Longevity

Hörverlust moderater Risikofaktor für Demenz

Original Titel:
Association of midlife hearing impairment and hearing aid use with incident dementia: analysis of two UK-based longitudinal cohort studies-

Kurz & fundiert

  • Zusammenhang zwischen Hörverlust im mittleren Lebensalter und spätem Demenzrisiko?
  • Zwei große Kohortenstudien aus Großbritannien mit fast 400 000 Teilnehmern
  • Nur moderate Risikoerhöhung für Demenz bei Hörverlust im mittleren Lebensalter
  • Hörgeräte-Nutzung ohne relevante Schutzwirkung, sondern markiert vermutlich vorrangig schlechtere Hörfähigkeit

 

MedWissDie Untersuchung zweier großer britischer Langzeitkohorten zeigte, dass ein im mittleren Lebensalter auftretender Hörverlust mit einem leicht erhöhten Risiko für die spätere Entwicklung einer Demenz assoziiert ist. Der Zusammenhang fällt jedoch deutlich geringer aus als in früheren Metaanalysen vermutet. Zudem war das Tragen eines Hörgeräts in dieser Analyse selbst nicht mit einem geringeren Risiko verbunden.


Hörverlust wird zunehmend als potenziell modifizierbarer Risikofaktor für Demenz diskutiert. Die Prävalenz von Hörbeeinträchtigungen und Demenz steigt mit zunehmendem Alter an, und frühere Studien wiesen auf mögliche kausale Zusammenhänge hin.

Hörverlust im mittleren Lebensalter: Demenzrisiko?

Die vorliegende Analyse von Langzeit-Kohortenstudien ermittelte nun die Effekte von Hörverlust, Verwendung von Hörgeräten und Alter zum Zeitpunkt der Messung. Die Forscher analysierten Daten aus der Whitehall II-Studie (WII) sowie der UK Biobank (UKB) von Teilnehmern mittleren Alters ohne Demenzdiagnose bis zum Alter von mindestens 65 Jahren, die zu Beginn der Studie Angaben zu ihren Hörfähigkeiten machten. Die Wissenschaftler berechneten schließlich den Anteil aller Demenzfälle, die wahrscheinlich aufgrund einer Hörminderung in mittleren Jahren auftraten.

Analyse von zwei Langzeit-Kohortenstudien mit fast 400 000 Teilnehmern

Die Analyse umfasste 7 054 Teilnehmer aus der WII-Studie (mittleres Alter 56 Jahre, mediane Nachbeobachtungszeit 25 Jahre) sowie 377 893 Teilnehmer aus der UKB-Studie (mittleres Alter 56 Jahre, mediane Nachbeobachtungszeit 14 Jahre). Zu Beginn der Erhebung litten in WII 20,5 % und in der UKB rund 42 % der Teilnehmer an einer messbaren Hörminderung. Hörgeräte nutzten lediglich etwa 2,7 %. Das durchschnittliche Alter zum Zeitpunkt der Demenzdiagnose lag bei 80 Jahren in der WII-Studie und bei 75 Jahren in der UKB-Studie. In WII kam es zu 692, in UKB zu 6 924 Demenzerkrankungen.

Im Verlauf der Nachbeobachtung zeigte sich, dass ein Hörverlust im mittleren Lebensalter mit einem moderat erhöhten Demenzrisiko assoziiert war, allerdings war dieser Zusammenhang nur in den UKB-Daten signifikant (WII: Hazard Ratio, HR: 1,14; 95 % Konfidenzintervall, KI: 0,96 – 1,35; UKB: HR: 1,12; 95 % KI: 1,07 – 1,17). Die Ergebnisse waren über Altersgruppen hinweg konsistent. Die Verwendung von Hörgeräten war in den UKB-Daten mit späterer Demenzdiagnose assoziiert (HR: 1,23; 95 % KI: 1,12 – 1,34), aber nicht in den WII-Daten (HR: 1,05; 95 % KI: 0,71 – 1,55).

Der Anteil aller Demenzfälle, die wahrscheinlich aufgrund einer Hörminderung in mittleren Jahren auftraten, wurde in dieser Analyse zusammengefasst auf 4,7 % geschätzt.

Hörgeräte-Nutzung vermutlich kein Schutzfaktor

Die Analyse zeigte somit, dass Hörverlust im mittleren Lebensalter ein relevanter, jedoch kein dominanter Risikofaktor für Demenz ist. Überraschenderweise schien die Nutzung eines Hörgeräts mit einem womöglich leicht höheren Risiko für Demenz verbunden. Die Autoren interpretieren dies allerdings nicht als schädlichen Effekt der Geräte selbst, sondern als Hinweis darauf, dass Hörgeräte in der Regel von Personen mit schwereren Hörstörungen getragen werden – und dies eventuell ein höheres Risiko für Demenz mit sich bringt.

Besonders aufschlussreich ist der Beitrag des Faktors Hörverlust zur Gesamtzahl der Demenzfälle, der deutlich unter den bislang in Metaanalysen geschätzten Werten von bis zu 19 %, berichten die Autoren. Ein Grund dafür dürfte sein, dass die meisten früheren Untersuchungen ältere Populationen betrachteten und der Zusammenhang bei späteren Messzeitpunkten tendenziell überschätzt wird.

Hörprobleme moderater, aber realer Risikofaktor

Die Wissenschaftler schließen, dass eine sorgfältige Berücksichtigung des Alters bei der Bewertung von Risikofaktoren und bei der Nachbeobachtung wichtig ist, um relevante Präventionsfaktoren zuverlässig zu identifizieren.

 

Weitere Informationen zu Prävention und HealthyAging auch bei staYoung

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