Lässt schlechter Schlaf das Gehirn schneller altern?

Original Titel:
Poor sleep health is associated with older brain age: the role of systemic inflammation

Kurz & fundiert

  • Beeinflusst schlechter Schlaf das biologische Gehirnalter und das Demenzrisiko?
  • Prospektive Kohortenanalyse mit 27 500 Teilnehmern der UK Biobank
  • Schlechter und mittelmäßiger Schlaf mit höherer Differenz zwischem chronologischem und Gehirnalter assoziiert
  • Systemische Entzündung vermittelt bis zu 10 % des Zusammenhangs
  • Schlafqualität beeinflusst das Gehirnalter

 

MedWiss – Schlafprobleme stehen im Verdacht, das Risiko für Demenz zu erhöhen. Eine groß angelegte prospektive Studie zeigt nun, wie schlechter Schlaf mit dem biologischen Alter des Gehirns verknüpft ist – und welche Rolle Entzündungsprozesse dabei spielen.


Schlaf erfüllt zentrale Funktionen wie Stoffwechselregulation, Immunmodulation und Gedächtniskonsolidierung. Mit zunehmendem Alter treten Schlafstörungen häufiger auf, und immer mehr Studien deuten auf einen Zusammenhang zwischen Schlaf und Demenz hin. Die vorliegende Analyse untersuchte daher, ob und wie ungesunde Schlafmuster – etwa unregelmäßige Schlafdauer, Schlaflosigkeit, Schnarchen oder Tagesmüdigkeit – das biologische Gehirnalter beeinflussen und welche Rolle systemische Entzündungen dabei spielen. Denn es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass Schlafstörungen Entzündungsprozesse fördern, die wiederum eine treibende Kraft für verschiedene neuropathologische Prozesse darstellen – etwa zerebrovaskuläre Erkrankungen, Amyloidablagerungen und Neurodegeneration.

Gehirnalter versus chronologisches Alter: Wie wichtig ist guter Schlaf?

Die prospektive Kohortenstudie umfasste Erwachsene aus der UK Biobank, die Angaben zu ihrem Schlaf machten. Anhand von fünf Merkmalen für gesunden Schlaf (früher Chronotyp, 7 – 8 Stunden Schlaf pro Tag, keine Schlaflosigkeit, kein Schnarchen, keine übermäßige Tagesmüdigkeit) wurde ein „Gesunder-Schlaf-Score“ (0 – 5 Punkte) bestimmt und zur Definition von drei Schlafmustern verwendet:

  • gesund (≥ 4 Punkte),
  • mittelmäßig (2 – 3 Punkte)
  • schlecht (≤ 1 Punkt)

Systemische Entzündungen wurden anhand des INFLA-Scores, einem zusammengesetzten Index aus vier Entzündungsbiomarkern (C-reaktivem Protein, Leukozytenzahl, Thrombozytenzahl und dem Granulozyten-Lymphozyten-Verhältnis) erfasst. Die Studie ermittelte die Differenz zwischen Gehirnalter und chronologischem Alter (Gehirn-Alters-Lücke, Brain-Age-Gap) anhand von Gehirnaufnahmen mittels MRT (Magnetresonanztomographie). Eine größere Gehirn-Alters-Lücke weist auf beschleunigte Alterung des Gehirns hin und ist nach früheren Analysen mit erhöhter Sterblichkeit, kognitivem Abbau und Demenzrisiko verknüpft.

Prospektive Kohortenanalyse mit 27 500 Erwachsene

Die Studie umfasste 27 500 Erwachsene mit einem Durchschnittsalter von 54,7 Jahren (54,0 % Frauen). Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 8,9 Jahren wurde die Gehirn-Alters-Lücke anhand von 1 079 MRT-Aufnahmen ermittelt.

Zu Studienbeginn berichteten 898 (3,3 %) Teilnehmer über schlechten, 15 283 (55,6 %) über mittelmäßigen und 11 319 (41,2 %) über gesunden Schlaf. Mittelmäßiger (β = 0,25; 95 % Konfidenzintervall, KI: 0,11 – 0,40; p = 0,010) und schlechter Schlaf (β = 0,46; 95 % KI: 0,05 – 0,87; p < 0,001) waren signifikant mit größerer Gehirn-Alters-Lücke verbunden. Teilnehmer mit schlechtem Schlaf waren häufiger älter, männlich, sozial benachteiligt, hatten ein höheres Gewicht (BMI, body mass index), kardiometabolische Erkrankungen und seltener einen gesunden Lebensstil.

Pro Punkt-Abnahme im „Gesunden-Schlaf-Score“ stieg die Gehirn-Alters-Lücke um etwa 0,5 Jahre. Im Mittel war das Gehirn bei mittelmäßigem Schlaf 0,62 Jahre, bei schlechtem Schlaf 0,99 Jahre älter. Besonders relevante Faktoren waren dabei ein später Chronotyp, vom als optimal eingeschätzten Wert abweichende Schlafdauer und Schnarchen. Systemische Entzündungen erklärten dabei bis zu 10 % des Zusammenhangs zwischen schlechter Schlafqualität und erhöhtem Gehirnalter.

Schlechter und mittelmäßiger Schlaf mit größerer Gehirn-Alters-Lücke assoziiert

Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Schlafqualität ein potenziell modifizierbarer Faktor für die Gehirngesundheit und das Demenzrisiko ist. Entzündliche Prozesse scheinen dabei eine vermittelnde Rolle zu spielen. Weitere Studien sind allerdings erforderlich, um kausale Zusammenhänge zu bestätigen und potenzielle Interventionen – etwa die Verbesserung der Schlafdauer oder die Behandlung von Schlafstörungen – gezielt zu untersuchen.

 

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