Endlich wieder normal essen

16-Jähriger dank spezieller Speiseröhrenrekonstruktion zurück im Leben

Weil sich der damals zweieinhalbjährige Ahmedaly Annamyradov 2009 die Speiseröhre mit Abflussreiniger verätzt hatte, konnte der Junge seitdem kaum noch essen. Regelmäßige Aufdehnungen des vernarbten Gewebes ermöglichten ihm zwar immer wieder den zeitweisen Verzehr von überwiegend flüssiger Nahrung; doch nur eine vollständige Rekonstruktion der Speiseröhre konnte das Problem dauerhaft beheben. Die rettende Operation führten nun die Ärzte der Chirurgischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. Robert Grützmann) des Uniklinikums Erlangen durch. Mit Erfolg: Ahmedaly Annamyradov kann endlich wieder feste Nahrungsmittel zu sich nehmen – als Erstes ließ er sich Croissants und Pizza schmecken.

Für diesen lebenswichtigen Eingriff reiste der junge Patient zusammen mit seinen Eltern aus der über 5.000 Kilometer entfernten Turkmenischen Hauptstadt Ashgabat an. Vor der Coronapandemie fuhr der Junge ein- bis zweimal jährlich mit seinen Eltern nach Indien, um seine Speiseröhre, die aufgrund der Verätzung kaum noch Nahrung durchließ, aufdehnen zu lassen. Im Anschluss konnte Ahmedaly zumindest Brei und Suppen, manchmal auch feste Kost essen; dennoch war der Eingriff immer und immer wieder nötig, damit der Junge nicht dauerhaft auf die Ernährung per Magensonde angewiesen war. PD Dr. Christian Krautz, geschäftsführender Oberarzt der Chirurgie des Uniklinikums Erlangen, erklärt: „Durch die Aufdehnung des Gewebes wurde immer wieder ein neuer Reiz zur Zellerneuerung gesetzt, der zu weiterer Vernarbung führte. Das verengte wiederum die Speiseröhre – ein Teufelskreis, den nur eine Operation durchbrechen konnte.“

Als das Reisen aufgrund der coronabedingten Einschränkungen schließlich schwierig wurde, waren die Aufdehnungen im Ausland nicht mehr möglich. Über Bekannte konnte die Familie schließlich Kontakt zu Dr. Shatlyk Yagshyyev herstellen. Der Assistenzarzt in der Gefäßchirurgischen Abteilung (Direktor: Prof. Dr. Werner Lang) des Uniklinikums Erlangen ist ebenfalls Turkmene und vermittelte zwischen der Erlanger Chirurgie, die über eine besondere Expertise bei Operationen im Bereich der Speiseröhre verfügt, und der Familie Annamyradov. Prof. Dr. Georg Weber, stellvertretender Klinikdirektor und leitender Oberarzt der Chirurgie, verdeutlicht: „Diese Operation können nur wenige Zentren in Deutschland anbieten. Grund dafür ist, dass in der Hochrisikochirurgie, zu der die Speisenröhrenchirurgie gehört, eine bestimmte jährliche Fallzahl nötig ist, um vonseiten des Gesetzgebers solche OPs überhaupt durchführen zu dürfen.“

Nur wenige Schnitte nötig

Operationen an der Speiseröhre, etwa aufgrund von Tumoren, gehören zum Alltag der Ärztinnen und Ärzte der Erlanger Chirurgie. Besonders war im Fall von Ahmedaly allerdings der minimalinvasive Zugang durch die Bauchdecke anstatt durch den Brustkorb – das ermöglichte eine komplette Mobilisierung der erkrankten Speiseröhre. Somit waren lediglich fünf kleine Einschnitte im Bauch für die Instrumente sowie ein Schnitt am Hals nötig. „Außerdem war aufgrund des vielen Narbengewebes besondere Vorsicht geboten“, erläutert Prof. Weber. „Wir wollten keinesfalls die zarte Membran der Luftröhre beschädigen. Das war allerdings besonders herausfordernd aufgrund der vielen Gewebeschichten der vernarbten Speiseröhre, die wir entfernen mussten.“ Die neue Speiseröhre formten die Erlanger Chirurgen im Rahmen der rund sechsstündigen OP aus dem Magen des 16-Jährigen und verbanden sie über einen Zugang am Hals schließlich mit dem oberen Teil der verbliebenen Speiseröhre. Der Vorteil einer mittels Laparoskop durchgeführten Operation ist, dass das Risiko für mögliche Komplikationen im Bereich der Lymphgefäße und der Lunge deutlich geringer ist als bei einer offenen Operation. „Dazu kommt eine deutlich schnellere Wundheilung“, ergänzt Dr. Krautz. Auch deshalb läuft Ahmedaly an Tag zwölf nach der aufwendigen OP problemlos über den Klinikflur, von dem Eingriff zeugen nur noch die Pflaster am Hals und auf dem Bauch.

Zurück ins normale Leben

Ahmedaly konnte bereits kurz nach dem Eingriff wieder feste Nahrung essen, was besonders für seine Mutter Arzygul eine große Erleichterung war: „Seit dem Vorfall war mein Sohn immer sehr dünn, weil er kaum essen konnte.“ Ahmedaly freut sich jetzt vor allem auf das traditionelle Gericht Plov – eine Reispfanne mit Karotten und Fleisch – und auf Hähnchennuggets. Beides will er essen, sobald er in seine Heimat zurückgekehrt ist. „Die Operation ermöglicht meinem Sohn endlich wieder ein normales Leben. Er wird sich wohl erst einmal daran gewöhnen müssen, dass er sich jetzt wieder mit Anderen treffen und aktiv sein kann“, freut sich Ahmedalys Mutter. Denn: Der 16-Jährige hatte oft Angst, weil er sich ständig Behandlungen unterziehen musste, und war deswegen auch im sozialen Leben stark eingeschränkt. Nun sei er aber froh, bald wieder seine vier Geschwister sehen zu können, die nicht mit nach Erlangen gereist sind. „Für mich war es das größte Geschenk, dass Ahmedaly in Erlangen operiert wurde. Wir haben uns hier auf Station gut aufgehoben gefühlt und wollen uns nochmal bei allen Beteiligten herzlich dafür bedanken, dass die Behandlung so unkompliziert gelaufen ist“, betonte Arzygul Annamyradov.