Neue Waffe gegen Hepatitis D

Medikament verhindert Eintritt der HD-Viren in die Leberzelle

Eine Infektion mit Hepatits-D-Viren (HDV) verursacht die schwerste Form der chronischen, viralen Hepatitis-Erkrankung. Etwa zehn bis 20 Millionen Menschen weltweit sind betroffen. Die Krankheit ist nicht heilbar, am Ende bleibt als Therapieoption oft nur eine Lebertransplantation. Doch jetzt gibt es erstmals Hoffnung. In einer multizentrischen Zulassungsstudie konnte ein internationales Forschungsteam zeigen, dass der Wirkstoff Bulevirtide die Viruslast in Blutserum und Leber deutlich senkt und den Eintritt der Viren in die Leberzellen blockiert. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift The Lancet Infectious Diseases veröffentlicht. Erstautor ist Professor Dr. Heiner Wedemeyer, Direktor der MHH-Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, der die klinische Entwicklung des Medikaments geleitet hat.

Besonders aggressives Virus

HDV ist ein unvollständiges Virus und benötigt das Hepatitis-B-Virus (HBV) als Helfer, um sein RNA-Erbmaterial in dessen Hülle zu verpacken, an die Leberzelle anzudocken und in sie einzudringen. Eine Hepatitis-D-Infektion kommt daher auch nur als Co-Infektion mit einer Hepatitis-B-Infektion vor. Bislang sind weder Hepatitis B noch Hepatitis D heilbar. Zwar gibt es eine vorbeugende Impfung. Diese hilft aber bereits infizierten Menschen nicht mehr. HDV beschleunigt den Krankheitsverlauf zudem, die Infektionskrankheit Hepatitis D gilt als besonders aggressiv und kann schnell zu einer Leberzirrhose oder zu Leberkrebs führen. „Wir nennen Hepatitis D daher auch die Devil-Variante, weil sie so teuflisch und bösartig ist“, sagt Leberexperte Wedemeyer.

Eintritt in Leberzelle blockiert

Bulevirtide wurde am Universitätsklinikum Heidelberg und am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickelt. Das Medikament blockiert den Andockpunkt für die HBV-Hüllen an der Leberzelle. Da dieser nun besetzt ist, können die HD-Viren nicht mehr in die Zelle gelangen. Auch bereits infizierte Patientinnen und Patienten profitieren davon: Das Medikament schützt die neu gebildeten Leberzellen vor einer HDV-Infektion, während gleichzeitig bereits befallene Zellen vom Immunsystem vernichtet werden. Dem Virus fehlt somit seine Existenzgrundlage, denn für sein Fortbestehen im Körper muss es immer neue Leberzellen infizieren.

„Wir habe die antivirale Aktivität an 120 Patientinnen und Patienten getestet die sowohl mit HBV als auch mit HDV infiziert waren“, sagt Professor Wedemeyer. „Davon hatten 59 bereits eine Leberzirrhose entwickelt, also ein vernarbtes Lebergewebe.“ Den Betroffen wurde das Medikament unter die Haut gespritzt. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass dadurch über 24 Wochen lang die Konzentration der HDV-RNA in Blutserum und Leber deutlich absanken. „Zudem konnten wir feststellen, dass sich auch die Leberwerte in den meisten Fällen deutlich verbessert haben“, betont der Hepatologe. Allerdings erhöhte sich die Konzentration der HDV-RNA nach Absetzen des Medikamentes bei den meisten Patienten wieder, so dass vermutlich eine längere Behandlung mit Bulevirtide nötig ist.

Phase-3-Stude für endgültige Zulassung läuft

Die positiven Ergebnisse der Studie haben dazu geführt, dass die Europäische Arzneimittelbehörde EMA das Medikament vorläufig zugelassen hat. „Das ist äußerst ungewöhnlich, weil wir erst im Anschluss mit der klinischen Phase-3-Studie für die Vollzulassung begonnen haben, deren Ergebnisse noch nicht final vorliegen. Das zeigt, wie dringend ein wirksames Medikament für diese schwere Lebererkrankung benötigt wird“, betont der Klinikdirektor. In Phase 3 wird das Arzneimittel an einer größeren Zahl an Patientinnen und Patienten geprüft, um zu sehen, ob sich Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auch bei vielen unterschiedlichen Patienten bestätigen lassen. Außerdem werden Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten untersucht. Professor Wedemeyer ist zuversichtlich: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir allen behandelnden Ärztinnen und Ärzten ein scharfes Schwert gegen Hepatitis D in die Hand geben können.“

Autorin: Kirsten Pötzke