Moskitonetze bei Kleinkindern retten Leben bis ins Erwachsenenalter

Moskitonetze retten langfristig Leben: Zum ersten Mal wurde nachgewiesen, dass Kinder, die schon in jungen Jahren unter einem Moskitonetz schlafen, eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, das Erwachsenenalter zu erreichen. Das zeigt eine Langzeitstudie über zwei Jahrzehnte mit 6700 Kindern in Tansania.

Im Rahmen der Studie wurde die Entwicklung von mehr als 6700 Kindern beobachtet. Zwischen 1998 und 2003 wurden die Kinder alle vier Monate besucht, um zu sehen, wie regelmässig Netze verwendet wurden. Eine Nachfolgestudie verfolgte ab 2019, was aus den Kindern geworden ist. Die im «New England Journal of Medicine» veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass Kinder, die gewohnheitsmässig unter einem Moskitonetz schliefen, eine um über 40 Prozent höhere Überlebenschance hatten als Kinder, die in ihrer frühen Kindheit ihren Schlaf nur selten unter einem Netz verbrachten.

In afrikanischen Ländern gibt es nur sehr wenige bevölkerungsbezogene Langzeitstudien. Diese Studie ist mit über 6700 Teilnehmenden und einer zu rund 90 Prozent vollständigen Nachbeobachtung nach 20 Jahren ungewöhnlich und bietet einen einzigartigen Einblick in den langfristigen Nutzen einer Malariakontrolle bei Kleinkindern.

Malaria forderte im Jahr 2020 mehr als 600’000 Todesopfer und ist besonders für Kinder gefährlich. Die im Afrika südlich der Sahara häufig auftretende Krankheit wird durch einen Parasiten verursacht, der durch Mückenstiche übertragen wird. In Malariagebieten stellt das Schlafen unter einem mit Insektizid behandelten Moskitonetz eine der wirksamsten Möglichkeiten dar, das Leben von Kindern zu schützen.

Langfristiger Effekt bisher ungewiss 

Bisher war jedoch die langfristige Wirkung einer frühkindlichen Malariakontrolle ungewiss. Es bestand auch die Theorie, dass die Verhinderung einer Malariainfektion in jungen Jahren eventuell dazu führen könnte, dass Kinder aufgrund mangelnder Immunität in der späteren Kindheit vulnerabler sein könnten und damit die Kindersterblichkeit nur hinausgezögert würde.

Die Ergebnisse der nun erschienenen Langzeitstudie scheinen diese Theorie zu widerlegen: Prävention in den ersten Jahren führte zu keinem Anstieg der Todesfälle in der späteren Kindheit, sondern zu einer deutlich höheren Überlebenswahrscheinlichkeit ins Erwachsenenalter.

Die Studie wurde von Forscherinnen und Forschern des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH), des Ifakara Health Institute (IHI) und der London School of Hygiene & Tropical Medicine (LSHTM) geleitet.

Salim Abdulla, leitender Wissenschaftler am IHI und Autor der Studie, erklärt: «Wir wissen schon seit Langem, dass Moskitonetze das Leben junger Menschen retten, aber wir konnten nie mit Sicherheit sagen, wie lange der Nutzen anhält. Unsere Studie zeigt, dass die Malariaprävention in der frühen Kindheit Auswirkungen hat bis ins Erwachsenenalter.»

Regelmässige Hausbesuche

Zwischen 1998 und 2003 wurden 6706 Kinder in die Studie aufgenommen, die in den Distrikten Kilombero und Ulanga im ländlichen Tansania, in dem Malaria endemisch ist, geboren wurden. Bis 2003 besuchte ein Erhebungsteam die Kinder alle vier Monate zu Hause, um Informationen über die Verwendung von Moskitonetzen zu sammeln, die mit Insektiziden behandelt wurden. 16 Jahre später, im Jahr 2019, führte das Studienteam eine Folgeerhebung durch und konnte Informationen über 89 Prozent (5983) der ursprünglichen Teilnehmenden sammeln. Das Team erfuhr dabei auch, dass leider über 600 der Kinder verstorben waren.

Bei der Analyse der Studiendaten entdeckten die Forschenden eine langfristige positive Wirkung von Moskitonetzen. Unter Verwendung von Regressionsmodellen zur Anpassung an andere Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen schätzten sie so den Zusammenhang zwischen der Nutzung von Moskitonetzen und dem Überleben ab.

Prof. Dr. Günther Fink, Associate Professor für Epidemiologie und Haushaltsökonomie an der Universität Basel und am Swiss TPH sowie Erstautor der Studie, erklärt: «Es ist so wichtig, dass wir die Möglichkeit haben, Langzeitstudien durchzuführen, um herausfinden zu können, wie es Kindern und Erwachsenen langfristig ergeht. Moskitonetze waren in der Vergangenheit ein wichtiges Element der Malariakontrolle und sind auch weiterhin Teil des Massnahmenpakets. Es ist bemerkenswert, wie gross die langfristigen Unterschiede in dieser Studie sind, und unterstreicht einmal mehr den hohen Nutzen von Investitionen in die Prävention von Infektionskrankheiten in der frühen Kindheit und in die frühkindliche Gesundheitsvorsorge im Allgemeinen.»

Prof. Dr. Joanna Schellenberg, Professorin für Epidemiologie und internationale Gesundheit an der LSHTM und Letztautorin der Studie, erklärt: «Es ist erstaunlich, dass wir Informationen über fast alle diese Kinder erhalten konnten, die vor zwei Jahrzehnten das Licht der Welt erblickt haben. Unsere Studie zeigt nicht nur, dass die Überlebenschancen durch eine Malariakontrolle im frühen Kindesalter bis ins Erwachsenenalter anhalten, sondern macht auch das Potenzial einer langfristigen gemeindebasierten Forschung deutlich. Diese zeugt von den engen sozialen Kontakten, die das Umfrageteam in den Studiengemeinden pflegten, sowie von der optimalen Nutzung des Mobilfunknetzes.»

Co-Autor Sigilbert Mrema, Forschungswissenschaftler am IHI, fügt hinzu: «Einer unserer Probanden war schon allein deshalb überglücklich, weil er durch unsere Studie sein genaues Geburtsdatum erfahren hat. Diese Art von Langzeitstudien ist nicht nur für die Gesundheitsüberwachung von Bedeutung, sondern dient auch der Verbesserung des Meldewesens.»

Die Studie wurde von der Eckenstein-Geigy-Stiftung, der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit und dem Schweizerischen Nationalfonds finanziert.

Dieser Text beruht auf einer Medienmitteilung des Swiss TPH.

Originalpublikation

Günther Fink, Sigilbert Mrema, Salim Abdulla, S. Patrick Kachur, Rashid Khatib, Christian Lengeler, Honorati Masanja, Fredros Okumu, Joanna Schellenberg
Mosquito Net Use in Early Childhood and Survival to Adulthood in Tanzania
New England Journal of Medicine (2022), doi: 10.1056/NEJMoa2112524