COVID-19 / Erkrankung

Neurologische Manifestation von COVID-19 bei Kindern

Original Titel:
Neuroimaging manifestations in children with SARS-CoV-2 infection: a multinational, multicentre collaborative study

 

MedWiss – Neurologische Folgen der Infektion mit dem neuen Coronavirus wie bei schweren Verläufen bei Erwachsenen sind bei Kindern selten. Um das Spektrum solcher Erkrankungsfälle bei Kindern zu überblicken, ermittelte ein internationales Expertenteam nun solche Fälle und evaluierte klinische und bildgebende Daten. Befunde von 38 Kindern aus 10 Ländern konnten analysiert werden. Sowohl in der akuten SARS-CoV-2-Infektion als auch mit Verzögerung zeigten sich demnach ZNS-Auffälligkeiten. Die häufigsten bildgebenden Muster waren postinfektiöse immunvermittelte akute disseminierte Enzephalomyelitis-artige Veränderungen im Gehirn. Die meisten Verläufe verbesserten sich. Es konnten keine signifikantem Vorerkrankungen identifiziert werden. Weitere Studien sind notwendig, um kurz- und langfristiges Verständnis über die ZNS-Folgen der Infektion bei Kindern zu gewinnen.


Es wurde früh in der Coronavirus-Pandemie deutlich, dass ältere Menschen am schwersten von der Erkrankung und den schwerwiegendsten Folgen betroffen sind. Im Vergleich stellten Kinder nur eine Minderheit der Fälle dar und waren zu einem großen Teil nur mild erkrankt oder sogar asymptomatisch. Neurologische Folgen der Infektion, die bei schweren Verläufen bei Erwachsenen berichtet wurden, sind entsprechend auch nur selten bei Kindern gesehen worden. Da dies nur in einzelnen Fallberichten dokumentiert wurde, ist die Möglichkeit, das Spektrum solcher Erkrankungsfälle bei Kindern zu überblicken, stark begrenzt. Ein internationales Expertenteam ermittelte nun Fälle von neurologischen Erkrankungen von Kindern nach SARS-CoV-2-Infektion und evaluierte die klinischen und bildgebenden Daten zu diesen Fällen, um ein besseres Verständnis der neurologischen Manifestationen von COVID-19 bei Kindern zu erlangen.

Fälle von neurologischen Erkrankungen von Kindern nach SARS-CoV-2-Infektion

Dazu riefen die Wissenschaftler international auf, Fälle von Kindern mit Enzephalopathie in Bezug zu einer Infektion mit SARS-CoV-2 und mit auffälligen Bildgebungs-Befunden zu melden. Dazu wurden auch klinische Parameter und Laborwerte (Plasma- und Liquor-Daten) erbeten. Diese Daten wurden durch ein zentrales neuroradiologisches Kommittee, einen pädiatrischen Neurologen und einen pädiatrischen Infektionsmediziner begutachtet. Die Kinder wurden auf Basis des vermuteten Zeitpunkts der Infektion mit SARS-CoV-2 gruppiert. Außerdem wurden Fälle ausgeschlossen, wenn eine direkte Verbindung mit einer SARS-CoV-2-Infektion nicht gefunden werden konnte oder eine alternative diagnostische Ursache der Befunde möglich war. Akzeptierte bildgebende Daten aus 10 Ländern wurden durch ein Team von 5 pädiatrischen Neuroradiologen begutachtet. Der vorliegende Bericht basiert auf dem Konsensus der Experten zu den bildgebenden Befunden.

Bildgebende Daten aus 10 Ländern durch pädiatrische Neuroradiologen analysiert

Die Forscher erhielten zwischen 30. April und 8. September 2020 429 Meldungen aus 32 Ländern. Die Begutachtung ergab 38 Kinder mit neurologischen Erkrankungen in Bezug zu einer SARS-CoV-2-Infektion, die in Frankreich (n = 13), Großbritannien (n = 8), den USA (n = 5), Brasilien (n = 4), Argentinien (n = 4), Indien (n = 2), Peru (n = 1) und Saudi Arabien (n = 1) behandelt worden waren.

38 Kinder mit neurologischen Erkrankungen in Bezug zu einer SARS-CoV-2-Infektion

Typische Erkrankungsmuster wurden nach bildgebenden Auffälligkeiten von mild bis schwer gruppiert. Die häufigsten bildgebenden Muster waren postinfektiöse immunvermittelte akute disseminierte Enzephalomyelitis-artige Veränderungen im Gehirn (16 Patienten), Myelitis (8 Patienten) und in der Bildgebung gesehenes neural enhancement, also auffällig hervortretende Bereiche im zentralen Nervensystem (13 Patienten). Kranielle Nerven, die im Imaging mit Enhancement zu sehen waren, konnten dabei ohne neurologische Symptome gefunden werden. Läsionen des Splenium (7 Patienten) und Myositis (4 Patienten) wurden vorwiegend bei Kindern mit multisystemisch inflammatorischem Syndrom gefunden. Zerebrovaskuläre Komplikationen waren bei Kindern seltener als bei Erwachsenen. Es konnten keine signifikantem Vorerkrankungen identifiziert werden. Die meisten Kinder konnten sich recht gut von der Erkrankung erholen. Allerdings entwickelten sich auch fatale atypische ZNS-Koinfektionen bei vier zuvor gesunden Kindern nach Infektion mit SARS-CoV-2.

Meist Enzephalomyelitis-artige Veränderungen im Gehirn, meist vorteilhafter Verlauf

Sowohl in der akuten SARS-CoV-2-Infektion als auch mit Verzögerung zeigten sich demnach ZNS-Auffälligkeiten bei Kindern. Wiederkehrende Muster der Erkrankung und atypische bildgebende Befunde im zentralen Nervensystem könnten, schließen die Autoren, durch die SARS-CoV-2-Infektion ausgelöst worden sein. Weitere Untersuchungen pädiatrischer Kohorten sind notwendig, um die Effekte der Infektion mit dem neuen Coronavirus auf das zentrale Nervensystem von Kindern sowohl akut, als auch in der langfristigen Nachbeobachtung besser zu verstehen.

[DOI: 10.1016/S2352-4642(20)30362-X]

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