CHIP-Blutzellen können andere Immunzellen entzündlicher machen – und so möglicherweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen verstärken

Ein Team um Prof. Wesley Abplanalp vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) hat neue Erkenntnisse zur Frage gewonnen, warum so genannte CHIP-Mutationen den Verlauf von Herz-Kreislauf-Erkrankungen negativ beeinflussen können. Die in der Fachzeitschrift Nature Cardiovascular Research veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass CHIP-Mutationen insbesondere Monozyten betreffen – und dass mutierte Monozyten auch andere Immunzellen dazu anregen, entzündungsfördernd zu wirken. Dies erklärt, warum viele Herzpatienten mit CHIP-Mutationen einen schwereren Krankheitsverlauf haben. Gleichzeitig liefert die Studie wertvolle Hinweise auf Therapiemöglichkeiten für Patienten mit CHIP-Mutationen.

Herzkrankheiten wie Infarkte oder Schlaganfälle treffen allzu häufig ältere, aber ansonsten gesunde Menschen. Weshalb diese erkranken, war lange unklar. Vor einigen Jahren stieß die medizinische Forschung jedoch auf eine neue Spur: CHIP-Mutationen. CHIP steht für „klonale Hämatopoese unbestimmten Potenzials“ (clonal hematopoiesis of indeterminate potential). Stammzellen im Knochenmark bilden das Blut. Trägt eine Stammzelle eine Mutation, gibt sie diese an alle von ihr abstammenden weißen Blutkörperchen weiter – zum Beispiel an Monozyten und Makrophagen, die zum Immunsystem gehören. Etwa zehn bis 30 Prozent der Patienten mit kardiovaskulären Krankheiten weisen CHIP-Mutationen auf.

Wie können wenige CHIP-Zellen einen großen Effekt haben?

Eine CHIP-Mutation kann unterschiedliche Gene betreffen. Ein häufig verändertes Gen ist DNMT3A. Herzpatienten mit dieser Genmutation sind besonders oft von einer entzündungsbedingten Verschlechterung ihrer Erkrankung betroffen. Dabei ist die Anzahl der Zellen mit CHIP-Mutation im Blut eher klein, sie liegt meist im niedrigen einstelligen Prozentbereich, kann aber auch bis zu 20 Prozent betragen. „Ausgangsfrage unserer Untersuchung war deswegen: Wie können so wenig betroffene Zellen einen so großen Effekt auf die Gesundheit haben?“, berichtet Prof. Wesley Abplanalp, Erstautor der Studie. Er forscht am Institut für Kardiovaskuläre Regeneration und am Exzellenzcluster Cardio-Pulmonary Institute der Goethe-Universität Frankfurt, die zum DZHK-Standort RheinMain gehört. Die Forschenden analysierten Zellen aus dem Blut von Patientinnen und Patienten mit CHIP-Mutation, um herauszufinden, wie genau sich die mutierten Zellen im Blut auswirken. Eine der Leitfragen lautete dabei: Wirken nur die mutierten Zellen entzündungsfördernd, oder haben sie auch einen parakrinen Effekt, geben also anderen Zellen Signale, sich an der Förderung krankhafter Prozesse zu beteiligen?

Um die entsprechenden Prozesse in den Monozyten untersuchen zu können, entwickelten die Forschenden eine maßgeschneiderte Technologie: Sie kombinierten die Einzelzell-RNA-Sequenzierung (scRNA-seq) mit der Oxford Nanopore Long-Read-Sequenzierung, die es erlaubt, komplette Transkripte auszulesen, um Mutationen in Genomsequenzen zu finden. So konnte das Team um Prof. Wesley Abplanalp mutierte DNMT3A-Gene in Monozyten von Herzinsuffizienz-Patienten identifizieren und die Genexpression auf Einzelzellebene bestimmen. Die Forschenden verglichen die mutierten Zellen mit solchen ohne Mutation und analysierten insgesamt mehrere zehntausend Zellen. „Wir wollten verstehen, wie mutierte Zellen aktiviert werden, wie sie nicht mutierte Zellen aktivieren und wie dies zu einer erhöhten Entzündungsneigung führt“, sagt Abplanalp.

CHIP-Monozyten stiften andere zur Entzündung an

Die Studie brachte zwei wichtige Erkenntnisse: 1. Monozyten werden durch die Genmutation DNMT3A mit Abstand am stärksten aktiviert. Dies zeigte sich bei der Zellanalyse durch zahlreiche Veränderungen in der Genexpression. Die aktivierten Signalwege sind dafür bekannt, Entzündungsprozesse im Körper der Patienten zu fördern. 2. Die stark veränderten und aktivierten Monozyten senden zusätzliche Signale an andere, nicht mutierte Monozyten, die dadurch ebenfalls entzündlich wirken. Darüber hinaus regen mutierte Monozyten auch andere Immunzellen wie T-Zellen, die ebenfalls keine CHIP-Mutation aufweisen, dazu an, entzündlicher zu werden.

„Der Prozess ist vergleichbar mit dem Vorgehen einer kleinen Gruppe von Politikern, die ein bestimmtes Anliegen haben. Sie suchen Verbündete und Multiplikatoren. Diese sind zwar nicht so überzeugt von der Sache wie die initiierende Gruppe, tragen aber dazu bei, deren Ziele zu erreichen“, sagt Abplanalp. Für den Forscher erweist sich CHIP damit als Haupttreiber von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Am überraschendsten war für ihn die Erkenntnis, wie stark sich das mutierte DNMT3A-Gen auf die Monozyten auswirkt: „Bei ihnen fanden wir im Vergleich zu anderen Zelltypen mit dieser Mutation die meisten unterschiedlich regulierten Gene“, betont der Studienleiter. Denn auch andere Immunzelltypen wie T-Zellen oder Killerzellen können weisen CHIP-Mutationen aufweisen. Diese Immunzellen sind aber bei weitem nicht so stark betroffen wie die Monozyten.

Studie mit CHIP-Patienten zur Entzündungshemmung geplant

Aus den Erkenntnissen lassen sich Ansätze für gezielte Therapien von Herzpatienten mit CHIP-Mutationen ableiten. Bereits jetzt sei es möglich, so Abplanalp, über Genotypisierung herauszufinden, welche Patienten mit kardiovaskulärer Erkrankung CHIP-Mutationen aufweisen und von einer speziellen Behandlung profitieren. Der DZHK-Standort plane derzeit eine klinische Studie in der untersucht werden solle, wie betroffene Patienten auf entzündungshemmende Therapien ansprechen.

Das DZHK war Hauptförderer der Studie. „Es war fantastisch, diese Pipeline an der Goethe-Universität Frankfurt aufzubauen, um die erforderlichen komplexen Untersuchungen durchführen zu können. Es gibt nur wenige Standorte weltweit, an denen so eine Arbeit möglich ist“, so Abplanalp. Im nächsten Schritt soll genauer untersucht werden, wie sich Zellen mit CHIP-Mutationen auf das Herzgewebe auswirken.

Originalpublikation:

Cell-intrinsic effects of clonal hematopoiesis in heart failure. Wesley T. Abplanalp, Bianca Schuhmacher, Sebastian Cremer, Maximilian Merten, Mariana Shumliakivska, Igor Macinkovic, Andreas M. Zeiher, David John & Stefanie Dimmeler, Nature Cardiovascular Research volume 2, pages 819–834 (2023)