Medikamente: „Kindersicherungen sind auch Seniorensicherungen“

Seniorinnen und Senioren: Studie belegt Schwierigkeiten beim Umgang mit Medikamenten.

Düsseldorf (UKD) – Der Umgang mit Medikamentenverpackungen, Blistern und Dispensern gehört für einen großen Anteil der Seniorinnen und Senioren zum Alltag. Doch wie sicher sind ältere Menschen im Umgang mit ihren Arzneien? Eine Studie von Forschenden der Medizinischen Fakultäten aus Düsseldorf und Essen-Duisburg beschreibt nun, dass in einer Gruppe von selbstständigen über 70-Jährigen, die regelmäßig mehr als fünf verschiedene Medikamente einnehmen müssen, ein Teil der Untersuchten Schwierigkeiten mit der richtigen Handhabung hatte. Die Probandinnen und Probanden sind während der Anwendung der Medikamente für die Studie gefilmt worden. Ein speziell geschultes Team hat die Videos anschließend ausgewertet und die Fähigkeiten im Umgang mit den Medikamenten beurteilt.

Anneke Lügering sieht in der Anwendung von Medikamenten ein großes Problem. Sie ist Apothekerin, Erstautorin der kürzlich veröffentlichten Studie sowie Doktorandin am Institut für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Düsseldorf. „Ich war in meiner Funktion als Apothekerin einige Zeit für die älteren Patientinnen und Patienten in der Unfallchirurgie zuständig und habe mit den betreuenden Ärztinnen und Ärzten viel über Wirkstoffe diskutiert. Gleichzeitig ist mir aber aufgefallen, dass die sachgemäße Anwendung der Medikamente ebenso wichtig ist.“ Paradebeispiele sind laut Lügering Inhalatoren, die man teilweise vor Gebrauch schütteln muss, weil sie sonst nicht ihre Wirkung entfalten können, oder auch Fläschchen mit Schmerzmitteln, die sich mit nachlassender Handkraft nicht öffnen lassen. „Kindersicherungen sind auch Seniorensicherungen“, bestätigt Prof. Dr. Helmut Frohnhofen, Mitautor und leitender Arzt für Altersmedizin in der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der Uniklinik Düsseldorf.

Herausforderung: Tabletten teilen

Bei der jetzt veröffentlichten Studie wurde der Umgang mit Tabletten, Augentropfen, Tropfen, Pflastern und einem Pen untersucht.. Bei der Anwendung von Tabletten ist eine der größten Herausforderungen das häufig notwendige Teilen von Tabletten. „Ich sehe bestätigt, dass unsere Probandinnen und Probanden diesen Vorgang gar nicht als Problem wahrnehmen“, so Anneke Lügering. Küchenmesser, Nagelscheren und Zangen kommen zum Einsatz, um eine Tablette in zwei Hälften zu teilen. „Selbst wenn die Tablette dabei zerbröselt, wird das oft nicht als negativ bewertet.“ Richtig dosiert ist ein Medikament aber eben nur, wenn exakt und nicht ungefähr die Hälfte eingenommen wird.

Was ist zu tun, wenn Angehörige feststellen, dass betagtere Verwandte nicht mehr sicher im Umgang mit Medikamenten sind? Prof. Frohnhofen rät: „Man sollte ältere Patientinnen und Patienten die Medikation weiter eigenständig machen lassen – schon um die Selbstständigkeit zu bewahren.“ Wichtig zu wissen ist, dass es Hilfestellungen gibt, die jeder in Anspruch nehmen kann. „Apotheken sind viel mehr als früher beratend tätig und können ihren Patientinnen und Patienten in Abstimmung mit dem Hausarzt unter die Arme greifen“, so Anneke Lügering. Lässt sich das Schmerzmittel-Fläschchen nicht öffnen, kann nach dem gleichen Wirkstoff in Tablettenform gesucht werden. Um Tabletten nicht teilen zu müssen, ist vielleicht die Umstellung auf ein niedriger dosiertes Präparat möglich. Oder es wird geschaut, ob die Patientin oder der Patient einen Tablettenteiler zuverlässig bedienen kann.

Für Anneke Lügering steht fest, dass das Thema mehr ins Bewusstsein rücken sollte, um die Arzneimitteltherapiesicherheit zu steigern. Die Daten der Studie werden aktuell weiter ausgewertet. Ein Ziel ist es, Hausärztinnen und -ärzten eine standardisierte Beurteilungshilfe an die Hand zu geben, mit der die Einschätzung erleichtert wird, inwieweit ein Mensch im fortgeschrittenen Alter mit seinen Medikamenten alleine zurechtkommen kann. Hierfür sind aber noch weiterführende Untersuchungen notwendig.

Link zur Originalveröffentlichung:

Frontiers | Developing a novel tool to assess the ability to self-administer medication – A systematic evaluation of patients’ video recordings in the ABLYMED study (frontiersin.org)

Zum Universitätsklinikum Düsseldorf:

Das Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) ist das größte Krankenhaus in der Landeshauptstadt und eines der wichtigsten medizinischen Zentren in NRW. Die 9.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in UKD und Tochterfirmen setzen sich dafür ein, dass jährlich über 50.000 Patientinnen und Patienten stationär behandelt und 300.000 ambulant versorgt werden können.

Das UKD steht für internationale Spitzenleistungen in Krankenversorgung, Forschung und Lehre, sowie für innovative und sichere Diagnostik, Therapie und Prävention. Patientinnen und Patienten profitieren von der intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit der 60 Kliniken und Institute. Die besondere Stärke der Uniklinik ist die enge Verzahnung von Klinik und Forschung zur sicheren Anwendung neuer Methoden.