Fehlzeiten im Job erreichen Höchstwert: Covid und Post-Covid in Sachsen-Anhalt

Post-Covid Betroffene fallen durchschnittlich 28 Tage aus

Mehr als 22 Prozent aller durchgehend erwerbstätigen AOK-Versicherten in Sachsen-Anhalt sind seit Pandemiebeginn mindestens einmal im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung in ihren Unternehmen ausgefallen. Das zeigt eine aktuelle Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Bis Dezember 2022 waren knapp ein Prozent der Beschäftigten von einer Post-Covid-Erkrankung betroffen. Beim allgemeinen Krankenstand gab es im vergangenen Jahr den höchsten Wert seit 2010.

Etwa 46.000 der insgesamt 204.000 durchgehend erwerbstätigen AOK-Versicherten in Sachsen-Anhalt wurden zwischen März 2020 und Dezember 2022 wegen einer Covid-19-Erkrankung mindestens einmal arbeitsunfähig geschrieben. Rund 2.000 Beschäftigte waren von einer Post-Covid-Erkrankung betroffen. Nach mehreren Auf- und Abwärtsbewegungen erreichten sowohl akute als auch Post-Covid-Erkrankungen im Frühjahr 2022 ihren vorläufigen Höhepunkt.

Post-Covid-Fälle: 28 Tage krank und zahlreiche Begleiterkrankungen

„Im bisherigen Verlauf der Pandemie sind nur vergleichsweise wenige Beschäftigte wegen Post-Covid krankgeschrieben worden. Diese relativ wenigen Betroffenen haben aber lange AU-Zeiten von durchschnittlich 28 Tagen. Es muss gelingen, diesen Beschäftigten wieder den Weg in den betrieblichen Alltag zu ebnen“, kommentiert René Bethke, Leiter Gesundheitsmanagement bei der AOK Sachsen-Anhalt diese Ergebnisse.

Bei fast 9 Prozent aller Post-Covid-Erkrankungen wurde auf der AU-Bescheinigung zusätzlich ein akuter Infekt der oberen Atemwege dokumentiert.  Weitere, ebenfalls häufig dokumentierte Begleiterkrankungen waren vor allem Unwohlsein und Ermüdung (4 Prozent), Dyspnoe bzw. Kurzatmigkeit (3,7 Prozent) und Husten (2,3 Prozent).

Delta-Variante mit höherem Anteil an Post-Covid-Erkrankten

Um die Auswirkungen der verschiedenen Virus-Varianten zu analysieren, wurden bundesweite AU-Daten von Beschäftigten mit einer AU-Meldung aufgrund einer akuten Covid-Erkankung sieben Monate lang nachbeobachtet. Dabei zeigte sich, dass zwischen September und Dezember 2021, als die sogenannte Delta-Variante dominierte, bundesweit bei 2,5 Prozent (n = 5.477) der akut Erkrankten eine Post-Covid-Erkrankung folgte. Damit ist deren Anteil doppelt so hoch wie in der Zeit, in der die Omikron-Variante vorherrschte. Hier folge bundesweit bei nur 1,1 Prozent (n = 9.171) aller von Akut-Covid-Betroffenen eine Post-Covid-Erkrankung. Auch die durchschnittliche Länge der Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Post-Covid-Erkrankung ist in der Zeit, in der die Delta-Variante vorherrschte, bundesweit mit durchschnittlich 43,2 Tagen deutlich höher als in dem Zeitraum, in dem die Omikron-Variante vorherrschend war (30,9 Tage).

„Eine gute Nachricht ist, dass sowohl die Zahl der Betroffenen als auch die Schwere der Erkrankung, die aus den Ausfalltagen abgeleitet werden kann, im Verlauf der Pandemie nachgelassen haben“, so Bethke.

Ältere Beschäftigte länger krank wegen Covid 

Die Analysen des WIdO zeigten zudem, dass ältere Beschäftige mit Covid-Erkrankungen deutlich länger krank sind. Das gilt sowohl für Akut- als auch für Post-Covid-Erkrankungen. Während unter 30-jährige Beschäftigte im Mittel 7,8 Tage aufgrund einer akuten und 16,3 Tage aufgrund einer Post-Covid-Erkrankung arbeitsunfähig geschrieben wurden, fielen Berufstätige ab 60 durchschnittlich 13,4 Tage bzw. 42 Tage aus. Über alle Altersgruppen hinweg waren bei akuten Covid-Erkrankungen durchschnittlich 10 Ausfalltage zu verzeichnen, bei Post-Covid-Erkrankungen durchschnittlich 28 Tage.

Soziale Berufe am stärksten betroffen

Die Analysen zeigen auch, dass im bisherigen Verlauf der Pandemie überwiegend soziale Berufe von Covid-Erkrankungen betroffen sind. „Dabei fällt auf, dass die Berufsgruppen, die am stärksten von akuten Covid-Erkrankungen betroffen waren, in der Folge nicht unbedingt die meisten Post-Covid-Ausfälle zu verzeichnen hatten. „Diese Auffälligkeit ist vermutlich durch Unterschiede zwischen den Berufsgruppen hinsichtlich Altersverteilung, Geschlechtsverteilung und Vorerkrankungen zu erklären.““, erklärt René Bethke von der AOK.

Bei akuten Covid-Erkrankungen nehmen Berufe in der Sozialverwaltung und-versicherung den Spitzenplatz ein (27.360 Erkrankte je 100.000 Beschäftigte), gefolgt von Berufen in der Ergotherapie (26.316 Erkrankte je 100.000 Beschäftigte) und Berufen in der Kinderbetreuung und –erziehung ((24.908 Erkrankte je 100.000 Beschäftigte).

Bei Post-Covid-Erkrankungen sind am stärksten die Berufe Ergotherapie und Physiotherapie (2.105 bzw. 1.597 Erkrankte je 100.000 Beschäftigte) betroffen, auf Platz 3 liegen Berufe in der Fachkrankenpflege (1.527 Erkrankte je 100.000 Beschäftigte). Die Berufe der Sozialverwaltung und –versicherung, die am stärksten von akuten Covid-Erkrankungen betroffen sind, liegen bei den Post-Covid-Erkrankungen lediglich auf dem siebten Platz.

Höchster allgemeiner Krankenstand im Jahr 2022 seit 2010

Mit 7,8 Prozent hat der allgemeine Krankenstand in Sachsen-Anhalt im Jahr 2022 den höchsten Stand erreicht, der seit Beginn der regionalen Analyse von Daten AOK-versicherter Beschäftigter im Jahr 2010 gemessen wurde. Treiber dieser Entwicklung waren vor allem Atemwegserkrankungen: Während im Jahr 2021 20,4 Prozent aller versicherten Beschäftigten aufgrund von Atemwegserkrankungen arbeitsunfähig waren, so hat sich diese Quote 2022 mit 42,5 Prozent mehr als verdoppelt.

Methodische Hinweise zu den Covid-Auswertungen:

Hohe Dunkelziffer bei akuten Covid-Erkrankungen

Nur bei knapp der Hälfte aller durchgängig versicherten Personen mit Post-Covid-Diagnose wurde vorab eine akute Covid-Diagnose dokumentiert (bundesweit n = 38.723). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass bei der anderen Hälfte keine akute Covid-Erkrankung vorlag. Vielmehr ist zu vermuten, dass falsch-negative Testergebnisse, symptomfreie bzw. nicht detektierte akute Covid-Erkrankungen, Akut-Covid-Erkrankungszeiten von bis zu drei Tagen Arbeitsunfähigkeit und unterschiedliche Dokumentationsgewohnheiten bei den Leistungserbringern zu den vorliegenden Zahlen geführt haben. Ebenfalls auffällig ist, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten der Personen, bei denen vor der Post-Covid-Erkrankung eine akute Covid-Erkrankung dokumentiert worden waren, mit durchschnittlich sechs Wochen (37,2 Tage bundesweit) erheblich länger waren als bei denen ohne vorab dokumentierte akute Covid-Erkrankung (21,4 Tage bundesweit).

Langzeitfolgen von Covid nach wie vor schwer zu beziffern

Die Abbildung der langfristigen Folgen von Covid-bedingten Erkrankungen für die Arbeitsfähigkeit wird durch die Verteilung des Krankheitsgeschehens auf viele unterschiedliche Abrechnungsdiagnosen erschwert. So spricht man beispielsweise von „Long Covid“, wenn Beschwerden im Zusammenhang mit einer akuten Covid-Erkrankung länger als 28 Tage andauern, ohne dass dies als eigenständige Abrechnungsdiagnose dokumentiert wird. In den vom WIdO analysierten Daten betrifft dies 2 Prozent (bundesweit n = 77.017) aller von akuten Covid-Erkrankungen Betroffenen.

Eine andere Erschwernis ist die Beobachtung, dass eine akute Covid-Infektion unterschiedliche Folgeerkrankungen auslösen kann. So ist zum Beispiel das „Chronische Fatiguesyndrom/Myalgische Enzephalopathie“ mit bundesweit 21.399 Betroffenen und durchschnittlich 32,4 beruflichen Fehltagen pro Erkrankungsfall zwischen März 2020 und Dezember 2022 in der Auswertung berücksichtigt worden. Hinzu kommen organspezifische Erkrankungen sowie unterschiedliche psychosomatische und psychiatrische Beschwerden, in denen sich Covid-Spätfolgen äußern können. Legt man des Weiteren die Falldefinition der WHO zugrunde, die unter dem Begriff „Post Covid Condition“ die Symptome Luftnot, Fatigue und kognitive Störungen als wesentlich für die Erkrankung nennt, erschwert das eine realistische Abbildung des Erkrankungsgeschehens auf Basis von Routinedaten abermals. In den Abrechnungsdaten, die dem WIdO vorliegen, kann es zudem zu einer Untererfassung sowohl von akuten Infektionen als auch von Post-Covid-Erkrankungen kommen, da akute Covid-Infektionen auch unspezifisch als Atemwegsinfekte können. Auch Post-Covid-Erkrankungen lassen sich über eine Vielzahl von Symptomen codieren – zum Beispiel Fatigue (G93, F43, F48), Dyspnoe (R06, J96, F45) oder kognitive Störungen (F06, F07).

Die AOK Sachsen-Anhalt betreut rund 830.000 Versicherte und 50.000 Arbeitgeber in 44 regionalen Kundencentern. Mit einem Marktanteil von 40 Prozent und einem Beitragssatz von 15,6 Prozent ist sie die größte und die günstigste regionale Krankenkasse in Sachsen-Anhalt.