KHK / Herzinfarkt

Das Blutungsrisiko bei regelmäßiger Einnahme von Thrombozyten-Aggregations-Hemmern wie ASS ist altersabhängig

Original Titel:
Age-specific risks, severity, time course, and outcome of bleeding on long-term antiplatelet treatment after vascular events: a population-based cohort study.

Patienten, die unter der koronaren Herzkrankheit (KHK) leiden, sollten ihr Leben lang täglich Thrombozyten-Aggregations-Hemmer wie Acetylsalicylsäure (ASS, Wirkstoff in Aspirin) einnehmen, um die Symptome der KHK zu verringern und dramatischen Folgeerkrankungen vorzubeugen. Da diese Wirkstoffe die Blutgerinnung hemmen, können als Nebenwirkung der Behandlung Blutungen auftreten. Blutungen im Magen-Darm-Trakt sind ernstzunehmende Komplikationen, die durch die zusätzliche Einnahme von Protonenpumpenhemmern (PPI kurz für proton-pump inhibitor), die die Säureproduktion hemmen, nachweislich reduziert werden können. Sie werden zu diesem Zwecke jedoch nur selten verwendet. Die meisten Studien, die die Blutungskomplikationen bei Patienten, die langfristig Thrombozyten-Aggregations-Hemmer einnehmen, untersucht haben, wurden an Patienten durchgeführt, die unter 75 Jahre alt waren. Doch wie sieht das Blutungsrisiko für ältere Patienten aus? Ist das Risiko für Blutungskomplikationen oder für deren Folgen vom Alter abhängig?

Diese Fragen stellten sich Forscher aus Oxford (England). Sie untersuchten, welches langzeitliche Risiko für Blutungen und deren Folgen bei Patienten aller Altersgruppen, die regelmäßig Thrombozyten-Aggregations-Hemmer zur Vermeidung von Folgeerkrankungen einnahmen, besteht. Die Ergebnisse veröffentlichten sie in einer der angesehensten medizinischen Fachzeitschrift The Lancet. Insgesamt wurden 3166 Patienten untersucht, von denen knapp die Hälfte älter als 75 Jahre waren und die aufgrund eines vorherigen Schlaganfalls, Herzinfarkts oder kurzzeitiger Durchblutungsstörungen des Gehirns regelmäßig Thrombozyten-Aggregations-Hemmer (hauptsächlich ASS) und keine PPI einnahmen. Bei 405 dieser Patienten (12,8 %) kam es in einem durchschnittlichen Beobachtungszeitraum von 4,3 Jahren zu ersten Blutungskomplikationen. Am häufigsten (in 54 % der Fälle) war hierbei der Magen-Darm-Trakt betroffen. Etwa jede 10. Blutung fand innerhalb des Schädels statt. Bei 78 % der Blutungen führten diese dazu, dass die Patienten ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Das Risiko für Blutungen, die nicht lebensbedrohlich waren, war nicht vom Alter der Patienten abhängig. Anders sah es bei den schwerwiegenden Blutungen aus. Hier stieg das Risiko mit dem Alter stark an. Dies war besonders bei Blutungen mit tödlichem Ausgang zu beobachten. Besonders deutlich war auch das erhöhte Risiko bei älteren Patienten in Bezug auf schwere Blutungen des oberen Magen-Darm-Traktes (OGIB, kurz für obere gastrointestinale Blutungen) und auch hier gerade dann, wenn diese tödlich verliefen oder zu Behinderungen führten. Bei Patienten, die 75 Jahre oder älter waren, waren diese Blutungen meistens (in 62 % der Fälle) mit fatalen Folgen (Tot oder Behinderung) verbunden. Sie hatten ein größeres Risiko durch die Blutungen des oberen Magen-Darm-Trakts umzukommen oder eine Behinderung davonzutragen als durch Blutungen innerhalb des Gehirns. Berechnungen ergaben, dass statistisch gesehen 338 unter 65-Jährige regelmäßig zusätzlich PPI einnehmen müssten, um über 5 Jahre eine OGIB, die zum Tod oder zu einer Behinderung führt, bei diesen Patienten zu verhindern. Das bedeutet, dass 337 Patienten PPI einnehmen würden, ohne bezüglich der Blutungen einen Nutzen davonzutragen. Bei den über 85-Jährigen müssten hingegen statistisch gesehen nur 25 Patienten zusätzlich mit PPI behandelt werden, um einen von ihnen vor den schlimmen Folgen der OGIB zu bewahren.

Ältere Patienten, die langfristig mit Thrombozyten-Aggregations-Hemmern wie ASS therapiert wurden, ohne zusätzlich PPI einzunehmen, hatten eine höheres Risiko für schwerwiegende Blutungen als jüngere Patienten. Auch das Risiko, dass diese dramatisch verliefen, war bei älteren Patienten höher. Die Autoren der Studien regen an, dass Patienten, die älter als 74 Jahre sind, von einer standardmäßigen Kombinationstherapie mit PPI profitieren könnten. Denn mehr als die Hälfte der schwerwiegenden Blutungen betrafen in dieser Patientengruppe den Magen-Darm-Trakt. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass auch die Einnahme von PPI mit Nebenwirkungen verbunden ist. Ebenfalls muss bedacht werden, dass gerade ältere Menschen häufig ohnehin schon mehrere Medikamente einnehmen müssen. Je mehr Medikamente ein Patient einnimmt, desto schwerer ist es, die gegenseitige Wechselwirkungen dieser Medikamente zu kontrollieren. Dennoch könnte die von den Autoren vorgeschlagene Kombinationstherapie sinnvoll sein. Studien, die den Nutzen dieser Kombinationstherapie bei über 74-Jährigen belegen, sollten jedoch durchgeführt werden, bevor diese standardmäßig angewandt wird.

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