Serologische Antikörpertests: Zuverlässigkeit überprüft

Antikörpertests stellen fest, wie weit eine Person einen Schutz gegen ein bestimmtes Virus aufgebaut hat. Die hier untersuchten Tests weisen Antikörper gegen SARS-CoV-2 nach. Solche Tests werden schon bald eine sehr wichtige Rolle spielen. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. M. Nagler vom Universitätsinstitut für Klinische Chemie (UKC) am Inselspital, Universitätsspital Bern untersuchte eine Reihe im Handel erhältlicher Tests auf ihren Nutzen.

In der vergangenen ersten Phase der Pandemie konzentrierten sich die Behörden auf Tests zur Diagnose von COVID-19-Erkrankungen (PCR-Tests, Antigen-Tests). In den kommenden Monaten wird dagegen die Frage im Vordergrund stehen, wieweit eine Person gegen SARS-CoV-2 immun ist, sei es aufgrund einer vorangegangenen Erkrankung oder aufgrund einer Impfung. Zu diesem Zweck werden im Blut allenfalls vorhandene Antikörper bestimmt. Man spricht von serologischen Tests oder Antikörpertests. Diese Tests werden für die Planung der Pandemie-Massnahmen in Zukunft eine zentrale Rolle einnehmen. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an deren Qualität.

Eine sorgfältig erarbeitete Übersicht

Die Studie eines internationalen Forschungsteams unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. med Michael Nagler hat eine umfassende Fragestellung gewählt: die wichtigsten Testprinzipien wurden untersucht, der zeitliche Ablauf der Antikörperentstehung wurde dokumentiert und der Grad der humoralen Immunität (Immunität ausserhalb der Körperzellen, z.B. im Blut) wurde mithilfe von Lebendviren getestet. Das umfangreiche Testprogramm zielt darauf ab,  die Zuverlässigkeit von Antikörpertests und damit den Nutzen für die Datengewinnung und Pandemieplanung zu ermitteln.

Die Studie schloss Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion undMitarbeitende des Inselspitals ein und verarbeitete zudem Material aus Biobanken aus dem Winter 2018-2019. Ein eigener Nachweis auf der Basis  eines ELISA-Tests (Enzyme-linked ImmunoSorbent Assay ) für SARS-CoV-2-wurde entwickelt. Dieser wurde mit drei im Handel erhältlichen ELISA-Tests verglichen. Neutralisationstests mit lebenden SARS-CoV-2-Viren wurden durchgeführt.
Daniel Brigger, Erstautor der Studie erklärt: «Mit der Entwicklung eines eigenen Tests und mit der Verwendung von Lebendviren haben wir ein aufwendiges und sehr zuverlässiges Messverfahren aufgebaut, von dem wir uns robuste Aussagen bezüglich der Qualität der untersuchten Tests versprechen können.»

Erste Daten mit deutlichen Hinweisen

Die Auswertung von 1477 Probandinnen und Probanden, von denen 112 mit SARS-CoV-2 infiziert waren (Basis PCR-Tests), zeigte, dass sich Antikörper zwischen Tag 1 und 21 bildeten. Die Sensitivität oder Empfindlichkeit der ELISA-Tests lag zwischen 72.9% und 89.3% . Das heisst die Tests finden zwischen knapp 73% bis gut 89% aller tatsächlich vorhandenen Antikörper. Die Spezifität, also der Wert, der angibt wie viele der gefundenen positiven Resultate tatsächlich positiv waren, dagegen lag bei allen drei Tests über 94%. Ein eher überraschendes Resultat bestand darin, dass die Werte der Testergebnisse erheblich schwankten. Prof. Michael Nagler erläutert hierzu: «Der Nutzen der Tests variiert noch erheblich. Grundsätzlich bildet sich bei einer Mehrheit der Patientinnen und Patienten eine humorale Immunantwort. Jedoch schwanken die Werte des Grades der Antwort noch sehr erheblich. Das ist ein Hinweis darauf, dass klinische Faktoren wie etwas das Alter, die Vorerkrankungen, Risikofaktoren auch beim Aufbau eines Immunschutzes, wie schon bei der Schwere der Erkrankung, eine wichtige Rolle spielen.» Die Ergebnisse der ersten Auswertung stehen damit im Widerspruch zu früheren Studien und zu Herstellerangaben, die allen Tests einen grossen Nutzen und eine grosse Zuverlässigkeit attestiert hatten. Vor allem ein vertieftes Studium der klinischen Faktoren scheint nach diesen Ergebnissen dringend angezeigt.

Wie geht es nun weiter?

An der Studie wurde seit der ersten Publikation im September 2020 intensiv weitergearbeitet. Das Team wird noch in diesem Jahr eine weitere Auswertung vornehmen. Das Forschungsteam hat den Anspruch, dass die Verantwortliche auf der Basis ihrer Ergebnisse künftige Prognosemodelle für die Bewältigung der Pandemie verbessern können. Auch für die Betroffenen ist eine zuverlässige Information zum Grad ihres Schutzes nach einer Impfung oder Erkrankung entscheidend. Das Inselspital als Universitätsspital in der grössten Spitalgruppe der Schweiz steht hier in einer besonderen Verantwortung. Bei der Fortsetzung der Studie wird darauf geachtet, dass trotz dem enormen Zeitdruck und dem Druck aus den Medien und der Öffentlichkeit mit gleichbleibender Tiefe und Detailgenauigkeit gearbeitet wird.

Prof. Dr. med. Martin Fiedler betont hierzu: «Daten aus Studien wie der unseren haben es heute etwas schwer, weil der Trend zu immer früheren und schnelleren Publikationen durch Covid-19 noch einmal angeheizt wurde. Doch wir halten es mit dem Chinesischen Sprichwort: Wer in Eile ist, geht langsam. Nur so können wir die Zuverlässigkeit  der Daten sicherstellen, die einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie liefern können.»

Zur Originalarbeit: Accuracy of serological testing for SARS‐CoV‐2 antibodies

Übersicht Testverfahren (Quelle FDA) Coronavirus Testing Basics