Multiple Sklerose

MS: Erfolgreich impfen bei starker Immunsuppression

Original Titel:
Humoral and cellular immune responses on SARS-CoV-2 vaccines in patients with anti-CD20 therapies: a systematic review and meta-analysis of 1342 patients

Kurz & fundiert

  • Starke Immunsuppression und B-Zell-Depletion: Wie gut wirkt die Corona-Impfung?
  • Anti-CD20-Therapie: Antikörper gegen Immunzellen B-Lymphozyten
  • Transplantationen, Autoimmunerkrankungen oder Leukämie
  • Systematischer Review mit Meta-Analyse über 23 Studien und 1 342 Patienten
  • Anti-CD20-Therapie vor mehr als 6 Monaten häufiger unproblematisch
  • Individuelle Impfstrategie nötig

 

MedWiss – In einer Meta-Analyse über 23 Studien zeigten Forscher, dass Patienten mit Anti-CD20-Therapien (bei Transplantationen, Autoimmunerkrankungen und Krebserkrankungen wie Leukämie) zu 41 % nach einer Impfung gegen das neue Coronavirus SARS-CoV-2 Antikörper und zu 73 % eine Zell-vermittelte Immunantwort entwickeln. Die Erfolgsrate hing dabei mit der Zeit seit der Anti-CD20-Therapie in Zusammenhang und damit, ob noch B-Zellen vorhanden sind. Die Forscher schließen, dass Patienten-individuell die Impfantwort evaluiert und durch eventuelle Booster gefördert werden könnte.


Immunantworten auf die Impfung gegen das neue Coronavirus SARS-CoV-2 können bei Patienten mit speziellen immunsuppressiven Therapien eingeschränkt sein. Dabei stehen besonders sogenannte Anti-CD20-Therapien im Fokus. Bei diesen richtet sich ein Antikörper gegen den CD20-Marker auf der Oberfläche einer Gruppe von Immunzellen (B-Lymphozyten). Die Zellen sind bei Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, Psoriasis oder Multipler Sklerose am Krankheitsprozess beteiligt. Diese Immunzellen spielen jedoch eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Immungedächtnisses nach einer Impfung und der Reaktion auf Krankheitserreger wie das Coronavirus. Daher kann die Impfung bei einer Anti-CD20-Therapie eingeschränkt wirken, aber dies scheint nach bisheriger Datenlage sehr unterschiedlich von Patient zu Patient auszufallen. Wissenschaftler führten daher nun einen systematischen Review mit Meta-Analyse durch, um die Forschung zur Immunantwort auf die Corona-Impfung, speziell die humorale (Antikörper im Blut, durch B-Zellen abgegeben) und Zell-vermittelte Immunantwort, bei Patienten mit vorheriger Anti-CD20-Therapie zu ermitteln.

Starke Immunsuppression und B-Zell-Depletion: Wie gut wirkt die Corona-Impfung?

Die Literaturrecherche erfolgte in den medizin-wissenschaftlichen Datenbanken PubMed, Embase, Medrxiv und SSRN. Studien mit Veröffentlichung bis 21. August 2021 wurden in die Analyse aufgenommen. Vorrangig wurde die Häufigkeit humoraler und Zell-vermittelter Immunantworten untersucht. In Untergruppenanalysen betrachteten die Forscher die Rolle der Zeit seit der Anti-CD20-Therapie, der B-Zell-Depletion (Zerstörung fast aller B-Zellen) und der Erkrankung, für die diese Therapie eingesetzt wurde.

Systematischer Review mit Meta-Analyse über 23 Studien und 1 342 Patienten

Die Wissenschaftler konnten Daten aus 23 Studien mit insgesamt 1 342 Patienten analysieren. Die Gesamtrate humoraler Immunantworten nach der Coronavirus-Impfung betrug 0,40 (95 % Konfidenzintervall, KI: 0,35 – 0,47). Die Gesamtrate Zell-vermittelter Immunantworten betrug 0,71 (95 % KI: 0,57 – 0,87). Besonders relevant für eine Immunantwort auf die Impfung schien dabei zu sein, wie viel Zeit seit der Therapie vergangen war. Patienten mit der letzten Therapiedosis vor mehr als 6 Monaten hatten eine höhere Rate humoraler Immunantworten (0,63; 95 % KI: 0,53 – 0,72) als Patienten, bei denen die Therapie weniger als 6 Monate vor der Impfung stattgefunden hatte (0,2; 95 % KI: 0,03 – 0,43; p = 0,01). Auch bedeutsam war, ob die B-Zellen vollständig zerstört oder teils noch vorhanden waren: Patienten mit noch zirkulierenden B-Zellen entwickelten häufiger eine humorale Immunantwort. Patienten mit Nierentransplantation und Anti-CD20-Therapie zeigten eine niedrigere Rate humoraler Immunantworten als Patienten mit hämatologischen Erkrankungen (z. B. chronisch lymphatische Leukämie) oder Autoimmunerkrankungen (z. B. Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis oder Psoriasis).

Anti-CD20-Therapie vor mehr als 6 Monaten häufiger unproblematisch, individuelle Impfstrategie nötig

Patienten mit Anti-CD20-Therapie können demnach eine Immunantwort, sowohl Antikörper-basiert (humoral) als auch Zell-vermittelt, gegen das neue Coronavirus nach einer Impfung entwickeln. Bestimmte Patientengruppen wie etwa Nierentransplantat-Empfänger oder solche mit erst kürzlich erfolgter Anti-CD20-Therapie und B-Zell-Depletion haben jedoch ein erhöhtes Risiko, keine ausreichende Immunantwort zu entwickeln. In diesen Fällen sollte eine individuelle Coronavirus-Impfstrategie entwickelt werden.

[DOI: 10.1136/rmdopen-2021-002036]

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