COVID-19 / Erkrankung

Angiotensinrezeptor-Blocker: Kein Behandlungsvorteil bei mildem COVID-19

Original Titel:
Angiotensin receptor blockers for the treatment of covid-19: pragmatic, adaptive, multicentre, phase 3, randomised controlled trial

Kurz & fundiert

  • Coronavirus SARS-CoV-2 bindet an ACE2-Rezeptoren
  • Blockierung der ACE2-Rezeptoren hilfreich bei COVID-19?
  • Phase 3-Studie mit 787 Patienten mit meist mildem COVID-19
  • Teilnehmer zuvor nicht in Behandlung mit Angiotensinrezeptor-Blocker
  • Telmisartan (40 mg/Tag) vs. Placebo
  • Kein Behandlungsvorteil mit Angiotensinrezeptor-Blocker
  • Behandlungseffekt bei schwererem Verlauf weiter ungeklärt

 

MedWiss – Eine randomisiert-kontrollierte Studie ermittelte, ob die Blockierung der ACE2-Rezeptoren, an die das neue Coronavirus bindet, den Erkrankungsprozess aufhalten und klinische Verläufe bei COVID-19 verbessern könnte. Bei 787 Patienten mit klinisch behandeltem, aber meist mildem COVID-19 ohne zusätzlichen Sauerstoffbedarf, zeigte sich kein Behandlungsvorteil mit Blick auf den Schweregrad mit dem hier eingesetzten Angiotensinrezeptor-Blocker. Welchen Effekt die Behandlung bei initial schwereren Verläufen hat, ist weiterhin jedoch unklar.


Das neue Coronavirus SARS-CoV-2 bindet an die ACE2-Rezeptoren (angiotensin-converting enzyme 2) auf Zelloberflächen und löst dadurch die Aufnahme des Virus in die Zelle aus. Dieser Prozesse ist wesentlich bei der Entwicklung schwerer Lungenschäden im Rahmen der Erkrankung COVID-19. Eine Blockierung der ACE2-Rezeptoren mit Hilfe von Angiotensinrezeptor-Blockern könnte, legen Laborstudien nahe, den Erkrankungsprozess aufhalten und so den klinischen Verlauf bei COVID-19 verbessern.

Blockierung der ACE2-Rezeptoren: Chance bei COVID-19?

In Indien und Australien wurde dies in einer klinischen Multizentren-Studie der Phase 3 randomisiert und kontrolliert untersucht. Patienten ab 18 Jahren, in stationärer Behandlung wegen einer Coronavirus-Infektion und ohne vorhergehende Behandlung mit einem Angiotensinrezeptor-Blocker, konnten in einer von 17 Kliniken in Indien und Australien in die Studie aufgenommen werden. Die Teilnehmer erhielten einen oralen Angiotensinrezeptor-Blocker (in Indien: Telmisartan) oder ein Placebo für 28 Tage. Als primärer Endpunkt wurde der Schweregrad von COVID-19 zum Tag 14 ermittelt. Sekundär wurden der COVID-19-Schweregrad zum Tag 28, die Sterblichkeitsrate, Zahl der Personen, die eine Intensivbehandlung benötigten und die Häufigkeit von Atemwegsversagen bestimmt.

Phase 3-Studie mit 787 Patienten mit meist mildem COVID-19: Telmisartan vs. Placebo

Zwischen 3. Mai 2020 und 13. November 2021 wurden insgesamt 787 Patienten (davon lediglich 9 in Australien) in die Studie aufgenommen. Die Patienten waren im Mittel (Median) 49 Jahre alt, 505 Patienten (64 %) waren Männer, 282 Patienten (36 %) waren Frauen. 223 Patienten (28 %) benötigten zu Beginn der Studie ergänzenden Sauerstoff. Der durchschnittliche Schweregrad (WHO-score) betrug zum Studienbeginn 3 (stationäre Behandlung, ohne zusätzlichen Sauerstoffbedarf), die Patienten litten meist an einem milden Verlauf. 393 Patienten erhielten einen Angiotensinrezeptor-Blocker (davon 98,7 % Telmisartan, 40 mg/Tag), 394 Patienten erhielten als Kontrollgruppe das Placebo. Der durchschnittliche COVID-19-Schweregrad zum Tag 14 verbesserte sich auf 1 (nicht klinisch behandelt, keine Aktivitätseinschränkung) sowohl bei 384 Patienten mit Angiotensinrezeptor-Blocker als auch bei 382 Patienten mit dem Placebo (adjustierte Odds Ratio, OR: 1,51; 95 % Glaubwürdigkeitsintervall, GI: 1,02 – 2,23). Der Schweregrad-Vergleich zum Tag 28 zeigte keine klare Differenz zwischen den Behandlungsgruppen. Zum Tag 28 gab es insgesamt in der Patientengruppe 16 Todesfälle, davon 10 in der Gruppe mit Angiotensinrezeptor-Blocker, 6 in der Placebo-Gruppe (OR: 1,74; 95 % GI: 0,62 – 5,25). Die Studie wurde anschließend wegen Wirkungslosigkeit abgebrochen.

Kein Behandlungsvorteil mit Angiotensinrezeptor-Blocker bei mildem COVID-19

Bei Patienten mit klinisch behandeltem, aber meist mildem COVID-19 ohne zusätzlichen Sauerstoffbedarf, zeigte sich kein Behandlungsvorteil mit Blick auf den Schweregrad mit Angiotensinrezeptor-Blockern (Telmisartan). Die Teilnehmer dieser Studie hatten einen im Schnitt unerwartet milden Verlauf. Die Autoren betonen, dass es möglich ist, dass Angiotensinrezeptor-Blocker (eventuell mit anderem Wirkstoff oder Dosierung) bei Patienten mit initial schwereren Verläufen die Erkrankung COVID-19 auf andere Weise beeinflussen könnte.

[DOI: 10.1136/bmj-2022-072175]

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