Neue Epilepsiebehandlung mit minimal-invasiver Lasertechnologie

Das Universitätsklinikum Frankfurt hat am 27. Oktober mit der Bundesinnungskrankenkasse Gesundheit (BIG) und dem Medizintechnologieunternehmen Medtronic eine Kooperation geschlossen, die eine neue Therapiealternative für Epilepsiekranke ermöglicht.

In Deutschland leiden 400.000 bis 800.000 Menschen unter Epilepsie. In 70 Prozent der Fälle gelingt es, epileptische Anfälle mit Medikamenten zu unterbinden. Wenn medikamentöse Therapien innerhalb von zwei Jahren nicht anschlagen, kann ein neurochirurgischer Eingriff angewandt werden. Allerdings muss im Vorfeld geklärt werden, ob eine strukturell fokale (= herdförmig, nur einen Teil betreffend) Epilepsie vorliegt, ob also die anfallsauslösende Region im Gehirn lokalisierbar ist. Dann wird der Schädel operativ geöffnet und das betroffene Gewebe mit mikrochirurgischer Technik entfernt. Die neuartige stereotaktische Laserablationstechnologie VISUALASETM erlaubt es dem Arzt oder der Ärztin, über ein millimeterkleines Loch im Schädel zu operieren. Als stereotaktisch werden Behandlungsmethoden bezeichnet, bei denen durch bildgesteuerte und computerassistierte Zielführung eine genaue Kontrolle des Eingriffsortes möglich ist. Ein Laserkatheter wird zum betroffenen Gehirnareal geführt und das epileptisch aktive Gewebe durch Wärmeenergie zerstört. „Wir sind das erste Klinikum in Deutschland, das diese innovative Therapie in Kooperation mit einer gesetzlichen Krankenversicherung anbietet,“ so Prof. Dr. Jürgen Graf, Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikum Frankfurt, „stationäre Aufenthalte und die Regenerationszeit der Patienten lassen sich mit der Behandlung in der Regel deutlich verkürzen.“

Versorgungsvertrag sichert den Zugang zu innovativer Therapie
„Die minimal-invasive Laserablationstechnologie bietet uns die Möglichkeit, Epilepsiepatientinnen und -patienten noch schonender zu behandeln“, ergänzt Prof. Dr. Felix Rosenow, Leiter des Epilepsiezentrums Frankfurt Rhein-Main am Universitätsklinikum Frankfurt. Das Verfahren wurde in den USA entwickelt und zählt dort bereits zur Standardbehandlung. In Europa wurde es bisher wenig verwendet. An dem komplexen Eingriff sind Neurochirurgie, Neuroradiologie, Epileptologie, Anästhesiologie und weitere Fachbereiche beteiligt. Diese interdisziplinär-fachübergreifende Kooperation ist eine wichtige Voraussetzung für den Versorgungsvertrag nach §140a SGB-V. Sie wurde durch das Bundesamt für Soziale Sicherung geprüft und bestätigt. Am 27. Oktober 2020 haben das Universitätsklinikum Frankfurt, die gesetzliche Krankenkasse BIG und die Medizintechnologiefirma Medtronic einen Vertrag geschlossen, der den Zugang der minimal-invasiven Behandlungsalternative für Epilepsie-Patientinnen und -Patienten sichert. „Seit seiner Gründung setzt Medtronic auf Partnerschaften, um gemeinsam mit anderen Interessengruppen die Innovation im Gesundheitswesen zum Wohl der Patientinnen und Patienten voranzubringen,“ erklärt Mike Genau, Senior Vice President und Geschäftsführer der Medtronic GmbH. Neben dem Vorreiter BIG können sich weitere Krankenkassen dem Vertrag anschließen, sodass das Verfahren nach und nach allen gesetzlich Versicherten zur Verfügung steht. Das Epilepsiezentrum Frankfurt Rhein-Main des Universitätsklinikum Frankfurt hat bereits mehr als 40 Patientinnen und Patienten vorgemerkt, bei denen nach eingehender prächirurgischer Diagnostik eine solche Lasertherapie infrage kommt. Die ersten von ihnen können voraussichtlich noch in 2020 behandelt werden. Im Rahmen der vertraglich vereinbarten Qualitätssicherung wird der Therapieerfolg der neuen Methode dokumentiert und wissenschaftlich analysiert.

Hintergrund: Ursachen und Auswirkungen von Epilepsie
Epilepsien zählen weltweit zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Sie können in jedem Alter auftreten, aber sie beginnen meistens in der Kindheit oder im hohen Lebensalter. Die Betroffenen haben eine doppelt bis dreifach erhöhte Sterblichkeit, sie verletzen sich schneller und können oft am sozialen und ökonomischen Leben nur eingeschränkt teilnehmen. 60 bis 70 Prozent der Erkrankungen sind symptomatisch, d. h. sie lassen sich auf Schädigungen des Hirngewebes zurückführen. Diese entstehen durch Entwicklungs- oder Durchblutungsstörungen, Hirnblutungen, Missbildungen der Gefäße, Hirnhautentzündungen, Gehirntumore, Verletzungen durch einen Unfall oder durch immunologische Hirnerkrankungen. Bei einem Drittel der Erkrankten ist die Ursache der Epilepsie ungeklärt oder genetisch bedingt. Bei Epilepsie senden die Nervenzellen des Gehirns plötzlich hochsynchrone Signale an andere Nervenzellengruppen, was zu Anfällen von wenigen Sekunden bis zu mehreren Minuten führen kann. Auch die Schwere der Anfälle variiert stark. Sie reicht von kaum wahrnehmbar bis Bewusstseinsverlust oder bilateralen Zuckungen mit Sturz. Angesichts der Vielzahl an Ursachen, Symptome und Therapieverfahren ist es wichtig immer dann auf epileptologische Expertise, wie man Sie an Epilepsiezentren findet zurückgreifen zu können, wenn die ersten beiden medikamentösen Therapien nicht zu Anfallsfreiheit führen.

Ein Mädchen macht Schule
Den Anstoß für die Aufnahme der spezifischen Behandlungsmethode in den Leistungskatalog der BIG lieferte das Schicksal eines Mädchens 2018. Es war an einem seltenen, tiefsitzenden Gehirntumor erkrankt, der immer stärkere epileptische Anfälle auslöste. Da das Laserablationsverfahren in Deutschland noch nicht angewandt wurde, unterstützten das Universitätsklinikum Frankfurt und die BIG die Weiterbehandlung des Mädchens im Texas Children’s Hospital in Houston, wo das Kind erfolgreich operiert wurde. Zwei Jahre später haben die Initiatoren ihr Ziel erreicht, die Therapie auch in Deutschland durchzuführen. „Mit einem intelligenten Vertrag zur Besonderen Versorgung zwischen Krankenkasse, Klinikum und der Medtronic GmbH kann jetzt die heimatnahe Versorgung Epilepsiekranker mit der neuartigen Therapieoption sichergestellt werden“, versichert Peter Kaetsch, Vorstandsvorsitzender der BIG.

Über Medtronic
Medtronic plc (www.medtronic.com), mit Hauptsitz in Dublin, Irland, ist weltweit führender Anbieter von Medizintechnik, medizinischen Dienstleistungen und Lösungen – um bei Millionen von Menschen in aller Welt Schmerzen zu lindern, Gesundheit wiederherzustellen und Leben zu verlängern. Medtronic beschäftigt weltweit mehr als 90.000 Mitarbeiter und unterstützt Ärzte, Krankenhäuser und Patienten in mehr als 150 Ländern. So engagiert sich das Unternehmen mit Partnern in aller Welt für eine bessere Gesundheitsversorgung – Further, Together.

Über BIG direkt gesund
Die BundesInnungskrankenkasse Gesundheit – kurz BIG direkt gesund – wurde 1996 in Dortmund gegründet. Die große Idee hinter der BIG: Direkter geht Krankenkasse nicht. Gemeint ist damit eine konsequente Online-Ausrichtung und Service in neuer Qualität mit großer Schnelligkeit. Die BIG bietet moderne Kommunikationswege passend zum digitalen Lebensstil ihrer bundesweit rund 400.000 Versicherten. Niedrige Verwaltungskosten im Vergleich zum Durchschnitt der Gesetzlichen Krankenversicherung und ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sind weitere große Pluspunkte. BIG direkt gesund hat ihren Rechtssitz in Berlin, der Sitz der Hauptverwaltung ist Dortmund. Die BIG beschäftigt an den operativen Standorten mehr als 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mehr Informationen finden Sie unter: www.big-direkt.de