Selen für Patientinnen mit Brustkrebs: Freund oder Feind?

Original Titel:
The selenium paradox friend or foe in breast cancer?

Kurz & fundiert

  • Qualitativer Review: Nutzen und Risiko von Selen bei Vorbeugung und Behandlung von Brustkrebs
  • Selen als essenzielles Spurenelement: Antioxidans, Dosierung kritisch, eventuell vorbeugend für Krebs
  • Zu hohe Selenzufuhr oxidationsfördernd und vermutlich begünstigend für kanzeröse Zellen

 

MedWiss Selen hat bei Brustkrebs vorbeugend und therapiebegleitend hohe Aufmerksamkeit erlangt. Es kann z. B. vor oxidativem Stress schützen und das Immunsystem unterstützen. Eine zu hohe Selenzufuhr und bestimmte Erbanlagen können aber oxidativen Stress anfeuern, DNA-Schäden, Entzündungen und das Fortschreiten von Tumorerkrankungen fördern. Man spricht auch von einem Selen-Paradoxon und muss bei der Einnahme selenhaltiger Nahrungsergänzungsmittel genauer hinsehen, wie diese Übersichtsarbeit ausführt. 


Selen zählt zu den lebensnotwendigen Spurenelementen und ist Bestandteil sogenannte Selenoproteine. Dazu zählen z. B. die Glutathionperoxidase und die Thioredoxinreduktase, die zu einer intakten Immunfunktion und zum Schutz gegen oxidativen Stress beitragen. Zusätzlich kann Selen den kontrollierten, durch Signalwege gesteuerten Untergang von Zellen, die sogenannte Apoptose, regulieren. In Abhängigkeit vom Selenstatus, verabreichter Dosis, Erbanlagen und Tumoreigenschaften können aber auch schädigende Effekte auftreten. Auch die Form des aufgenommenen Selens spielt eine Rolle. Die vorliegende Übersichtsarbeit betrachtete die Vielzahl von Einflussfaktoren.

Qualitativer Review: Selen bei Vorbeugung und Behandlung von Brustkrebs

Klinische Studien zur Wirkung von Selen in der Vorbeugung und Behandlung von Brustkrebs haben widersprüchliche Ergebnisse geliefert. Einige Untersuchungen lieferten vielversprechende Ergebnisse zur Vorbeugung von Brustkrebs, besseren Überlebensraten und Therapieerfolgen bei Gabe von Selen. Andere Studien konnten dies nicht bestätigen.

Studienergebnisse zur klinischen Wirkung von Selen

Insbesondere zur langfristigen Einnahme selenhaltiger Präparate gibt es keine ausreichenden Daten. Die kurzfristige Einnahme birgt nach Einschätzung der Autoren geringere Risiken. Anerkannte Leitlinien zu Selen als Nahrungsergänzung für Brustkrebspatientinnen gibt es bisher nicht.

Die Wirkung von Selen ist stark dosisabhängig. Kleine bis moderate Mengen können schützend wirken, während hohe Dosen toxisch sind. Hier spielen auch die Erbanlagen eine wichtige Rolle. Aufgrund ihrer Gene sind einige Menschen empfänglicher für die negativen Effekte höherer Selenmengen als andere.
In zu hohen Dosen kann Selen oxidativen Stress steigern und damit zu Entstehung und Wachstum von Tumoren beitragen. Während der Tumortherapie kann die Einnahme von Selen die Wirkung von Chemotherapie oder Bestrahlung reduzieren, indem es Tumorzellen durch seine antioxidative Wirkung schützt.

Zu viel Selen kann schaden

Selen kommt in unterschiedlichen Formen vor: Zu anorganische Selenverbindungen gehören Salze, wie Natriumselenit. Sie unterscheiden sich deutlich von organischen Selenverbindungen, wie Selenomethionin und sog. metabolischen Formen, wie Methylselensäure. Organische Selenverbindungen werden vom Körper besser aufgenommen und verwertet. Anorganische Verbindungen werden nicht nur schlechter verwertet, sie sind in höheren Dosen auch bedenklicher.

Selen ist nicht gleich Selen

Selen kann je nach Darreichungsform, Dosis, Versorgungslage, Erbanlagen, Art des Tumors und Therapie schützende oder schädigende Wirkungen entfalten. Aus Sicht der Autoren ist eine individuelle Entscheidung sinnvoll, die z. B. die Versorgungslage berücksichtigt.

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