Multiple Sklerose

Cladribin unterdrückt Antikörperproduktion im zentralen Nervensystem

Original Titel:
Cladribine induces long lasting oligoclonal bands disappearance in relapsing multiple sclerosis patients: 10-year observational study.

MedWissSeit letztem Jahr ist Cladribin für die Behandlung von MS zugelassen. Polnische Forscher berichten, dass der Wirkstoff anscheinend auch dafür sorgt, dass keine lokalen Antikörper im zentralen Nervensystem gebildet werden. Das könnte ein weiterer Mechanismus sein, wie Cladribin wirkt.


Zu den Untersuchungen, die zur Diagnose einer Multiplen Sklerose angewendet werden, gehört auch die Analyse der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor). Durch eine Punktion des Rückenmarkskanals (Lumbalpunktion) wird etwas der Flüssigkeit abgenommen und in einem medizinischen Labor genauestens analysiert.

Lokale Antikörper im Liquor sind Hinweis auf MS oder Infektion

Dabei wird auch nach Antikörpern im Liquor gesucht, die nicht im Blut zu finden sind. Das deutet auf eine Entzündungsreaktion im Gehirn oder Rückenmark hin, da hier lokal zusätzliche Antikörper von Immunzellen im zentralen Nervensystem gebildet werden . Bei dem Untersuchungsverfahren werden solche Antikörper als Banden in einem Gel sichtbar, in dem die Bestandteile im Liquor nach ihren Eigenschaften aufgetrennt werden. Diese Banden werden oligoklonale Banden genannt. Sie sind bei Infektionen des zentralen Nervensystems und bei MS zu finden und ein Hinweis auf die Ursache für neuronale Ausfälle.

Bei vielen MS-Patienten lassen sich oligoklonale Banden finden

Zwar sind sie nicht immer vorhanden, aber bei 95 % der MS-Patienten mit neurologischen Ausfällen lassen sich auch Antikörper lokal im Liquor als oligoklonale Banden nachweisen. Polnische Forscher berichten nun, dass der Wirkstoff Cladribin dazu beiträgt die lokale Antikörperproduktion im zentralen Nervensystem zu unterbinden – und so auch die oligoklonalen Banden verschwinden lässt.

Cladribin sorgt für Mini-Neustart im Immunsystem

Cladribin wird bereits länger für den Einsatz bei Multiple Sklerose untersucht. Das ursprüngliche Krebsmedikament ist seit Dezember 2017 in Tablettenform für die Behandlung von MS zugelassen. Die Wirkung von Cladribin beruht darauf, dass der Wirkstoff vorübergehend die Anzahl der reifen B- und T-Zellen reduziert. Dazu wird der Wirkstoff in zwei Monaten für wenige Tage eingenommen, gefolgt von einer Behandlungspause von einem Jahr. Nach und nach bilden sich dann wieder B- und T-Zellen, die immunmodulierende Wirkung von Cladribin bleibt jedoch auch in der Einnahmepause bestehen. Die Zusammensetzung der Immunzellen wird durch Cladribin positiv beeinflusst.

Studie über 10 Jahre: Cladribin lässt oligoklonale Banden verschwinden

Die polnischen Forscher berichten zu der Behandlung mit Cladribin nun von Patienten, die sie für 10 Jahre begleiteten, dass die Wirkung von Cladribin auch darauf zu beruhen scheint, dass die lokale Bildung von Antikörpern im zentralen Nervensystem erfolgreich unterdrückt wird.

In ihrer Untersuchung hatten 29 MS-Patienten mit schubförmigem Verlauf, die bisher noch nicht behandelt wurden, Infusionen mit Cladribin erhalten. Die Patienten erhielten sechs Runden Cladribin alle fünf Wochen für vier bis sechs Tage. Ein Teil der Patienten erhielt weitere Behandlungen mit Cladribin in der Beobachtungszeit. Insgesamt wurden die Patienten für 10 Jahre begleitet.

Forscher sehen darin weiteren Wirkmechanismus von Cladribin

Alle Patienten hatten vor Behandlungsbeginn oligoklonale Banden, die auf lokale Antikörper in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit hinwiesen. Nach der Behandlung mit Cladribin waren es nur noch 55 %. Dabei unterschieden sich die Patienten aber nicht nachweislich in der Zunahme ihres Behinderungsgrades durch die Erkrankung am Ende der Behandlungsrunde, unabhängig davon, ob weiterhin oligoklonale Banden nachgewiesen werden konnten oder nicht. Bei der letzten Nachsorgeuntersuchung jedoch hatten Patienten ohne Antikörpernachweis eine geringere Behinderung als Patienten mit Antikörpernachweis.

Die Forscher schlussfolgern aus ihrer zehnjährigen Beobachtung, dass die Neuzusammensetzung des Immunsystems durch Cladribin zu einer lang anhaltenden Unterdrückung von lokal im zentralen Nervensystem produzierten Antikörpern beiträgt. Dies könnte, so die Forscher, ein weiterer Mechanismus sein, der die therapeutische Wirkung von Cladribin auf den Krankheitsfortschritt bei schubförmiger MS ausmacht.

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