderte Hirnaktivität selektiv zu unterdrücken.“ Ein Schwerpunkt der geplanten Forschung ist die Entwicklung bedarfsgesteuerter Schrittmachersysteme, die nur beim Auftreten von Krankheitssymptomen aktiv werden. Hierfür sollen die charakteristischen Hirnsignale – bei normalen und krankhaft veränderten Bewegungsabläufen – entschlüsselt und gezielt beeinflusst werden. Darüber hinaus werden grundlegende Mechanismen der Hirnstimulation an Modellsystemen für Bewegungsstörungen untersucht. Diese klinischen und experimentellen Befunde sollen dann in Computermodelle einfließen, um zukünftig individuell optimierte Stimulationsalgorithmen vorhersagen zu können.

Die Forschungsarbeiten werden zu einem besseren Verständnis der komplexen Symptome verschiedener Bewegungsstörungen beitragen und helfen, spezifische Behandlungsansätze zu entwickeln. „Die koordinierte Zusammenarbeit von international ausgewiesenen Grundlagenwissenschaftlern, Experten für digitale Medizin und Klinikern – mit dem Ziel einer raschen Translation von Forschungsergebnissen in verbesserte Behandlungsmöglichkeiten – macht diese Verbundinitiative weltweit einmalig“, erklärt Prof. Dr. Jens Volkmann, Direktor der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Würzburg und Mitinitiator des SFB/Transregio. Darüber hinaus werden an den beteiligten Standorten auch Strukturen für die Nachwuchsförderung im Bereich der Neuromodulation etabliert.

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Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie