Ziel: Einheitliche Demenz-Tests in Europa

Das DZNE leitet ein internationales Vorhaben mit dem Ziel, das Testen auf kognitive Störungen europaweit zu vereinheitlichen. Eine solche Harmonisierung würde zur Früherkennung von Demenz beitragen und den Vergleich von Daten aus verschiedenen klinischen Studien erleichtern. An der Initiative sind Fachleute aus mehr als 50 Institutionen beteiligt. In der Fachzeitschrift Alzheimer‘s & Dementia stellen sie ein Set neuropsychologischer Testverfahren vor – als Standard für die Anwendung in Forschung und klinischer Praxis.

„Bluttests werden so ziemlich überall auf die gleiche Weise durchgeführt. Anders sieht es aus, wenn man auf kognitive Störungen testet, die ein Anzeichen für eine Demenz sein können. In den USA und in den deutschsprachigen Ländern ist die neuropsychologische Diagnostik zwar manchmal standardisiert, dies gilt aber nicht auf europäischer Ebene und insbesondere nicht im klinischen Bereich. Selbst innerhalb eines Landes können die Testverfahren variieren“, sagt Dr. Marina Boccardi, DZNE-Wissenschaftlerin in Rostock. „Alle diese Tests sind wissenschaftlich validiert, aber die fehlende Einheitlichkeit macht es schwierig, Testergebnisse aus verschiedenen klinischen Studien miteinander zu vergleichen. Das Gleiche gilt für die klinische Praxis, da verschiedene Gedächtnisambulanzen und Facharztpraxen möglicherweise unterschiedliche Tests verwenden. Hier gibt es Bedarf an Harmonisierung.“

In Richtung einer standardisierten Bewertung

Ausgehend von einem Kick-off-Meeting in Genf, das unter anderem vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert wurde, hat Boccardi daher eine umfangreiche Gruppe von Fachleuten versammelt, um in Europa den Weg zu ebnen für gemeinsame Standards beim Testen auf kognitive Störungen. Unter Berücksichtigung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse hat das Konsortium, dem Expertinnen und Experten aus dem klinischen Bereich angehören, bestehende neuropsychologische Tests kritisch geprüft und acht davon zu einer Standardbatterie zusammengestellt. „Die Tests, auf die sich unser Gremium verständigt hat, überprüfen verschiedene kognitive Funktionen wie Gedächtnis, Verarbeitung komplexer Informationen, sprachliche und soziale Fähigkeiten. Sie sind empfindlich für diverse Erkrankungen, die mit kognitiven Beeinträchtigungen einhergehen können, darunter Alzheimer und Frontotemporale Demenz“, sagt Boccardi. „Alle diese Tests können mit Papier und Bleistift durchgeführt werden. Die Aufgaben reichen vom Zeichnen einfacher Bilder bis dahin, sich bestimmte Wörter einzuprägen und sich später an diese erinnern zu müssen.“

Für Wissenschaft und Praxis

„Es ist nicht einfach, Gewohnheiten im klinischen Bereich zu verändern, doch sowohl die Wissenschaft als auch die Patientenversorgung würden davon profitieren. Die Harmonisierung wird zur Früherkennung von Demenz und zu einer Diagnostik beitragen, die konsistenter und kostengünstiger ist“, sagt Boccardi. „Weitere Schritte sind allerdings notwendig, wie die Anpassung der Testbatterie an die verschiedenen europäischen Kulturen und Sprachen. Das dient dazu, eine einheitliche Beurteilung der Leistung zu gewährleisten. Die Implementierung wird also noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Aber mit diesem Konsens können wir bereits damit beginnen, uns einer einheitlichen klinischen Praxis für die Diagnose von Demenz anzunähern.“

Originalveröffentlichung

Harmonizing neuropsychological assessment for mild neurocognitive disorders in Europe.
Marina Boccardi et al
Alzheimer’s & Dementia (2021)
DOI: 10.1002/alz.12365